Neue Musik aus Berlin: Was der Bauch fordert
Auf „Lunatic Asylum“ besingen Sudden Infant die allgemeine Kopflosigkeit. Eine Mischung aus Songinstallation, Protestsongs und Koller.
M änner und Frauen können nicht ohne, das Baby und die Ameise, der Schlachter und der Greifer haben ihn. Manchmal spricht oder raucht, trinkt oder isst er. Es soll vorkommen, dass er rollt. Vom Kopf ist die Rede, den das Noiserock-Trio Sudden Infant in einer mit Spielzimmersignalen und verschachtelten Rhythmen abgestützten Songinstallation auf seinem dritten Album „Lunatic Asylum“ besingt.
Ein Irrenhaus also, interpretierbar als Metapher oder als Fakt. Das hat in dem Bereich der Populärmusik für Eingeweihte, den Sudden Infant beackern, gute Tradition. Auf dem Vorgängeralbum „Buddhist Nihilism“ rechnen sie vor, wer in aller galoppierenden Unvernunft Rationalität einfordert: Gesellschaft, Regierung, Freund, Freundin, Chef und Chefin. Aber auch, und das ist der Kniff: der Bauch.
Die Texte von Sudden Infant sind nicht selten Listen des Unbehagens, ihre Musik wirkt, als hätten Free Jazzer sich eingeschlossen, um Protestsongs zu schreiben. Chapeau! Neben Englisch finden sich auf „Lunatic Asylum“ Schweizerdeutsch, Deutsch, Französisch und Arabisch.
Vor vielen Jahren und für lange Zeit waren Sudden Infant ein heftiges Solo-Projekt des schweizerischen Berliners Joke Lanz. Mittlerweile sind Sudden Infant: Lanz (Gesang, Elektronik) mit Christian Weber (Bass, Elektronik) und Alexandre Babel (Drums, Perkussion). Auf „Lunatic Asylum“ kommen als Gäste Frank Treichler von der Schweizer Industrial-Band Young Gods und der Improvisationsmusiker Hilary Jeffery an der Tuba hinzu. Aus dem Schrei ist Gesang geworden, ohne den Koller links liegen zu lassen.
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