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Neue Kohlemine in GroßbritannienKlimaschädliche Entscheidung

Das Land galt als Vorreiter des Kohleausstiegs. Jetzt genehmigt die Regierung eine neue Mine, die die Industrie und den Export fördern soll.

Charles III.: Trotz neuem Klimakönig weicht Großbritannien den Kohleausstieg auf Foto: dpa

Berlin taz | Es war die Kohle, die Alok Sharma die Tränen in die Augen trieb. Ein Jahr ist das her. Damals leitete der britische Konservative die Weltklimakonferenz in Glasgow. In letzter Sekunde machten ihm Indien und China einen Strich durch die Rechnung. Die Delegationen drohten, der über zwei Wochen mühsam erarbeiteten Abschlusserklärung nicht zuzustimmen, wenn darin ein Kohleausstieg angemahnt werde. Und so machte Sharma schweren Herzens eine bloße Kohlereduktion aus dem Ausstieg. Sharma bat vor dem Plenum mit gesenktem Kopf um Entschuldigung, pausierte, musste seine Tränen hinunterschlucken. Kurz darauf wurde der abgeschwächte Glasgower Pakt beschlossen.

Diese Woche waren es nun die britischen Konservativen selbst, die den Kohleausstieg lockern. Erstmals seit Jahrzehnten genehmigte die Regierung eine neue Steinkohlemine. Dabei gilt Großbritannien als Vorreiter beim Kohleausstieg. Das Land, von dem aus die klimaschädliche Industrialisierung ihren Lauf nahm, will sein letztes Kohlekraftwerk 2024 abschalten. In Deutschland dauert das laut Kohleausstiegsgesetz 14 Jahre länger.

Warum dann die neue Kohlemine? Die Kohle aus der Anlage in der nordwestenglischen Grafschaft Cumbria soll nicht in Kraftwerke gehen, sondern an die Industrie, vor allem in den Export. Das heißt: Stahlwerke sollen sie als Rohstoff für Koks und später Stahl verwenden. Hunderte Arbeitsplätze verspricht sich die Regierung davon. Die Re­gie­rungs­be­ra­te­r:in­nen vom Committee on Climate Change kritisierten die Genehmigung scharf. Sie werde die globalen CO2-Emissionen steigern, warnte dessen Vorsitzender John Selwyn Gummer, selbst Mitglied der konservativen Partei. Auch international hagelt es Kritik. „Ist das die Zukunft, für die wir im Glasgower Pakt gekämpft haben?“, fragte etwa Frank Bainimarama, der Premierminister der Fidschi-Inseln, auf Twitter.

Und Alok Sharma? Um Entschuldigung gebeten hat er nicht. Im Vorfeld hatte der Unterhaus-Abgeordnete sich aber öffentlich gegen die Genehmigung positioniert. Die neue Kohlemine zu eröffnen werfe Großbritannien nicht nur im Klimaschutz zurück, sondern beschädige auch den „hart erarbeiteten internationalen Ruf Großbritanniens“.

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14 Kommentare

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  • Das ist ein Domineffekt. Es ist doch klar, dass nicht nur Deutschland neue fossile Energien erschließt und alte reaktiviert bis hin zur Niedereißung von Dörfern (Lützerath). Was das eine Land tut, tut auch das andere. Sie feuern sich in ihrem Egoismus und ihrer Schlechtigkeit an. Den Preis zahlen alle, aber eben mit Verzögerung und zudem ungleich verteilt (die Armen mehr). UK ist nur ein weiteres Beispiel für diesen schlimmen Trend.

  • Naja, in Deutschland ist war der Steinkohlenbergbau erst 2018 beendet. Braunkohle wird bei uns noch einige Zeit angebaut werden.



    Da die in Cumbria die Steinkohle wohl unter der Irischen See abgebaut werden soll dürften Bergschäden keine langfristiges Risiko sein.



    Wenn die Kohle nicht zur Energieerzeugung, sondern rohstofflicht zum Stahlkochen verwendet wird ist dies ethisch weniger verwerflich als der Steinkohleimport aus Australien.

  • Das wäre in Deutschland nicht möglich.



    God shave the King!

  • 4G
    43354 (Profil gelöscht)

    Es ist noch viel schlimmer. Wenn Kohle verboten wird, dann wird das Kraftwerk auf Holz umgestellt. Laut EU ist die Verfeuerung von Holz ja nachhaltig. Ich kann nur jedem empfehlen, sich für die weltweiten Auswirkungen der Herstellung von Holzpellets usw. in den dafür notwendigen 10 Minuten zu widmen. Es wird Ihnen schlecht! Und wenn nicht, dann holen sie jetzt mal wieder frisches Kaminholz rein?

    • @43354 (Profil gelöscht):

      ".. weltweiten Auswirkungen der Herstellung von Holzpellets.."



      In Weltweiter Betrachtung stimmt das, leider sogar in Europaweiter Betrachtung. Speziell Bulgarien/Rumänien herrscht eine üble Abholzmafia.



      Ich heize mit Pellets und achte darauf, dass sie zertifiziert sind und nur von einem bestimmten Werk 60km von hier kommen, welche nur Holz aus dem Schwarzwald, schwäbische Alb und Sägmehlresten verarbeitet. Kostet zwar 2-3 Cent/kg mehr, ist es mir aber wert.



      Interessanter Weise kaufen gerade öffentliche Einrichtungen (Schulen, Behörden) und die Industrie diese Dreckspellets aus dem Ausland, weil sie halt etwas billiger sind.



      Und ich nutze einen elektrostatischen Feinstaubfilter, womit 7 mal weniger Feinstaub in die Luft geht als bei einer Gasheizung.



      Heizen mit Pellets kann eine saubere Sache sein, wenn "Geiz ist geil" nicht die erste Maxime ist.

      • @Rudi Hamm:

        Feinstaub Gasheizung: 6 mg/kwh,



        Pellets 71 mg/kWh. Mit Filter werden 95 % eingesamnelt. Also mit 5 % knapp besser für ca. 2000 Euro für den Filter.

      • 4G
        43354 (Profil gelöscht)
        @Rudi Hamm:

        Sie sollten vielleicht berücksichtigen, dass die zertifizierten Pellets, die Sie verbrennen, woanders fehlen, und dass dafür dann z.B. Wälder in den USA abgeholzt werden. Dass Sie einen Filter benutzen ist toll, aber nicht Standard. Hinzukommt, dass auch die reduzierte Feinstaubmenge Schaden anrichtet. Holz verzeihen ist auch hinsichtlich der CO2-Bilanz nicht positiv zu bewerten!

        • @43354 (Profil gelöscht):

          Mit irgendwas müssen wir doch in Zukunft unsere Gebäude heizen. Wir sollen nicht mit Holz heizen, nicht mit Öl, nicht mit Gas, Fernwärme ist schwierig, wenn dafür fossile Rohstoffe verbrannt werden.



          Ich weiß, was jetzt kommt: Wärmepumpe... . Wir können Stand heute nicht mal unseren jetzigen kompletten Strombedarf über erneuerbare Energien decken und wollen gleichzeitig im Winter mit Strom heizen... - und gleichzeitig Atom- und Kohlekraftwerke abschalten... .

        • @43354 (Profil gelöscht):

          Mit was heizen Sie eigentlich, dass sie mich so kritisieren können?



          Wir haben weder Fernwärme noch Gas im Ort. Wärmepumpen sind bei älterem Bestandsbau weitem nicht so Umweltfreundlich wie behauptet wird.



          Also habe ich mich für Solarthermie mit Heizungsunterstützung und Pellets entschieden und von Öl verabschiedet.

          Und ihr Beispiel mit den USA tut ja weh. Soll ich keine Pellets heizen, damit wir unsere in die USA verschiffen können?

          Also, zeigen sie wie sie Umweltfreundlicher heizen, interessiert mich echt.

    • @43354 (Profil gelöscht):

      Schauen wir mal kurz bei Agorameter rein: Die letzten paar Tage lieferte Biomasse ungefähr 50 % des erneuerbaren Stroms, auf's Jahr gerechnet sind es ca. 8 % des gesamten Stroms. Da können wir doch locker drauf verzichten...

    • @43354 (Profil gelöscht):

      Was hat Kaminholz mit Pellets zu tun?

      • 4G
        43354 (Profil gelöscht)
        @Mitch Miller:

        Es geht um die Einstellung, das Interesse, die nicht vorhandene Nachhaltigkeit, die negative Gesundheitsbilanz und die Verwertung von Holz im Allgemeinen (individuell, also ungefiltert, nicht besser als Kohle).

  • Ich werde das Gefühl nicht los, dass kaum eine Regierung die CO2-Ziele ernst nimmt und wird das Ziel nie erreichen werden. egal wie lange sich welche irgendwo festkleben.

    • 4G
      43354 (Profil gelöscht)
      @Rudi Hamm:

      Ich behaupte mal: Der Kipppunkt der Menschheit lag im Beginn des Krieges, ideologisch und moralisch. Die Begründung hierzu ist ziemlich umfangreich und vielleicht nur zu erahnen, wenn Machtpolitik und Kurzsichtigkeit in der Abfolge betrachtet werden.