Schauspielerin Whoopi Goldberg: Warme Hände, warmes Herz
Bei der dystopischen Weltlage kann man einfach nur die Decke übern Kopf ziehen. Oder man lässt sich das Herz von Schauspielerin Whoopi Goldberg erwärmen.
L etztes Jahr waren es zwei Eisbärenmütter, die auf der Spitze des homophoben Eisbergs durch Italien tanzten. Jetzt flitzen zwei Pinguinpapas über das rutschige Eis, auf dem die queerfeindlichen Torhüter in Florida durcheinanderwuseln.
Statt mir bei der steigenden Kälte die Decke über den Kopf zu ziehen, gucke ich lieber Whoopi Goldberg in „Jumpin’ Jack Flash“ dabei zu, wie sie sich in ihrer Wohnung mit der kaputten Heizung einen Schal umwickelt und die Pinguinpantoffeln überstreift.
Dazu eine überdimensionale Zahnbürste, die auch als Selbstverteidigungsinstrument dienen kann, und einmal quer durchs Zimmer getanzt. Funktioniert jedes Mal.
„Stimmt das?!“, kreische ich im Chat in Richtung meines besten Freundes, der immer alles weiß, „Sister Act 3“!? Ja, stimmt. Wir dürfen uns also auf ein Comeback der Sängerin im Pinguinkostüm – huch, nein, im Nonnenhabit – freuen. Ich kann mein Glück kaum fassen.
Sie singt und singt und singt
Whoopi Goldberg ist nicht nur eine EGOT-Schauspielerin, was bedeutet, dass sie im Laufe ihrer Karriere mit einem Emmy, einem Grammy, einem Oscar und einem Tony Award ausgezeichnet wurde. Sie hat mich, seit ich in cineastischen Bildern denken kann, zum Lachen gebracht, wenn es mal wieder nichts zu lachen gab. Bevor sie in „Sister Act 2“ wieder in die Nonnenkluft schlüpft, rauscht Deloris Van Cartier (Goldberg) im Glitzeroutfit durch die Luft. Sie singt immer schneller und schwingt über der Bühne hin und her, weil der Techniker vergessen hat, die Schwebekonstruktion runterzudrosseln. Sie singt und singt und singt.
Sollte uns mal wieder jemand zu nah auf die Pelle rücken, ohne dass wir es bemerken, warnt uns Goldberg als Wahrsagerin Oda Mae Brown in „Ghost“: „You in danger, girl!“
Und wenn noch die letzten Schachverbände und Angelföderationen versuchen, sich mit trans- und interfeindlichen Regelwerken gegenseitig zu überbieten, hilft ein Blick in den Fernsehfilm „Kiss Shot“ von 1989. Billard, der Sport, mit dem sich die von Goldberg verkörperte Sarah Collins aus der Lebenskrise befreit, wird im Film noch inklusiv gespielt. Eine Kugel küsst die nächste. Dazu ein leichtfüßiger Ritt über die Klaviertasten, wie es nur die Soundtracks der späten 80er vermochten. Sarah spielt die Bälle in Dive Bars, über Bande, im Abendkleid, dem Preisgeld entgegen. Sie hat schließlich eine Tochter zu versorgen, nachdem ihr Arbeitgeber in großem Stil die Leute entlassen hat.
Wie dicht die Glasdecken der Arbeitswelt von Rassismus und Sexismus durchwoben sind, zeigte Whoopi Goldberg Ende der 90er noch einmal in „The Associate“ („Wer ist Mr. Cutty?“). Die Leute haben es gehasst, dabei funktioniert der Camp, mit dem sie in die weiße Hülle des fiktiven Mr. Cutty schlüpft, als Spiegel für die absurde Hartnäckigkeit, mit der sich Vorstellungen von Expertise und Autorität bis heute halten. Dass die Maske so eindeutig eine Maske ist, steht dafür, wie wenig versucht wird, das Spiel aus Macht und Einfluss überhaupt zu verstecken.
Wenn es sein muss, kann Whoopi Goldberg eben auch ernst. Ob sie als Celie in „Die Farbe Lila“ einen Gegenfluch ausspricht oder als Guinan in „Star Trek“ ein allmächtiges Wesen mit Gottkomplex in Schach hält, die Geste ist ikonisch: Drei erhobene Finger, die langsam, aber bestimmt die Luft in Richtung Angreifer umschließen, wehren die eiskalten Blicke der Umwelt ab. Ich wärme mir schon mal die Hände auf.
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