Neuer Lagebericht aus Berlin: Wieder mal die Clans
Lagebericht zu Clankriminalität in 2022 ist erschienen. Linke kritisiert erneut Zahlen und Konzept. Spranger will Beweislastumkehr wie bei der Mafia.
Das Bundesinnenministerium zeigte sich auf Anfrage des Tagesspiegel am Sonntag nicht abgeneigt. Der Vorschlag aus Berlin sei vor dem Hintergrund der eigenen „Strategie zur Bekämpfung der Schweren und Organisierten Kriminalität“ aus dem vergangenen Herbst „näher zu prüfen und zu beraten“, zitiert das Blatt einen Ministeriumssprecher.
Laut Lagebild rechnet die Berliner Polizei 582 Personen der „Clankriminalität“ zu und registrierte 2022 im Zusammenhang damit 872 Straftaten. Dazu konnten 303 Tatverdächtige ermittelt werden, ein Anteil von 0,2 Prozent aller Berliner Tatverdächtigen. Bei den Taten handelte es sich vor allem um Betrugsdelikte, Verkehrsstraftaten, Betäubungs-, Gewalt- und Eigentumskriminalität sowie Geldwäsche.
Im Rahmen des 5-Punkte-Plans zur Bekämpfung der Clankriminalität wurden im vergangenen Jahr 160 Kontrolleinsätze durchgeführt, davon 84 mit anderen Behörden wie Ordnungsämtern und Zoll. Dabei wurden rund 600 Objekte kontrolliert, vor allem Shishabars und Cafés, aber auch andere Geschäfte, 36 wurden geschlossen. Es wurden unter anderem rund 50.000 Euro, 11.000 unversteuerte Zigaretten, 200 Kilo Wasserpfeifentabak sowie 633 Verkaufseinheiten Betäubungsmittel beschlagnahmt.
Schrader kritisiert Bedrohungsszenario
Der Begriff Clankriminalität ist wissenschaftlich umstritten, weil er Menschen aufgrund ihrer (arabischen) Herkunft und Familienzugehörigkeit verdächtigt, zudem ist sein kriminologischer Nutzen unklar. Ebenso gibt es Kritik an den Kontrollen, die reihenweise ehrliche Geschäftsleute treffen.
„Die Zahl der registrierten Straftaten und Tatverdächtigen steht in keinem Verhältnis zu dem Bedrohungsszenario, das uns permanent suggeriert wird“, sagte der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader, am Sonntag der taz. Auch die Ausbeute der Verbundeinsätze sei gemessen am riesigen Aufwand „ziemlich mau“. Am Begriff Clankriminalität kritisiert Schrader, dieser sei „nicht nur aus rechtsstaatlicher Sicht haarsträubend, er verstellt auch den Fokus auf die tatsächlich zu bekämpfende Kriminalität“.
Zu Sprangers Forderung nach Beweislastumkehr sagte Schrader, dies sei allenfalls bei sehr großen Beträgen mit Bezug zur organisierten Kriminalität denkbar, „aber keinesfalls in Bezug auf eine Familienangehörigkeit“. Für ihn ist der Vorschlag „erneut ein Ausdruck der rassistischen Debatte um die sogenannte Clankriminalität“.
Vergangene Woche hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (auch SPD) mit dem Vorschlag für Diskussionen gesorgt, Angehörige von kriminellen Vereinigungen sollten auch ausgewiesen werden können, wenn sie selbst nicht wegen Straftaten verurteilt seien. Ziel sei die schnellere Abschiebung von Mitgliedern krimineller Clans, hatte das BMI laut Medienberichten auf Nachfrage erklärt.
Auch Faeser will härtere Gangart
Unklar bleibt bis heute, wie das mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar sein soll. Wer etwa wie beweisen will, dass eine Person einer kriminellen Vereinigung angehört, bevor es dazu ein Gerichtsurteil gibt. Unklar ist auch, wie das gegen „Clankriminalität“ hilft, wo große Teile der Tatverdächtigen deutsche Staatsangehörige sind, laut neuem Lagebericht rund 44 Prozent.
Dennoch bekam Faeser, als SPD-Spitzenkandidatin in Hessen offenbar schon im Wahlkampfmodus, nicht nur viel Kritik, sondern auch Zustimmung für ihren Vorschlag. Am Wochenende legte sie in der Rheinischen Post nach: „Wir müssen den Kampf gegen organisierte Kriminalität konsequent führen. Clankriminalität ist ein Teil davon. Der Rechtsstaat muss hier Zähne zeigen.“ Den Stammtischen wird's gefallen.
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