Neuverfilmung von „Die Farbe Lila“: Zaghafte Emanzipation
Gewalt gegen Frauen in den Südstaaten: In „Die Farbe Lila“ wird der Stoff von Regisseur Blitz Bazawule als Musical erneut auf die Leinwand gebracht.
Georgia, im Süden der USA, 1909: die beiden Schwestern Celie und Nettie Harris leben in einer Kleinstadt über dem Laden, den ihr gewalttätiger Vater Alfonso betreibt. Celie (Phylicia Pearl Mpasi in ihrem Filmdebüt) wird wiederholt von ihrem Vater vergewaltigt. Beide Male, bei denen sie schwanger geworden ist, hat er die Kinder weggegeben. Als Mister, der ein Stück Land in der Umgebung der Kleinstadt besitzt, Alfonso sagt, dass er Nettie (Halle Bailey) heiraten will, lehnt der Vater ab. Stattdessen gibt er ihm seine andere Tochter Celie mit.
Auch Mister erweist sich als gewalttätig, Celie wird regelmäßig von ihrem Mann geschlagen. Als Celie nicht mehr im Haus ist, wird Alfonso Nettie gegenüber übergriffig. Die flieht zu ihrer Schwester. Aber es dauert nicht lange, bis Celies Mann Mister versucht, Nettie zu vergewaltigen. Als sie sich wehrt, wirft Mister sie aus dem Haus und verbietet seiner Frau Celie (als Erwachsene: Fantasia Barrino) jeden Kontakt.
„Die Farbe Lila“. Regie: Blitz Bazawule. Mit Taraji P. Henson, Danielle Brooks u. a. USA 2023, 141 Min. Ab 8. 2. im Kino
Die Handlung von „Die Farbe Lila“ liest sich in jeder Zusammenfassung erschütternd gewalttätig. Als Steven Spielberg den Roman von Alice Walker 1985 verfilmte, wurde der Film zu einem Blockbuster. Anschließend entstand basierend auf Film und Roman ein Broadway-Musical. Das wurde nun von Spielbergs Produktionsfirma Amblin und der Produktionsfirma von Oprah Winfrey verfilmt.
Zaghafte Emanzipation
Auch wenn sich die Handlung im weiteren Verlauf zur Geschichte von Celies zaghafter Emanzipation entwickelt, ist die Wahl der Form eines Musicals für die Geschichte durchaus überraschend. Und doch hält sich das Musical seit der Broadway-Premiere im Dezember 2005 in verschiedenen Besetzungen. Als Regisseur wurde der ghanaische Musiker und Künstler Blitz Bazawule gewonnen, der zuletzt an der Regie von Beyoncés „Black Is King“ mitgewirkt hat.
Die stärksten Szenen des Films entwickeln Bazawule und Drehbuchautor Marcus Gradley wie schon in Spielbergs Film mit einigen Nebendarstellerinnen. Sofia (Danielle Brooks), die Ex-Frau von Misters Sohn Harpo, ist vom ersten Moment an ein wohlwollender Gegenpol zu Celie. Selbstsicher kommandiert sie Harpo herum. Als der wiederum dem Vorbild seines toxischen Vaters folgend versucht, sie zu schlagen, verlässt sie ihn umgehend.
Als sie der vermeintlich liberalen, weißen Frau des Bürgermeisters widerspricht, wird Sofia zusammengeschlagen und wandert für Jahre ins Gefängnis, das sie halb gebrochen wieder verlässt. Eine Zäsur, an der sie lange arbeitet.
Sofias Geschichte ist das Nächste zu einer Figurenentwicklung in „Die Farbe Lila“. Kranken die Figuren doch sonst nahezu ausnahmslos an jener Reduktion auf Archetypen, die die Dramaturgie von Musicals so oft prägt (und die an Spielbergs Film unter anderem als klischeehaft kritisiert wurde). Leider verstärkt Bazawule dieses Problem, indem er die Etappen der Handlung des Musicals über weite Strecken in einer Nummernrevue mit routinierter Einfallslosigkeit abarbeitet und Szene an Szene reiht, ohne dass sich ein Spannungsbogen einstellt.
Klischeehafte Bilder
Der dänische Kameramann Dan Laustsen verschlimmert diese Starrheit noch, indem er eine unermüdliche Tendenz zu Kranaufnahmen hat, denen jede Eleganz abgeht und die einfachste Szenen unnötig kompliziert erscheinen lassen. Die Bilder, die dabei entstehen, wirken wie Klischees ihrer selbst.
Wichtiger als alle filmischen Schwächen ist aber, dass der Film alle Probleme hat, die schon an der früheren Verfilmung kritisiert wurden: So wurde Spielberg unter anderem vielfach dafür kritisiert, dass er die Liebesgeschichte, die das Buch zwischen Celie und Misters Ex-Frau, der Sängerin Shug Avery (Taraji P. Henson) andeutet, auf einen schlichten Kuss reduziert hat. Gut 40 Jahre später verfahren Gradley und Bazawule genauso.
Als neue Schwäche fügt die Neuverfilmung eine komplette Blindheit für die Unterschiede zwischen Schwarzsein in den USA und Schwarzsein in Afrika hinzu. Das zeigt sich vor allem in der Geschichte Netties, die auszuführen mit erheblichen Spoilern verbunden wäre. Celies eigene Emanzipation ist – das ist schon eine Schwäche der Buchvorlage – letztlich nur möglich durch die Überwindung sozialer Hürden, die in beiden Verfilmungen gleich komplett unsichtbar gemacht werden.
Hollywoodkino
Die Neuverfilmung von „Die Farbe Lila“ ist ein gutes Beispiel für jene Schwäche mittelteurer Produktionen, die das aktuelle Hollywoodkino prägt. Von den 1970er bis 2000er Jahren machten Produktionen mit einem Budget im unteren zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich das Gros der Filme aus. Diese Filme spielten im Regelfall ihr Budget mindestens wieder ein, oft mehr als das und im Idealfall ein Vielfaches. In diesem Segment waren also auch Filme möglich, die keine sicheren Blockbuster waren.
Spielbergs „Die Farbe Lila“ hatte ein Budget von 15 Millionen (inflationsbereinigt knapp 45 Millionen) Dollar und spielte etwa 100 Millionen ein. Bazawules „Die Farbe Lila“ hat ein Budget von etwa 100 Millionen Dollar und bislang etwa 65 Millionen eingespielt. Aus Sicht der Produktionsfirmen ist „Die Farbe Lila“ also ein teurer Flop. Potenziellen Zuschauer_innen sei gesagt: Es ist auch ein schlechter Film.
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