Neuer Corona-Impfstoff zugelassen: Alles bereit für den vierten Piks
Ab dieser Woche gibt es den neuen, an Omikron angepassten Impfstoff in Deutschland. Wer sollte sich damit impfen lassen?
Am 1. September wurden nun die angepassten Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer für Europa zugelassen, in der vergangenen Woche bestellten Hausärzte und Impfzentren diesen über die Apotheken. Und ab dieser Woche soll tatsächlich in ganz Deutschland damit geimpft werden. Der sogenannte bivalente Impfstoff soll dabei sowohl gegen frühere Varianten als auch gegen Omikron schützen. Zugelassen ist er bislang nur für die Auffrischungsimpfung. Für die Grundimmunisierung wird weiterhin der „alte“ Impfstoff verwendet.
Aber wer genau sollte sich denn jetzt die nächste Spritze geben lassen?
Der Hausärzteverband ist zunächst einmal nicht allzu erfreut über die Äußerungen Lauterbachs. „Es ist alles andere als optimal, dass Teile der Politik bereits sehr früh hohe Erwartungen an die angepassten Impfstoffe schüren, ohne dass die Stiko sich hierzu geäußert hat“, sagt der Vorsitzende Ulrich Weigelt der taz. Die Menschen seien verunsichert und blickten schlicht nicht mehr durch.
Die Stiko äußerte sich bisher nicht zum neuen Impfstoff
Die Ständige Impfkommission (Stiko) spricht als ehrenamtliches Experten:innengremium auf der Grundlage verfügbarer Studiendaten Empfehlungen aus, wer sich wann gegen Corona und andere Infektionskrankheiten impfen lassen sollte. Die Hausärzt:innen orientieren sich in der Regel daran. In der aktuell gültigen Impfempfehlung vom 18. August empfiehlt die Stiko eine zweite Auffrischungsimpfung – also eine insgesamt vierte Impfung – nur für Personen ab 60 Jahren sowie Risikopatient:innen ab 5 Jahren. Für Menschen ab 12 Jahren wird eine Auffrischungsimpfung empfohlen, für Kinder zwischen 5 und 11 Jahren nur eine Impfung oder die Grundimmunisierung aus zwei Spritzen. Seit der Zulassung der angepassten Impfstoffe hat sich die Stiko noch nicht geäußert.
„Für die Auffrischungsimpfungen nehmen wir jetzt den neuen Impfstoff, sobald er da ist“, heißt es aus dem einzigen in Berlin noch geöffneten Impfzentrum. Eine zweite Auffrischungsimpfung bekämen nach Beratung auch Personen unter 60 Jahren, so ein Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes – auch ohne entsprechende Stiko-Empfehlung.
„Ich hoffe schon, dass sich die Stiko bald äußert“, sagt Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie an der Technischen Universität Dortmund und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Es handele sich schließlich um einen zu über 90 Prozent unveränderten Impfstoff. Die Sicherheitsdaten dürften absolut vergleichbar sein zu dem bisher verfügbaren Impfstoff, so Watzl. „Ich wäre sehr überrascht, wenn sich neue Nebenwirkungen zeigen würden.“
Nun wieder Schutz auch vor Infektionen
Tatsächlich – und das dürfte auch die Stiko zögern lassen – beziehen sich die Daten aus der Zulassungsstudie aber nur auf den Status der Antikörper von wenigen hundert Geimpften. Daten zum Schutz vor Ansteckung und schweren Erkrankungen gibt es noch nicht. Laut der Zulassungsstudie zeigt sich nach einer Auffrischungsimpfung mit dem an die Omikron-Variante BA.1 angepassten Impfstoff ein hoher Antikörperstatus auf diese Variante.
Aus den Erfahrungen mit dem bisherigen Impfstoff ließe sich schlussfolgern, dass nach einer Impfung mit dem neuen Impfstoff auch ein Schutz vor Ansteckung mit den Omikron-Varianten gegeben sein dürfte, so Watzl. Das wäre ein deutlicher Vorteil gegenüber dem bisherigen Impfstoff, „der zwar vor einer schweren Erkrankung, aber zugegebenermaßen lausig vor der Infektion mit Omikron schützt“.
Von einer zusätzlichen Impfung mit dem neuen Impfstoff würde „theoretisch jeder profitieren“, sagt Watzl. Auch gesunde 30-Jährige. Es gebe aus immunologischer Sicht auch keine Gefahr der „Überimpfung“, solange ein Zeitfenster von 6 Monaten nach der letzten Erkrankung oder Impfung eingehalten werde.
Trotzdem glaubt Watzl nicht, dass die Stiko eine allgemeine Empfehlung für eine zusätzliche Auffrischungsimpfung mit dem angepassten Impfstoff geben wird. Der Immunologe hält dies auch selber nicht für nötig. Bei einer Impfung gehe es in erster Linie um den Schutz vor schweren Erkrankungen. Deshalb sei eine zweite Auffrischungsimpfung für ältere Personen und immungeschwächte Risikogruppen sinnvoll.
Alle anderen seien auch mit der dreifachen Impfung gut geschützt. Nur für Menschen, die mit gefährdeten Personen arbeiteten oder zusammenlebten, könne eine vierte Impfung ratsam sein. „In der Bevölkerung sollte auf keinen Fall der Eindruck entstehen, man muss sich jetzt alle paar Monate impfen lassen“, sagt Watzl. Das sei immunologisch einfach nicht sinnvoll.
Und was ist mit Arbeitsausfällen wegen Quarantäne – ist das kein Impfgrund? Der Immunologe hält hier Maskentragen am Arbeitsplatz für die angemessenere Maßnahme.
Auch BA.5-Impfstoff bald da
Wenn aber im Wesentlichen nur die über 60-Jährigen geimpft werden sollen, wohin dann mit dem ganzen Impfstoff, den das Gesundheitsministerium bestellt hat? Allein die Menge, die in den ersten zwei Septemberwochen geliefert wurden, reicht aus, um die noch nicht aufgefrischten ab 60-Jährigen zu impfen. „Ich möchte es mal positiv formulieren“, sagt Immunologe Watzl, „wir haben auf jeden Fall genug Impfstoff, um alle zu impfen, die die Impfung benötigen.“
Ein niedersächsischer Hausarzt berichtet kurz vor dem geplanten Impfstart, dass es offenbar Lieferschwierigkeiten gibt und er in der ersten Woche doch nicht so viel Impfstoff bekommt wie bestellt. Der Andrang auf den neuen Impfstoff halte sich aber ohnehin in Grenzen. „Die Leute warten sicher noch bis Ende September“, heißt es auch aus der Patient:innenanmeldung einer Berliner Praxis. Dann soll nämlich schon der nächste Impfstoff zugelassen werden – gegen die aktuell in Deutschland vorherrschende Omikron-Variante BA.5. Lauterbach stellte in Aussicht, dass der schon ab Ende September oder Anfang Oktober gespritzt werden könne.
Die Risikogruppen sollten darauf aber keinesfalls warten, empfiehlt Immunologe Watzl. „Ob es zeitlich dabei bleibt und ob der Impfstoff tatsächlich so viel besser schützt als der an BA.1 angepasste, ist noch gar nicht sicher.“ Die bisher verfügbaren Daten deuteten laut dem Immunologen darauf hin, dass beide Impfstoffe einen vergleichbaren Schutz gegen die bisher aufgetretenen Omikron-Varianten bieten.
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