Neue Studie von UN-Organisation: Versteckte Kosten der Ernährung
300 Milliarden Dollar: Soviel kosten laut einer Studie Übergewicht, Überdüngung, Klimagase und andere Folgen unserer Ernährung Deutschland pro Jahr.
Die Studie über Schäden an Umwelt und Bevölkerung könnte die Debatte über strengere Gesetze für die Land- und Ernährungswirtschaft befeuern. Die FAO nannte als Hebel, die Regierungen ansetzen könnten, zum Beispiel Steuern, Subventionen und Regulierung. In Deutschland etwa hat Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) vorgeschlagen, die Werbung für Lebensmittel mit viel Fett, Zucker und/oder Salz einzuschränken, was der Koalitionspartner FDP aber bislang verhindert. „Ich hoffe, dass dieser Bericht allen Partnern – von politischen Entscheidungsträgern und Akteuren des Privatsektors bis hin zu Forschern und Verbrauchern – als Aufruf zum Handeln dient“, sagte FAO-Generaldirektor Qu Dongyu. Die Schätzungen würden bestätigt durch frühere Studien mit ähnlichen Ergebnissen. Mithilfe des UN-Berichts ließen sich die Kosten erstmals auf Länderebene vergleichen.
Die AutorInnen schätzen, dass die mit Abstand größten versteckten Kosten – global mehr als 70 Prozent – durch ungesunde Ernährung mit einem hohen Anteil an stark verarbeiteten Lebensmitteln, Fett und Zucker verursacht werden. Denn so eine Ernährungsweise führe zu Fettleibigkeit und zu nicht übertragbaren Krankheiten wie Diabetes und damit zu Verlusten bei der Arbeitsproduktivität. „Diese Verluste sind in Ländern mit hohem und oberem mittlerem Einkommen besonders hoch“, so die Studie.
In Deutschland würden sie knapp 91 Prozent der gesamten Kosten betragen. Der Rest wurde laut den Angaben beinahe ausschließlich durch Umweltbelastungen verursacht, vor allem durch Stickstoffemissionen, aber auch durch Treibhausgase und indem artenreicheres Land umgebrochen wird, beispielsweise zu Äckern.
Die Kosten könnten den AutorInnen zufolge in Wirklichkeit sogar noch höher sein. Denn der Bericht konzentriert sich wegen teils fehlender Daten auf die „konservativeren“ Schätzungen.
Die Umweltorganisation WWF Deutschland forderte Konsequenzen aus dem Report. „Im ersten Schritt sollte die Bundesregierung umgehend die Mehrwertsteuer auf gesunde und nachhaltige Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte streichen“, sagte Tanja Plötz, WWF-Expertin für nachhaltige internationale Ernährungssysteme. Nötig sei auch eine Nachhaltigkeitssteuer für Nahrungsmittel. Außerdem solle Özdemir die vorgeschlagenen Werbeverbote für ungesundes Essen durchsetzen.
Der Lebensmittelverband, der alle Bereiche der deutschen Nahrungsmittelwirtschaft vertritt, wollte sich zunächst nicht zu der Studie äußern. Der Bauernverband teilte auf taz-Anfrage mit: „Die deutsche Landwirtschaft ist beim Klimaschutz auf dem richtigen Weg.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Berlin nimmt Haftbefehl zur Kenntnis und überlegt