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Neuer Lagebericht aus BerlinWieder mal die Clans

Lagebericht zu Clankriminalität in 2022 ist erschienen. Linke kritisiert erneut Zahlen und Konzept. Spranger will Beweislastumkehr wie bei der Mafia.

Beschlagnahme von Akten im Zuge des Kampfs gegen Clankriminalität 2021 in Berlin Foto: dpa

Berlin taz | Die Innensenatorin und derzeitige Vorsitzende der Innenministerkonferenz der Länder (IMK), Iris Spranger (SPD), fordert im Kampf gegen die sogenannte Clankriminalität eine Umkehr der Beweislast. Im Zuge der Veröffentlichung des neuen „Lagebildes Clankriminalität“ am Samstag erklärte sie: „Auch wenn es eine Erleichterung in der Beweisführung für die Vermögensabschöpfung gab, würde eine tatsächliche Beweislastumkehr, wie zum Beispiel im Kampf gegen die Mafia in Italien, unseren Kampf gegen das Phänomen Clankriminalität noch stärken.“ Ein Verdächtiger ohne Einkünfte und Vermögen müsste dann nachweisen, woher er das Geld für den Kauf etwa einer Millionen-Villa hat.

Das Bundesinnenministerium zeigte sich auf Anfrage des Tagesspiegel am Sonntag nicht abgeneigt. Der Vorschlag aus Berlin sei vor dem Hintergrund der eigenen „Strategie zur Bekämpfung der Schweren und Organisierten Kriminalität“ aus dem vergangenen Herbst „näher zu prüfen und zu beraten“, zitiert das Blatt einen Ministeriumssprecher.

Laut Lagebild rechnet die Berliner Polizei 582 Personen der „Clankriminalität“ zu und registrierte 2022 im Zusammenhang damit 872 Straftaten. Dazu konnten 303 Tatverdächtige ermittelt werden, ein Anteil von 0,2 Prozent aller Berliner Tatverdächtigen. Bei den Taten handelte es sich vor allem um Betrugsdelikte, Verkehrsstraftaten, Betäubungs-, Gewalt- und Eigentumskriminalität sowie Geldwäsche.

Im Rahmen des 5-Punkte-Plans zur Bekämpfung der Clankriminalität wurden im vergangenen Jahr 160 Kontrolleinsätze durchgeführt, davon 84 mit anderen Behörden wie Ordnungsämtern und Zoll. Dabei wurden rund 600 Objekte kontrolliert, vor allem Shishabars und Cafés, aber auch andere Geschäfte, 36 wurden geschlossen. Es wurden unter anderem rund 50.000 Euro, 11.000 unversteuerte Zigaretten, 200 Kilo Wasserpfeifentabak sowie 633 Verkaufseinheiten Betäubungsmittel beschlagnahmt.

Schrader kritisiert Bedrohungsszenario

Der Begriff Clankriminalität ist wissenschaftlich umstritten, weil er Menschen aufgrund ihrer (arabischen) Herkunft und Familienzugehörigkeit verdächtigt, zudem ist sein kriminologischer Nutzen unklar. Ebenso gibt es Kritik an den Kontrollen, die reihenweise ehrliche Geschäftsleute treffen.

„Die Zahl der registrierten Straftaten und Tatverdächtigen steht in keinem Verhältnis zu dem Bedrohungsszenario, das uns permanent suggeriert wird“, sagte der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader, am Sonntag der taz. Auch die Ausbeute der Verbundeinsätze sei gemessen am riesigen Aufwand „ziemlich mau“. Am Begriff Clankriminalität kritisiert Schrader, dieser sei „nicht nur aus rechtsstaatlicher Sicht haarsträubend, er verstellt auch den Fokus auf die tatsächlich zu bekämpfende Kriminalität“.

Zu Sprangers Forderung nach Beweislastumkehr sagte Schrader, dies sei allenfalls bei sehr großen Beträgen mit Bezug zur organisierten Kriminalität denkbar, „aber keinesfalls in Bezug auf eine Familienangehörigkeit“. Für ihn ist der Vorschlag „erneut ein Ausdruck der rassistischen Debatte um die sogenannte Clankriminalität“.

Vergangene Woche hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (auch SPD) mit dem Vorschlag für Diskussionen gesorgt, Angehörige von kriminellen Vereinigungen sollten auch ausgewiesen werden können, wenn sie selbst nicht wegen Straftaten verurteilt seien. Ziel sei die schnellere Abschiebung von Mitgliedern krimineller Clans, hatte das BMI laut Medienberichten auf Nachfrage erklärt.

Auch Faeser will härtere Gangart

Unklar bleibt bis heute, wie das mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar sein soll. Wer etwa wie beweisen will, dass eine Person einer kriminellen Vereinigung angehört, bevor es dazu ein Gerichtsurteil gibt. Unklar ist auch, wie das gegen „Clankriminalität“ hilft, wo große Teile der Tatverdächtigen deutsche Staatsangehörige sind, laut neuem Lagebericht rund 44 Prozent.

Dennoch bekam Faeser, als SPD-Spitzenkandidatin in Hessen offenbar schon im Wahlkampfmodus, nicht nur viel Kritik, sondern auch Zustimmung für ihren Vorschlag. Am Wochenende legte sie in der Rheinischen Post nach: „Wir müssen den Kampf gegen organisierte Kriminalität konsequent führen. Clankriminalität ist ein Teil davon. Der Rechtsstaat muss hier Zähne zeigen.“ Den Stammtischen wird's gefallen.

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16 Kommentare

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  • Die Beweislastumkehr ist ein wichtiges und bewährtes Mittel, um gegen organisierte Kriminalität vorgehen zu können. Ich persönlich lege keinen besonderen Wert auf den Begriff "Clankriminalität". Es ist organisierte Kriminalität, der Begriff ist m.E. ausreichend.

  • Der Begriff Clankriminalität ist halt generell unsinnig. Es ist organisiertes Verbrechen, es ist schlichtweg Mafia. Und sollte auch so bezeichnet werden und konsequent angegangen werden.

    Dann macht man es auch den Populisten schwerer, damit Stimmungsmache zu betreiben.

    Dass die Linke wieder reflexhaft Schnappatmung bekommt, Rassismus wittert und lieber über "tatsächlich zu bekämpfende Kriminalität"(!), ist der altbekannte ideologisch angesäuerte Unsinn bei diesem Thema.

    Faesers Vorschläge mögen (bewußt?) schwammig, interpretierbar und juristisch fragwürdig sein. Aber darin heißt es auch:

    "Es geht dabei um kriminelles Handeln, nicht um Verwandtschaftsverhältnisse. Der Familienname sagt nichts darüber, ob jemand kriminell ist....dass eine Ausweisung bereits möglich sein soll, wenn jemand Teil einer kriminellen Vereinigung war oder ist"

  • Immer wenn ich von Clans höre, frage ich mich was die ganzen Schotten hier machen.

    Aber Spass bei Seite, ich finde man sollte im verborgenen agierende Grossfamilien wirklich besser kontrollieren. Nicht nur die Remmos sondern auch die Quandts, Porsches, Mohns, Hohenzollern, etc.

    Beweislastumkehr finde ich gut - Wer keine Steuern zahlt, darf auch nicht reich sein. Da kämen einige Konzerne und Familienstiftungen ins Schleudern.

    • @The61YearOldHippy:

      Das wäre mal endlich gerecht!👍

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Herr Spranger sieht die Debatten in der Politik um kriminell agierende Clans als rassistisch an. Er sollte sich allerdings fragen, ob rechtschaffene Menschen arabischer Herkunft wirklich unter weniger Ressentiments leiden, wenn kriminelle Clans dem Staat vor den Augen der breiten Öffentlichkeit auf der Nase herumtanzen.

    Wenn man das Gefühl hat, dass theoretisch jede Shisha-Bar eine Geldwäscheanlage sein kann, weil es dem Staat nicht möglich ist, selbst in Fällen bei denen dies ziemlich offensichtlich ist, eindeutige Beweise und Zeugenaussagen vorzulegen, betrachten viele Menschen irgendwann jede Shisha-Bar mitsamt ihrer Besitzer, Mitarbeiter und Kunden als Teil eines kriminellen Milieus.

    Verherrend in dem Zusammenhang ist nicht nur, dass kriminelle Clans nicht nur einen enormen materiellen Schaden anrichten sondern auch jegliche kulturelle Sensibilität vermissen lassen. Insbesondere mit den Einbrüchen in das Bode Museum und das Grüne Gewölbe, durch die kulturelle Schätze beschädigt und zerstört wurden, weckte in vielen Menschen den Eindruck, dass es in diesen Kreisen keinerlei Respekt oder Verständnis für die Werte ihres Gastlandes gibt.

  • Aus welchem Grund bin ich jetzt ggf. Stammtischniveau, wenn ich es gerne sähe, wenn dort Steuern bezahlt würden wo sie in Villen wohnen und mit dicken Autos rumfahren?



    Wahrscheinlich weil das zu einfach klingt und somit Populismusverdacht. Soweit meine Annahme.

  • Zur Beweislastumkehr:



    Wenn Sie in Italien ein Hilfsarbeiter sind und auf einmal für mehrere hunderttausend Euro eine Gastronomie kaufen, teuer renovieren usw. (gern genutzt in Deutschland zur Geldwäsche, so eine Gastro hat viel Bargeld). Dann müssen Sie nachweisen, dass dies legal abgeht, also entweder ein Bankkredit, eine Erbschaft, ein Lottogewinn oder Familienmitglieder, die ein hohes legales Vermögen haben und Ihnen aushelfen.



    Da dies im Zweifel leicht zu führen ist und praktisch jeder Unschuldige diese Unschuld auch nachweisen kann (z.B. Bankkredit oder Lottogewinn herzeigen), ist die sicherlich akzeptabel.



    Was den Begriff "Clan-Kriminalität" betrifft: Man könnte auch "Arabische Mafia" in Anlehnung an italienische Mafia sagen. Wobei auch die Ndrangheta in Familienclans agiert (anders die Cosa Nostra).

  • Nun, in Kombi mit dem kürzlich hier erschienenen Artikel/Interview zur OK der "original" italienischen Mafiagruppen



    in Dtl. (taz.de/Verein-uebe...e-Mafia/!5944231/) könnte man schon auf die Idee kommen, dass statt "Clan" schlicht "mafiöse OK" ein angemessener Begriff wäre. Und in diesem Zuge wäre es womöglich gar nicht so schlecht, die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppierung unter Strafe zu stellen und die Beweislastumkehr für Vermögen(swerte) einzuführen.



    Dass nicht alle Verwandten einer Großfamilie mafiös resp. kriminell sind, ist auch Strafverfolgungsbehörden klar, dass es innerhalb von bestimmten (familiären) Gruppen, ob nun mit Bezug zu Kalabrien oder dem Libanon oder einem OutlawMC, ist ziemlich wurscht - OK bleibt OK

  • Ist der Begriff Mafia angemessen ? Letztlich ist es das doch, Drogenhandel , Erpressung und Steuerbetrug in großem Stil.

  • Während auf der rechten Seite "Clan" ein Kampfbegriff geworden ist, verwandelt er sich gerade auch auf linker Seite dazu. Hier ist "Clan" dann Chiffre für angeblich rein rassistische Politik, die ein paar ungezogene Jungs mit Migrationshintergrund für ihre Jugendstreiche verfolgt.

    Es handelt sich aber nun mal um Organisierte Kriminalität, die Milliarden umsetzt und erheblichen Schaden anrichtet. Warum sollte man die NICHT bekämpfen?

    Dass der Kern der Organisationen von Großfamilien mit Migrationshintergrund gebildet wird, IST einfach so.

    Das macht weder die Kriminalität an sich ein Migrantenproblem, noch deren Bekämpfung rassistisch.

    • @Suryo:

      Genauso ist es! Hier wird wieder auf etwas übergroße Rücksicht gelegt, was vollkommen egal ist. Es ist vollkommen unwichtig, ob es Migrus sind oder nicht, organisierte Kriminalität ist organisierte Kriminalität und muss bekämpft werden.

  • Dagegen.

    Man kann beim lesen der TAZ sicher sein, dass diese sich gegen den Mainstream ausspricht. Diese Prinzipientreue ist... nervig, mindestens. Inhaltlich könnte ich mich dieses mal anschließen, meine Argumentation wäre nur etwas... dogmatischer.

    Gesetze in Deutschland sind (bzw. sollten) systematisch (sein). Das gilt der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Eine Beweislastumkehr an einer Stelle kann ganz schnell dazu führen, dass diese auch an anderen Stellen eingeführt werden. Das Recht würde erodieren.

    Von daher bräuchte es schon sehr gute Gründe dafür, um ein Lex-Speciales für die Clans zu schaffen.

    P.S. Anders als die TAZ, die qua Amt für all die unterdrückten ist, also auch für die Clans, gehe ich davon aus, dass wir eine wehrhafte Demokratie brauchen. Es mag nicht jedes Mittel Recht sein, aber ein gleichsetzen der Mafia und der Clans ist schon qua Definition sinnvoll.



    Also: DAFÜR

  • Warum die Beweislastunkehr nur bei sogenannter Clankriminalität?



    Jeder Normalbürger kann mit Sicherheit nachweisen wie er sein Vermögen, so er denn über ein solches verfügt, erworben hat und von welchen Einkünften er lebt. Das ist für die Behörden wie Finanzämter u.ä. ziemlich transparent.



    Warum diese Transparenz nicht auch für alle anderen herstellen? Dann könnte man auch endlich mal ergründen, wieviel Geld dem Staat im Jahr so durch die Lappen geht. Allerdings wird es nicht nur bei den Kriminellen Widerstände geben, sicher auch bei den Superreichen mit ihren Lobbyisten, Stiftungen und Winkeladvokaten.

    • @Axel Schäfer:

      Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass Politiker soetwas durchringen wollen?

    • @Axel Schäfer:

      Ich denke, das wäre in Italien immer so. Wenn Sie als Arbeitsloser auf einmal Porsche fahren, sich eine Eigentumswohnung kaufen und eine Rolex kaufen, dann kann die Polizei nachfragen, ob sie das legal bekommen haben. In Italien ist das kein Rassismus, da Mafiosi ja "Uritaliener" sind.

      • @Kartöfellchen:

        genau so ist es.