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Offenbar Phosphor-Einsatz im SüdlibanonGleißendes Licht, helle Schwaden

Laut Libanons nationaler Nachrichtenagentur beschießt Israel den Süden des Landes mit weißem Phosphor. Israels Militär streitet den Einsatz ab.

Kfarkela im Südlibanon: Zerstörung nach einem israelischen Luftangriff Foto: STR/dpa

Beirut taz | Die israelische Armee feuert wohl weiterhin Artilleriegranaten mit weißem Phosphor auf den Südlibanon ab, zuletzt am Sonntag auf ein Waldgebiet bei dem Dorf Kounine. Das meldet die libanesische staatliche Nachrichtenagentur NNA.

Seit Anfang des Monats zählte die Agentur vier solcher Angriffe auf Dörfer im Südlibanon, darunter Kfarkela, Schebaa und Majdal Silem. Zwei Bewohnende sollen nach den Angriffen unter schwerer Atemnot gelitten haben. In Majdal Silem seien die Phosphorgranaten zwischen Häusern niedergegangen und hätten zu Bränden auf Plantagen geführt, so NNA.

Weißer Phosphor ist eine chemische Substanz, die in Artilleriegranaten, Bomben und Raketen eingesetzt werden kann. Zu erkennen ist der Einsatz des Stoffs an gleißendem Licht und dichtem weißem Rauch, der nach Einschlag aufsteigt. Der Stoff wird aus diesem Grund eingesetzt: um dem Gegner die Sicht zu nehmen. Bei Kontakt mit Sauerstoff entzündet der weiße Phosphor sich, es kann zu Flächenbränden kommen.

Der Stoff gilt eigentlich nicht als Chemiewaffe. Doch kann er zu schweren Verbrennungen, Atemwegsschäden und Organversagen führen. Der Einsatz der Chemikalie gegen Zi­vi­­­lis­t*in­nen­ ist nach einem Übereinkommen der Vereinten Nationen verboten. Militärische Ziele dürfen mit weißem Phosphor nur angegriffen werden, wenn der Schutz der Zivilbevölkerung gewährleistet ist.

Israel bestreitet Einsatz von weißem Phosphor

Das israelische Militär bestreitet den Einsatz von weißem Phosphor. Doch die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International haben den Einsatz der Substanz durch das israelische Militär über dem Hafen von Gaza-Stadt und dem Südlibanon im Oktober 2023 bestätigt. Für ihre Berichte analysierten die Organisationen Videos und Aussagen von Zeug*innen. Die US-amerikanische Zeitung Washington Post hatte eines der Videos ebenfalls verifiziert.

Seit Oktober beschießen die Kämpfer der Iran-unterstützten Miliz Hisbollah und das israelische Militär mit Luftangriffen einander. Im Libanon zählt das Gesundheitsministerium mindestens 565 Getötete, darunter mindestens 116 Zivilist*innen. Auf israelischer Seite wurden nach Armeeangaben 22 Soldaten und 26 Zi­vi­lis­t*in­nen getötet. Auf beiden Seiten der Grenze sind mehr als 100.000 Menschen vor dem Krieg aus ihren Häusern geflohen und haben in anderen Regionen des Libanon beziehungsweise Israels Schutz gesucht.

Vor rund zwei Wochen spitzte sich die Lage zu: Israel tötete bei einem Angriff in Südbeirut den obersten militärischen Befehlshaber der Hisbollah, Fuad Schukr. Wenige Stunden später meldete der Iran die Ermordung des Politbüro-Chefs der Hamas, Ismael Hanijeh, in Teheran. Für den Angriff wird Israel verantwortlich gemacht. Nun wartet die Region auf die Reaktion des Iran und seiner verbündeten Milizen, darunter die Hisbollah im Libanon. Deren Anführer Hassan Nasrallah hatte vor einer Woche angekündigt, notfalls auch allein Israel anzugreifen, als Vergeltung für dem Tod seines Beraters.

Am Sonntag waren nach Angaben der Hisbollah und des libanesischen Gesundheitsministeriums bei israelischen Luftangriffen im Südlibanon drei Hisbollah-Kämpfer getötet worden. Dem Ministerium zufolge wurden zudem bei einem Angriff des Militärs auf das Dorf Maarub zwölf Menschen teils schwer verletzt, darunter elf Syrer, unter ihnen ein Säugling und ein Kind. Daraufhin hat die Hisbollah in der Nacht zu Montag Raketensalven auf Nord­israel abgefeuert. Die israelische Armee berichtete von 30 Geschossen. Mehrere der Raketen seien in offenem Gelände eingeschlagen, verletzt niemand.

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20 Kommentare

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    Die Moderation

  • Es liegt in der Natur der Sache, daß Verbrecher ihre Verbrechen bestreiten. Man fragt sich nur warum überhaupt noch erwähnt wird, daß das israelische Militär etwas bestreitet.

  • Im Gaza-Konflikt 2008-2009, der in Israel als Operation "Cast Lead" bekannt ist, wurde auf Videoaufnahmen eine bis dahin wenig bekannte Art von Luftmunition festgehalten: niedrige, leuchtende Wolken, die mit einem Donnerschlag oft weniger als hundert Meter über der Dachlinie eintreffen. Die "Tentakel" der Wolken, die sich langsam in einer lockeren Kegelform auf den Boden zubewegen, brennen sich im Sinkflug durch jede Oberfläche, auf die sie treffen, und entfachen oft Sekundärbrände. Die Wolken waren das Ergebnis von weißen Phosphorgranaten. Weißer Phosphor kann schwere Verletzungen verursachen, da er sich direkt durch Haut und Knochen brennt. Bei Kontakt mit Sauerstoff bildet er einen giftigen, reizenden Rauch. In einem Fall während des Konflikts setzten die Granaten eine UN-Schule in Brand, in der Zivilisten Schutz suchten. Israel bestritt zunächst, weißen Phosphor in dem Konflikt eingesetzt zu haben. Als jedoch Bilder der charakteristischen Wolken an die Öffentlichkeit gelangten, behauptete Israel stattdessen, weißen Phosphor als "Rauchvorhang" und "in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht" eingesetzt zu haben.

  • HRW erzählt einmal pro Jahr, Israel würde weissen Phosphor gegen Zivilisten einsetzen. Ich wüsste nicht, bei welchem Mal es am Ende gestimmt hat. Aber wenn es im Behauptungen über Israel geht, ist das wohl immer eine Pressemeldung wert.

    • @Paul Meier:

      Nuja, die OPCW hat sich ja auch geweigert, entsprechende Untersuchungen anzustellen. Wie soll das also bewiesen werden?

  • Wenn das so ist, muss wirklich mal jemand klarmachen, dass niemand über dem Völkerrecht und Kriegsrecht steht, mit welchem laut verkündetem Trauma whatsoever.



    Wir sollten auf Gerechtigkeit drängen und den Palästinensern und Nachbarn Israels ebenso helfen.

    • @Janix:

      "... wirklich mal jemand klarmachen, dass niemand über dem Völkerrecht und Kriegsrecht steht"

      Gute Idee! Vorschläge, wie man das Hamas, Islamischer Dschihad, Hisbollah und den iranischen Terrorpaten klarmacht?

      Ist schon klar, dass das vergebliche Liebesmühe wäre. Aber das Kennzeichen asymmetrischer Kriege ist nun einmal, dass sich mindestens eine Seite ohnehin nicht an das Völkerrecht gebunden sieht und sich dadurch militärische Vorteile verschafft.

      Das legitimiert in diesem Fall nicht die israelische Seite. Aber verbietet eben auch einseitige Anklagen mit dem vielfach üblichen moralischen Furor. Das schulterzuckende Eingeständnis, dass man da bei den diversen Terrororganisation leider gar nichts machen könne, ist als Ausrede leider arg schwachbrüstig.

  • Wir sollten Juden wie Muslime und alle anderen Religionsgemeinschaften schützen wie uns selbst. Aber untätig zusehen unter dem Deckmantel der Staatsraison wie die Israelischen Militärs jedes Völkerrecht und Kriegsrecht unter Missachtung der Genfer Komvention missachten - das ist nicht hinnehmbar!



    Solche Regieren können nicht unsere Freunde und Verbündeten sein. Das haben die meisten Deutschen längst erkannt, aber die Regierung und vor allem der Bundespräsident leugnen diese Tatsache.



    Es würde nicht verwundern, wenn später mal das Wort Genozid öffentlich ausgesprochen wird, was jetzt noch sich niemand in der Koalition traut auszusprechen!!!

    • @ Christoph:

      Weder Juden, noch Muslime, noch Christen verdienen Schutz. "Schützen wie uns selbst" sollten wir wenn, dann alle anderen Menschen. Schieben wir sie vorher in Schubladen ist eine ungleiche Differenzierung vorhersehbar.

    • @ Christoph:

      Lee Mordechai, Dozent an der Universität Jerusalem nimmt das Wort in den Mund ("Bearing Witness to the Israel-Gaza War"), ebenso der renommierte Holocaust Forscher Amos Goldberg (ebenso Uni Jerusalem). Aryeh Neier Professor für Recht, Holocaust Überlebender und Mitbegründer von Human Rights Watch benutzt ebenso das Wort, ebenso wie der Holocaust- und Völkermord- Professor Raz Segal. Das Lemkin Institute for Genocide Prevention benutzt das Wort, sie hatten bereits im Oktober genauso wie TWAILR (veröffentlichten ein Statement unterzeichnet von 800 Rechtsexperten) und Genocide Watch vor einem möglichen Völkermord gewarnt. Und dann ist da noch der 105 Seiten Report vom University Network for Human Rights "ANALYSIS OF INTERNATIONAL LAW AND ITS APPLICATION TO ISRAEL’S MILITARY ACTIONS SINCE OCTOBER 7, 2023" der zusammen mit 4 renommierten Universitäten (Yale,Cornell u.Bosten school of law, Pretoria) verfasst wurde.



      Susan Akram: "The opposition is political, as there is consensus amongst the international human rights legal community, many other legal and political experts, including many Holocaust scholars, that Israel is committing genocide in Gaza." Aber was wissen die schon davon...

      • @Momo Bar:

        Dass diverse Leute das Wort "Genozid" nachplappern, entbindet nicht von der Pflicht des konkreten Nachweises.

        Ungeachtet des unsäglichen Geschwätzes israelischer Extremisten steht der Nachweis, dass die Kriegsführung der IDF auf die ganze oder teilweise Vernichtung der im Gaza-Streifen lebenden Palästinenser abzielt noch aus. Nicht jeder Krieg mit einer hohen Zahl ziviler Opfer ist automatisch ein Genozid. Und dass die Hamas eine Form der Kriegsführung gewählt hat, die diese hohen Opferzahlen aus politischen Gründen will, ist auch offensichtlich. Auch das Verschanzen hinter einer Zivilbevölkerung verstößt nämlich gegen das Kriegsvölkerrecht.

      • @Momo Bar:

        Pff kommen sie jetzt mit Human Right Watch und dem Holocaust Überlebenden Neier und die anderen Gruppen die sie aufgezählt haben sind doch schon seit Jahren wegen Antisemismus aufgefallen.



        Gerade bei Juden die den Holocaust überstanden findet man oft Anzeichen von Israelhass und Antisemismus.

        Die kann man natürlich nicht als glaubwürdige Quelle nehmen.

      • @Momo Bar:

        Es ist wirklich sehr traurig. Und hier in unseren Medien und unter unseren Politikern braucht uns später niemand mehr erzählen, dass habe man nicht wissen können oder es sei fraglich ob es völkerrechtswidrige Kriegführung usw. gegeben habe; zwar werden die das weiterhin tun, aber die die das tun haben damit jede Glaubwürdigkeit und auch jede moralische Deutungshoheit verloren. Und das wird ihnen früher oder später auf die Füße fallen zum Schaden wieder einmal der ganzen Gesellschaft. Denn mit dem Verdrängen, Leugnen und Abstreiten kommt man nur bis zu einem bestimmten Punkt, danach brechen gesellschaftliche Dämme und das kriegt man dann sehr schwer kontrolliert und der Vertrauensverlust wird sich - wie wir z.B. auch bei Corona sehen konnten - auch bei anderen Themen niederschlagen. Unsere demokratische Öffentlichkeit ist nicht so weit und nicht so gut, wie wir gerne wollen und wie sie uns selbst glauben machen will.

        • @JK83:

          Exakt!



          Amos Goldberg im Interview im Jacobin: "Ja, Deutschland zieht die falschen Lehren aus der Geschichte. Die deutsche Regierung und die Mehrheit der deutschen Medien sind voreingenommen, falsch und heuchlerisch, wenn es um Israels Verbrechen an den Palästinenserinnen und Palästinensern geht. Das ist nichts Neues. Deutschland unterstützt Israel und sein Narrativ auf Basis der deutschen Staatsräson, die die Legitimität des deutschen Staates an seine Unterstützung für Israel knüpft. Es ist nicht nur, dass sie einfach nicht sehen wollen, was passiert. Sie wehren sich aktiv dagegen, hinzusehen. Diese unerschütterliche Unterstützung, die als Freibrief für Israels Aktionen betrachtet wird und auch das umfasst, was ich als Völkermord einstufe, ist nicht gut für Israel. Deutschland, das Land, das unter der Naziherrschaft den Holocaust begangen hat, sollte für universelle Werte stehen. »Nie wieder« muss für alle gelten." (...) "Ich glaube nicht, dass das Vorgehen Deutschlands im Interesse Israels ist. Im Gegenteil, es treibt die israelische Gesellschaft weiter in eine Misere, von der sie sich möglicherweise nicht mehr erholen kann."



          Ich kann nur jedem empfehlen das Interview zu lesen.

  • Ich hoffe, der internationale Gerichtshof und Strafgerichtshof sehen das. Und dass dies Konsequenzen nach sich zieht.

    • @Falschgeld:

      Solange der auf westlichen Boden steht, passiert da gar nichts...Schon gehört das Bush oder andere vor dem Gericht gelandet sind?

      • @Chris Ehl:

        Und doch hoffe ich.

  • "Offenbar" heißt, wir wissen nichts.

    • @PeterArt:

      Offenbar heißt augenscheinlich, offenbart, prima facie.

      Wenn Sie sich möglichst belastbare Nachrichten wünschen: ja. Die taz hat aber deutlich den Wissensstand skizziert. Und auf die Herkunft des Wissens verwiesen, samt Dementi der Angriffsseite.

    • @PeterArt:

      "Offenbar" meint eigentlich das Gegenteil. Aber bei Journalisten hat das Wort die Bedeutung "anscheinend" angenommen.