piwik no script img

Öffentlich-rechtlicher RundfunkKein Sendeplatz für Kritik an RWE

Ein Beitrag über hetzende RWE-Mitarbeiter läuft im WDR nicht. Der Sender bestreitet jede Einflussnahme des Konzerns.

Zum Fürchten. Foto: dpa

Es ist eine spannende und exklusive Geschichte, die WDR-Redakteur Jürgen Döschner recherchiert hat: Auf Facebook hetzten Mitarbeiter des Energiekonzerns RWE gegen Klimaaktivisten, die bei verschiedenen Aktionen den klimaschädlichen Braunkohle-Tagebau des Unternehmens behindert hatten.

Selbst vor Todesdrohungen und Aufrufen zur Gewalt schreckten sie dabei nicht zurück: „Ab in die Grube und zuschütten die Affen“, hieß es etwa. Oder: „Wenn die sich festketten, einfach mal den Bagger unter Strom setzen.“ Und zu einer Schienenblockade schrieb ein User: „Augen zu und durch! Voll rein in die Menge! Wer auf Gleisen spielt, ist selbst schuld.“

Die Recherche blieb nicht ohne Konsequenzen: RWE reagierte und drängte darauf, dass die aggressiven Posts gelöscht wurden. Die größte nordrhein-westfälische Zeitung, die WAZ, griff Döschners Geschichte auf. Selbst das bundesweite Deutschlandradio brachte seinen Beitrag. Nur in seinem Heimatsender war nichts davon zu hören: Der WDR berichtete zwar online, aber keine der fünf WDR-Radiowellen sendete das fertig geschnittene Stück.

Bemerkenswert ist diese Entscheidung vor dem Hintergrund, dass sowohl RWE als auch SPD- und CDU-Politiker zuvor massiven Druck auf den WDR ausgeübt hatten. Vor allem ein Kommentar Döschners, in dem er die Massenbesetzung des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler im August als „legitim“ bezeichnet und den Aktivisten „Hochachtung“ gezollt hatte, sorgte beim Unternehmen und seinen politischen Freunden für Empörung. So hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Guido van den Berg erklärt, Döschner Kommentar hebele das Prinzip der „Rechtsstaatlichkeit“ aus, und den WDR zu einer Distanzierung aufgefordert.

Nachträglich entschäft

Döschner selbst äußerte sich auf taz-Anfrage nicht zur Entscheidung des WDR, seinen Beitrag nicht zu senden. Der Sender selbst bestreitet, dass der Druck des Energiekonzerns Wirkung gezeigt hat. „Ich kann Ihnen versichern, dass die Kritik von RWE an der Berichterstattung über die Braunkohle-Proteste in keinem Zusammenhang zur redaktionellen Entscheidung steht, den Beitrag nicht zu senden“, erklärte WDR-Sprecher Uwe-Jens Lindner.

Es gehöre zum „Redaktionsalltag“, dass „Angebote nicht von allen Programmen gesendet werden“. Entschieden werde „nach journalistischen Kriterien“, zu denen „neben der Tagesaktualität auch die Relevanz“ gehöre. Inwieweit diese nicht gegeben war, wird nicht erläutert.

Als Beleg dafür, dass die Haltung von RWE die Berichterstattung nicht beeinflusst habe, nennt der Sender auch die Tatsache, dass Döschners Beitrag in schriftlicher Form im Onlineangebot des WDR erschienen sei.

Allerdings ist auch dieser nachträglich entschärft worden: Lautete die Überschrift zunächst „RWE-Mitarbeiter hetzen gegen Klimaaktivisten“, steht dort mittlerweile nur noch „RWE-Mitarbeiter gegen Klimaaktivisten“. Die Hetze als Hetze zu bezeichnen, wollte man dem Unternehmen offenbar auch online nicht zumuten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Es gab nie eine sog. "Freie Presse" wenn man weiß, wem die Mainstream Medien in Deutschland gehören. Einige wenige Familien sind hier zu nennen. Kritik am Mainstream ist unerwünscht. Sonst hätte man nicht Probleme mit dem Lied von Herrn Hallervorden. Hier einen kleinen Auszug: "(auszugsweise:)

    „Faule Griechen ohne Dank / an die gute Deutsche Bank… /Israel macht Mauerbau/SED Ideenklau/… magst du Netanjahu nit / bist du schnell „Antisemit“/… Waffenhandel, Drohnenmord/ sind der Schlager im Export/ und kein Rüstungspekulant/ hat je ein´ Willy Brandt gekannt /…Saudi Panzer bringen Geld / was die Arbeitsplätze hält / wenn’s in´ Nahen Osten geht/ dann aus „solidarität“/…

    Trinkwasser wird zu Profit/ Nestle macht da gerne mit/… Gottseidank darf der Snowden nicht ins Land / bloß nicht in den Zeugenstand /… so wird Freiheit neu gedacht/ auch vom BND bewacht / du musst, siehst du das nicht ein, antiamerikanisch sein/ … so stehts in der Zeitung drin/ zeigt auch mir, wie blöd ich bin/

    (und dann zum Publikum:)

    Ihr macht mir Mut/ in dieser Zeit/ es tut einfach gut/ dass ihr hier seid.“

  • Der WDR hat zwar eine eigene Sparte für den Protest gegen Braunkohle (http://www1.wdr.de/themen/archiv/sp_braunkohle/konflikte-100.html), dort aber seit Endegelände nichts mehr eingetragen. Es liegt auf der Hand, die Landesregierung von NRWE betreibt Zensur. Nach der Lektüre von "mit Baumhäusern gegen Bagger" (leider bereits vergriffen) wird der mundtote WDR aber noch wichtiger: Medienberichte sind meist 1:1 Abklatsche von Pressemitteilungen durch RWE oder die Polizei. Sogar nachweisliche Lügen wurden schon verbreitet. So musste der Maulwurf weder gerettet werden, noch hat einen Stützpfeiler umgetreten. Die Autoren sind übrigens auf Lesereise, das vorerst letzte Mal heute in Düsseldorf (http://hambacherforst.blogsport.de/2015/10/02/lesung-und-diskussion-mit-baumhaeusern-gegen-bagger/). Ob Hannelore Kohle-Kraft auch lauschen wird?

  • Soso, Hetze gegen Garzweilergegner und Unterdrückung der Berichterstattung darüber gehören nach Meinung des WDR also weder "zur Tagesaktualität noch der Relevanz“. Das ist ja total beruhigend würde ich sagen.

     

    Denn der Meinung bin ich ganz und gar nicht. Damit wird verhindert, dass den Lesern solcher Hetzkommentare die Augen geöffnet werden. Ist das nicht "ein wenig" doppelte Manipulation? Wenn wir schon erleben, wie in anderen Ländern gegen Medien vorgegangen wird, dann brauchen sich unsere Presse- und Sendeanstalten nicht zu wundern, dass auch wir misstrauischer, aufmerksamer und sensibler werden. Es ist sicherlich gut, wenn so manches andere aufgedeckt wird. Genauso wichtig erscheint mir aber zu erfahren, was alles unter so manchen Teppich gekehrt wird. Das rundet unser Gesamtbild ab, auch wenn wir nicht mehr so rundum zufrieden sein können - eher mehr enttäuscht. Wir wollen uns nicht einlullen lassen, lieber WDR! Gut, dass die TAZ davon berichtet!

  • RWE Mitarbeiter werden inzwischen fast täglich von den Klimaaktivisten angegriffen oder in Gefahr gebracht. Darüber berichtet weder der WDR noch Herr Döschner selbst. Es könnte ja die peinliche Situation entstehen, dass Herr Döschner durch seine öffentlichen Gewalt-Legitimierungen als Initiator dieser Aggressionen wahrgenommen wird.

    Nun zu skandalisieren, dass ein Bericht über die verbalen Entgleisungen einzelner RWE-Mitarbeiter nicht auf allen Sender hoch und runtergespielt wird ist schon sehr merkwürdig. Aber da hat sich die TAZ ja mit Herrn Döschner verbrüdert.

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @Schü:

      Gibt es für Ihre Aussage von den fast täglichen Angriffen irgendeinen Beleg?

      • @Malte Kreutzfeldt:

        Es ist andersrum: Fast täglich werden Besetzer von RWE-Söldnern und der Polizei misshandelt. Kann man im Blog nachlesen.

  • Es ist doch ein offenes Geheimnis, das die Nachrichten, in welcher Form auch immer zensiert werden.

    Es gibt in Deutschland keine freie Presse mehr (einzig die TAZ ausgenommen).

    Alle anderen Journalisten sind mehr oder weniger mit dem Maulkorb ausgestattet, bei Springer werden sogar im Arbeitsvertrag Einschränkungen fixiert. Die Intendanten werden nach Parteicoleur ausgesucht. Ist ist ja nicht so, das nicht gut berichtet wird.

    Das viel Gefählichere ist, das hier ganz GEZIELT VERSCHWIEGEN wird. Wieder ein Beispiel, wie wir gesteuert werden sollen und auch werden

  • Es war ein mal ein Bildungs- und Informationsauftrag der durch die Bürger finanzierten Sender.

     

    Heute sind die öffentlich-rechtlichen Fernsehsendeanstalten einfach nur extrem aufgebläht (ich zähte kürzlich 17 Sender, ohne die ganzen WDR Lokalstudios). Gesendet wird vor allem Unterhaltung, manchmal noch Parteipropaganda und zu Tageszeiten, zu welchen der normal berufstätige Mensch längst schlafen muss, auch mal tatsächlich informatives.

     

    Was die Öffentlich-rechtlichen heutzutage abliefern, ist eine Schande für einen freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat.

  • Irgendwie erinnnert das alles an die Hetze gegen Atomkraftgegner nach Brokdorf anno 1976 ff. Damals folgte der NDR lange den Vorgaben der CDU-SPD und sendete gegen die Kritik der Atomkraft. Nicht umsonst wollte damals CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht - Flinten-Uschis Papa - den NDR deshalb zerschlagen. Das gelang zwar nicht, aber der Sender wurde angepasster. Wie sagte einst Dieter Hildebrandt 2012: "»Die Öffentlich-rechtlichen machen sich in jede Hose, die man ihnen hinhält – und die Privaten senden das, was drin ist.«