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Neue Oper für HamburgDenkmal für einen modernen Feudalherrn

Jan Kahlcke

Kommentar von

Jan Kahlcke

Die Bürgerschaft sollte der Kühne-Oper die Zustimmung verweigern. Sie ist ein autoritäres Projekt und ob die Stadt sie braucht, ist äußerst fraglich.

Böse Zungen sagen, sie sehe aus wie ein Kreuzfahrtschiff: Siegerentwurf für die neue Oper im Hamburger Hafen Bild: Bjarke Ingels Group

E s ist kein Geheimnis, dass die Hamburger Bürgerschaft am Mittwoch für den Neubau eines Opernhauses stimmen wird. Dabei sollte sie genau das nicht tun. Hätte sie auch nur einen Funken kollektiver Selbstachtung, müsste sie den Plan zurück in die Ausschüsse verweisen.

Selbst wer begeistert ist von der Idee eines neuen Opernhauses mitten im Hafen, berauscht von der großzügigen Stiftung eines Mäzens und überzeugt vom Siegerentwurf der dänischen Architekten Bjarke Ingels Group, müsste nüchtern sagen: So ist das nicht zustimmungsfähig.

Und zwar allein schon, weil nicht geklärt ist, was aus dem denkmalgeschützten Opernbau am Dammtor werden soll. Der muss für fast 100 Millionen Euro saniert werden, damit er bis zur Eröffnung der neuen Oper durchhält.

Die Hälfte der nötigen Summe kommt übrigens aus dem „Sondervermögen Infrastruktur“. Nur, dass diese Kultur-Infrastruktur nach neun Jahren abgeschrieben sein muss.

Wer zahlt, bestimmt

Denn für eine Nachnutzung gibt es kein Konzept. Es soll irgendwie weiter kulturell sein, aber privat. Dass ein Mieter die Investitionen refinanziert, ist illusorisch. Es ist also absehbar, dass das Gebäude den Stadtsäckel belasten wird – oder unter Vergießen größerer Krokodilstränen doch abgerissen wird.

Viel grundsätzlicher ist die Frage nach dem Bedarf für einen Opern-Neubau, die nun auch eine Gruppe von Pro­fes­so­r:in­nen aus Architektur, Theater- und Geschichtswissenschaft aufgeworfen hat: Sollte Hamburg sich erneut für Jahrzehnte auf den Betrieb eines Opernhauses festlegen, da der Besuch in den vergangenen 50 Jahren um mehr als ein Viertel eingebrochen ist?

Wenn ja, wäre zu prüfen, ob die geplante „Guckkastenbühne“ den Erfordernissen eines modernen Musiktheaters entspricht, so die Fachleute. Sie fordern deswegen ein Moratorium und eine Enquetekommission.

Die Kühne-Oper steht damit auch nicht in der Tradition der Hamburger Bürgeroper – sie steht als autoritäres Projekt sogar im Gegensatz zu ihr

Bislang hat den Bedarf nämlich Klaus-Michael Kühne ganz allein festgestellt. Und der Multimilliardär wünscht sich nun mal Oper, wie sie immer schon war, nur besser, irgendwie glänzender. Und als erfahrener Mäzen weiß er: Wer zahlt, bestimmt.

Deshalb hat er die Taschen weit geöffnet, erst bei einer Milliarde würde seine Stiftung das Projekt überdenken, heißt es. Klingt fantastisch generös, auch wenn Dealmaker Kühne der Stadt einen Eigenanteil von einer Viertelmilliarde rausgeleiert hat.

Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Schenkung von einem Steuerflüchtling kommt, der seine Heimat- und angebliche Herzensstadt mit der Verlagerung seines Logistikkonzerns in die Schweiz vermutlich um ein Vielfaches an Abgaben geprellt hat.

Fatal fürs Image

Worauf sein Vermögen fußt, ist lange bekannt: Die Spedition Kühne+Nagel verdankt ihren Aufstieg zum Weltkonzern maßgeblich ihrer Beteiligung an der Ausplünderung der Juden Westeuropas während des Nationalsozialismus.

Kühnes beharrliche Weigerung, die Erforschung dieser Zeit zu ermöglichen, geschweige denn, Verantwortung für das Handeln seines Vaters zu übernehmen, müsste ihn als Stifter disqualifizieren. Schon aus Imagegründen sollte die Stadt von einer Immobilie Abstand nehmen, die weltweit für lange Zeit mit Kühnes Namen assoziiert werden wird.

Aber die Hamburger Politik hat Kühne den roten Teppich ausgerollt, damit er der Stadt ein paar Hundert Millionen zusteckt – für ein Prestigeprojekt, das vor allem seinen eigenen (Nach-)Ruhm mehrt. Er tut das im Stile eines autoritären Herrschers.

Überrumpeltes Parlament

Der entscheidet gönnerhaft, was für seine Untertanen am besten ist. Die Milliardäre sind die Feudalherren von heute, mit ihrem Geld können sie den Lauf der Welt bestimmen, ganz ohne sich mit den Mühen des Regierens abzugeben.

Die Kühne-Oper steht damit auch nicht in der Tradition der Hamburger Bürgeroper, 1678 von Menschen gegründet, die sich auch sonst um die Geschicke der Stadt sorgten – sie steht als autoritäres Projekt sogar im Gegensatz zu ihr.

Dazu passt, wie der Hamburger Senat es durchgepaukt hat: Lange hatte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) es als Geheimprojekt vorangetrieben, dann gab es einen Wettbewerb mit nur fünf handverlesenen Architekturbüros.

Gerade einmal zwei Wochen nach der Entscheidung soll nun die Bürgerschaft ihren Segen geben. Allein dieses Überrumpelungsverfahren zeigt eine Geringschätzung des Parlaments, die dies sich nicht gefallen lassen dürfte.

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Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
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18 Kommentare

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  • "Böse Zungen sagen, sie sehe aus wie ein Kreuzfahrtschiff." (Zitat)



    Ich behaupte, sie sieht aus wie ein Komplex, den man 100 Jahre sich selbst überlassen hat und den sich die Natur zurück erobert hat - ähnlich den Geisterstädten um Tschernobyl.

  • Ein über 85 Jahre alter Milliardär, der keine Kinder oder sonstige Erben hat. Der sich nie etwas relevantes zuschulden hat kommen lassen. Anhänger von Extremisten ist er auch nicht.



    Jetzt möchte er der Stadt eine Oper bauen (jedenfalls einen Grossteil der Kosten übernehmen). Wo Musik gespielt wird.



    Es erscheint schon ziemlich konstruiert, da zu versuchen stichhaltige Argumente dagegen zu finden.

  • Die Oper wird gar nicht wirklich benötigt.



    Und es ist fragwürdig, ob die Stadt nicht einem Milliardär ein Denkmal baut, das dieser gar nicht verdient hat, weil er in der Schweiz wohnt und seine Steuern dort entrichtet, sprich Hamburg bekommt im Normalmodus wenig von diesem Menschen.



    Ich befürchte außerdem dass Folge- und Nebenkosten durch die Decke gehen und das Ganze am Ende teuer und wahrscheinlich auch nutzlos wird.



    Am Ort der alten Oper hätte m.M. ein staatlicher Neubau Sinn ergeben. Natürlich kostet das viel Geld, aber Geschenke, die dann noch mehr kosten, ergeben noch viel weniger einen Sinn.



    Für mich deutet sich in Hamburg wieder eine Phase an, wo Großprojekte gut ankommen, wo die Politik bereit ist, Blankvollkmachten auszustellen.



    Im Öffentlichen Dienst muss gespart werden, das Geld ist knapp, parallel soll die Olympiade in Hamburg stattfinden - das ist ein krasser Widerspruch.



    Und am Ende muss der Bürger tief in die Tasche greiffen, die Elbphilharmonie hat zig kaputte Straßen, Spielplätze, defekte Schulen und Behördengebäude usw. gefordert.



    = Hohe Kosten werden reingeholt, am Ende zu Lasten der Bürger, so einfach ist das.

  • Irgendwie erinnert mich das an München.



    Investor Büschl ist nach Grünwald umgezogen, um die höhere Gewerbesteuer in München zu sparen, Dafür darf er jetzt zwei Hochhäuser hinklotzen, 155 m hoch, wo die Münchner sich mal in einem Bürgerentscheid für maxomal 100 m entschieden hatten.



    Die Wohnhäiser am Hirschgarten wurden auf 60 m gestutzt. um den Blick von Schloss Nymphenburg aus nicht so zu stören.

  • Wenn die Gewinne, die Herrn Kühnes Firma in Deutschland machte, hier versteuert würde, könnte die Stadt Hamburg 'ne Oper (aber braucht sie das? Nein.) aus der Portokasse bezahlen.



    taxjustice.net und das UN Vorhaben einer Mindestbesteuerung zeigt wie.

    • @So,so:

      Mit den entgangenen Steuereinnahmen könnte die Stadt Hamburg einiges auf dem sozialen Wohnungsmarkt und für die Schulen bewirken.

  • einzig die LINKE stemmt sich diesem unsäglichen, unwürdigen, undemokratischen projekt eines geschichtsverleugnenden steuerflüchtlings entgegen.



    10.000 aufrechte bürgerInnen protestierten mit ihren unterschriften dagegen.



    für die mehrzahl der hamburgerInnen dürfte die kühne-oper eher ein nischen-thema sein, bis sie sich darüber - zeitweilig - echauffieren kann, wieviele steuergelder die ganze chose verschlingt.

    während



    "Im vergangenen Winter ... mindestens 47 wohnungs- und obdachlose Menschen in Hamburg gestorben (sind) - 21 davon auf der Straße."



    www.ndr.de/nachric...obdachlose610.html

    das geld für dies projekt wäre besser in sozialen wohnungsbau gesteckt. es wird ähnlich wie die elbphilharmonie ein finanzielles faß ohne boden sein. das scheint heutzutage niemand mehr zu interessieren. auf diesen effekt vertraut wohl die heutige mehrheit in der bürgerschaft der fhh.

  • „ ob die Stadt sie braucht, ist äußerst fraglich. "



    Wir sollten das, was wir nicht brauchen



    In der Pfeife rauchen.

  • In Hamburg möchten unsere SPD-"Volksvertreter" nur noch teure Paläste bauen. Was daraus dann aber wird, das wissen wir Hamburger sehr gut.

    Die Baukosten für die Elbphilharmonie in Hamburg beliefen sich auf rund 866 Millionen Euro. Diese Summe überstieg die ursprünglich geplanten 77 Millionen Euro bei weitem.

    Die Gesamtkosten für den Elbtower wurden auf rund 950 Millionen Euro geschätzt. Der Elbtower - der 245 Meter hoch werden sollte, der aber nur 100 Meter hoch geworden ist, weil man sich auf "Geschäfte" mit René Benko eingelassen hat - steht jetzt seit zwei Jahren wie ein kriegsbombardiertes Hochhaus da, senkt sich immer mehr in den Boden und gefährdet die umliegende Gegend. Das bedeutet, dass es mit dem Einzug des geplanten Naturkundemuseum in den "Elbtower" auch nie etwas werden wird, weil das "Ding" demnächst wohl abgerissen werden muss.

    Und wenn Multimilliardär Kühne sich am Ende seines Lebens mit einem neuen Opernhaus in Hamburg noch ein Denkmal setzen möchte, dann soll er gefälligst auch 'sämtliche Kosten' dafür übernehmen, sonst müssen die Hamburger Bürger nämlich wieder das Portmonee aufmachen (siehe Elbphilharmonie) und einen Großteil der "Kühne-Oper" bezahlen.

    • @Ricky-13:

      = Hamburg verliert gerade den Verstand

  • Warum sollte man nicht mit Mäzenen zusammenarbeiten? In den USA gehörte es zum guten Ton, mit seinem Reichtum etwas sinnvolles anzufangen, siehe Carnegie-Hall uvm.



    In Potsdam baute Hasso Plattner einen riesigen Wissenschaftscampus und Museen von Weltrang. Und den Zuschauerschwund erkläre ich mir aus persönlicher Erfahrung so:



    Jedes Jahr fahren wir in ein Opernhaus in Deutschland. Es ist schwer geworden, eine halbwegs dem Titel entsprechende Vorstellung zu finden, dessen Bühnenbild nicht nur aus Sperrmüll besteht. Wir waren in München, Dresden, Leipzig, Karlsruhe und Frankfurt in den letzten Jahren, diese Vorstellungen waren immer ausverkauft trotz relativ hoher Preise. Vielleicht werden aufgrund mangelnder Förderung einige Intendanten mehr Wert auf das Publikum legen in Zukunft. Die Häuser hätten es verdient.

    • @Metulski:

      Sie haben das Problem Kühne (& Nagel) nicht verstanden.

  • Einfach mal Dankbar sein wenn jemand mal etwas macht!

    • @Franz Tom:

      Wenn Sie einen Arschtritt bekommen, drehen Sie sich bestimmt auch um & sagen fein gemacht - vielen Dank auch, oder wie soll man Ihre Intention zu dieser Frechheit in der es bei Herrn Kühnes unzoziales, nur auf Eigennutz beruhendes Verhalten in diesem Artikel geht, sonst verstehen.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Sie bekommen etwas geschenkt und denken sie bekommen einen Arschtritt? Oh je!

        • @Franz Tom:

          Sie haben es immer noch nicht verstanden.

      • @Alex_der_Wunderer:

        "Einfach mal Dankbar sein", wenn die Reichen sich als Wohltäter aufspielen und sich dann auch noch ein Denkmal setzen. 😂

        Das geschätzte Vermögen von Klaus-Michael Kühne liegt bei etwa 37 bis 38,5 Milliarden Euro (je nach Quelle). Bei einem Steuersatz von 1 % (ein häufiger Vorschlag, oft mit Freibeträgen gekoppelt), müsste Klaus-Michael Kühne rund 385 Millionen Euro pro Jahr zahlen. Bei einem Steuersatz von 2 % (vorgeschlagen für Vermögen ab 1 Milliarde Euro in manchen Modellen), wären es dann etwa 770 Millionen Euro Steuern pro Jahr für Herrn Kühne.

        Damit könnte man jährlich (!!!) sehr viele von den fehlenden Sozialwohnungen in Hamburg bauen, und natürlich auch irgendwann eine neue Oper.

        In Deutschland gibt es derzeit aber leider keine aktive Vermögensteuer; sie wird seit 1997 nicht mehr erhoben. Aber zum Glück werden in diesem demokratischen Sozialstaat ja bald die "schmarotzenden" Bürgergeldempfänger "zur Kasse gebeten". Das nennt man dann 'soziale Gerechtigkeit'.

        • @Ricky-13:

          Wieviele Euros die " Kühnes " unseres Landes es sich wohl kosten lassen, keine Vermögenssteuer zahlen zu müssen ? Da greift der Popanz der Parteien sicherlich feste mit seinen Griffeln in die Portokasse der Milliardäre 💰💰💰💰