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Neue Härte an den GrenzenDobrindt lobt Zurückweisung Geflüchteter

Bundesinnenminister Dobrindt freut sich über fast 800 zurückgeschickte Personen, darunter knapp 30 Asylsuchende. Doch Polen scheint sich querzustellen.

Die Bundespolizei hat die Kontrollen an den Grenzen verschärft Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Zurückweisung Asylsuchender verteidigt. Gemeinsam mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) besuchte er am Donnerstag die deutsch-österreichische Grenze in Kiefersfelden. In der letzten Woche seien 739 Personen zurückgewiesen worden, 32 davon, obwohl sie einen Asylantrag stellen wollten, so Dobrindt.

Im strömenden Regen bedankte sich der Innenminister bei den Polizeikräften vor Ort an dem Grenzübergang. Man wolle mit verschärften Kontrollen und 3.000 zusätzlichen Beamten illegale Migration unterbinden und Schleusern Einhalt gebieten. Man sende ein „Signal, dass sich die Migrationspolitik in Deutschland geändert hat.“ Erneut betonte Dobrindt, dass aber Angehörige vulnerabler Gruppen, wie Schwangere oder Kinder, weiterhin nach Deutschland durchgelassen werden.

Die Zurückweisung Schutzsuchender war eine der zentralen Forderungen der Union im Wahlkampf. Sie ist aber rechtlich und politisch hochumstritten und könnte an den Nachbarländern scheitern, die die Geflüchteten schließlich wieder entgegennehmen müssen. Der Spiegel berichtete am Mittwoch über einen Vorfall, der darauf hindeutet, dass Polen die Zurückweisungen blockiert: Am frühen Montagmorgen sollen zwei junge afghanische Männer unweit der Grenze zu Polen aufgegriffen worden sein. Sie teilten mit, Asyl beantragen zu wollen. Als die deutschen Po­li­zis­t*in­nen sie nach Polen zurückschieben wollten, weigerte sich allerdings der polnische Grenzschutz, die beiden Männer zurückzunehmen.

Laut Spiegel leiteten die deutschen Beamten die beiden in eine deutsche Erstaufnahmeeinrichtung weiter. Die Begründung der Polen: Ihr Land sei nicht zuständig. Deutschland sei laut Dublin-Abkommen dazu verpflichtet zu klären, welches EU-Land für den Asylantrag zuständig ist, da die beiden Männer in Deutschland Asyl beantragen wollten.

Keine echte Abstimmung mit Nachbarländern

Genau das sieht Dobrindt aber offensichtlich anders, auch wenn er es bislang nicht so klar ausgesprochen hat. Dafür äußerte sich Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GDP), am Mittwoch eindeutig zu den Zurückweisungen: „Wir sind von europäischem Recht damit, in diesem Punkt, in nationales Recht umgestiegen.“

Der Bericht des Spiegels deutet außerdem darauf hin, dass es weiterhin keine ausreichenden Absprachen mit Warschau gibt, obwohl „nationale Alleingänge“ an den Grenzen sowohl von Kanzler Merz als auch von Vizekanzler Klingbeil wiederholt ausgeschlossen wurden. Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm, sprach am Donnerstag von einem Einzelfall. Sollte er Unrecht haben, dürften die Zurückweisungen sich bald insgesamt als undurchführbar erweisen.

Grüne und Linke halten die Zurückweisungen an den Grenzen ohnehin für rechtswidrig. Clara Bünger, Expertin für Flucht- und Rechtspolitik der Linken im Bundestag sagte: „Mit Rechtsstaatlichkeit hat das nicht mehr viel zu tun.“

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24 Kommentare

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  • An der deutsch-holländischen Grenze werden mehr Drogenhändler aufgegriffen als Flüchtlinge. Man muss wissen, woraus die Zurückgewiesenen bestehen . Ob die meisten eher „Beifang" sind. Die Zahl der Leute, die Asyl wollten war offensichtlich sehr klein.

  • Dobrindt feiert sich also dafür, dass er in 32 Fällen gegen das Grundgesetz verstoßen hat. Da stelle ich doch mal die Frage, ob seine Immunität inzwischen aufgehoben und ein Verfahren gegen ihn eröffnet wurde, bzw. falls nicht, warum nicht?

    • @Truhe:

      "Dobrindt feiert sich also dafür, dass er in 32 Fällen gegen das Grundgesetz verstoßen hat."



      So unangenehm ich den Mann auch finde, aber wo hat er gegen das Grundgesetz verstoßen?



      Den 'Asylkompromiß' der 90er Jahre und das Dublin-Abkommen haben Sie mitbekommen?

  • Wenn Merz, Dobrindt und Söder mit ihrer " Politik " gegen geltendes Recht verstoßen, wäre es gut sie könnten dafür persönlich Haftbar gemacht werden.



    Aber bei Immunität lässt sich ja viel Scheiße bauen...

  • Dobrindt hat ja eine gewisse Erfahrung mit illegalem Vorgehen / "illegalen" Gesetzen. Schon bei der Ausländermaut störte ihn das wenig. Bis der EUGH ihn stoppte.



    Aber nachdem die CSU beschlossen hatte, den gescheiterten Verkehrsminister zum Innenminister zu machen ....

  • Ich frage mich (und mein Gewissen) immerzu: bist du bereit, diese menschenverachtende Asylpolitik in etwas milderem Licht zu beurteilen, wenn damit der AfD das Wasser abgegraben werden kann?



    Und komme zu dem Ergebnis: nein, die Frage von Humanität und Rechtsstaatlichkeit kann ich nicht von steigenden oder sinkenden Umfragewerten abhängig machen

  • "Grüne und Linke halten die Zurückweisungen an den Grenzen ohnehin für rechtswidrig"



    Da muss ich einmal laut lachen 😂 - zumindest was die Grünen betrifft.



    Die haben, als sie noch staatspolitische Verantwortung trugen, Außenlagern und Tunesiendeal zugestimmt.



    Das sind, mal nüchtern betrachtet, mit die effektivsten Werkzeuge, wenn es darum geht, dass es erst gar kein Mensch mehr überhaupt bis an den deutschen Schlagbaum schafft - erst recht nicht Schwangere oder Kinder, die die Union ins Land lassen will.



    Insofern ist die Union mit Abweisung an der deutschen Grenze dreimal humaner unterwegs als die Grünen unter Regierungsverantwortung, weil die jegliche Migration noch weit weit vor den europäischen Grenzen unterbunden und so wissentlich und willentlich Menschen dem Tod ausgeliefert haben.



    Wer das nicht glaubt, weil es nicht in sein heiles Weltbild passt (Grüne gut, Union böse), der schaue sich diese ARD Reportage an, da liegen die 'progressive Politik' in menschlicher Gestalt tot im Sand



    www.ardmediathek.d...YWNfc2luZ2xlc2hvdw

    • @Farang:

      Diese Deals bestehen auch jetzt noch weiter, oder ?

  • "Mit Rechtsstaatlichkeit hat das nicht mehr viel zu tun.“

    Die allermeisten Asylbewerber erhalten derzeit einen Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention, die ebenso wie der subsidiäre Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge als Europarecht gilt. Hieraus folgt für die Einreise von Asylbewerbern, dass eine europarechtskonforme Zurückweisung oder Überstellung an andere Mitgliedstaaten nach den Regelungen der Dublin III Verordnung erfolgt.

    In Ausübung der Staatssouveränität durch kurzzeitige Grenzschliessungen oder Zurückweisungen an der Grenze politischen Druck auf die EU-Partner auszuüben ist eigentlich angesichts der teils offenen Missachtung des europäischen Asylrechts in vielen Ländern gut nachvollziehbar.

    Bedeutet jedoch keineswegs einen Rechtsbruch. Durch Anwendung der nationalen Gesetzgebung verlässt Deutschland lediglich den EU Rechtsrahmen und kann sich dabei auf die völkerrechtliche Reziprozität (das Prinzip der Gegenseitigkeit) berufen.

    Wird dieses nicht gewahrt, ist es das völkerrechtlich und verfassungsrechtlich garantierte Recht des Souveräns, die Dublin Verordnung vorübergehend als unanwendbar zu erklären. Nichts anderes praktiziert die Regierung derzeit.

    • @Sam Spade:

      Grenzschließungen dürfen nur nach den europäischen Regeln nicht unbegrenzt einseitig mit immer derselben Begründung durchgeführt werden und eine Notlage haben wir definitiv nicht. So ganz konform mit geltendem Recht ist es also nicht. Über die Grenzen nach Deutschland hineinzukommen, war aber schon immer relativ leicht, auch damals, als die Grenzen noch durchgängig kontrolliert wurden. Die deutschen Grenzen wird man nicht lückenlos kontrollieren können und an manchen Grenzübergängen habe ich noch nie jemanden kontrollieren sehen.

      • @Aurego:

        Nach aktueller Rechtslage dürfen Asylsuchende nicht an der Grenze zurückgewiesen werden. Das ergibt sich aus dem nationalen, europäischen und internationalen Flüchtlingsrecht.



        Eine Notlage wurde nicht ausgerufen und hätte wohl auch keinen Bestand.



        Defakto agiert die Bundesregierung damit gegen geltendes Recht.

        • @Alex_der_Wunderer:

          Genau!

  • Also in kürzester Zeit 800 Menschen, deren Freiheit, über das eigene Leben zu bestimmen, eingeschränkt wird. Eine Freiheit, die man als weiße europäische Person sonst in großen Teilen der Welt ganz selbstverständlich genießt, z.B. mal in einem anderen Land zu arbeiten.

    • @argie:

      Einfach mal in einem anderen Land arbeiten? Ohne im Besitz eines entsprechenden Visums zu sein? Diese Freiheit gibt es nicht, auch für weiße Europäer nicht.

      Ein Arbeitsvisum kann man auch für Deutschland beantragen, dann wird man an der Grenze nicht zurückgewiesen.

      • @Moby Dick:

        Es soll ja Leute geben, die tatsächlich glauben, dass alles so einfach sei ...



        Schon öfters mit Betroffenen gesprochen?

  • Wenn Jemand von Polen kommend vor den deutschen Grenzposten steht und die Einreise abgelehnt wird, dann hat der Betroffene Deutschland nie betreten und Polen nie verlassen. Wie soll Polen die "Einreise" ablehnen, wenn derjenige Polen nie verlassen hat? Wenn ich das richtig verstanden habe geht es der Union um diese Faelle.

    Im Beispiel befanden sich die beiden schon auf deutschem Staatsgebiet in der Naehe zu Polen. Das heisst sie sind schon eingereist. Die Wiedereinreise kann Polen genauso ablehnen wie Deutschland die Einreise.

    • @elektrozwerg:

      Es soll ja Leute geben, die glauben, dass genau auf der Grenze kontrolliert und zurückgewiesen wird. Das ist jedoch schon lange nicht mehr der Fall.

  • Abscheulich diese beiden. Die eigene Inhumanität und die eigenen Rechtsbrüche auch noch zu feiern: Widerwärtig, einfach nur widerwärtig.

    • @Flix:

      Schließe mich an. :( Diese "Politik" wird leider von etwa der Hälfte der Wähler*innen zumindest nicht abgelehnt, von vielen auch noch gefeiert. All denen wünsche ich Flucht und Migration, Zurückweisung usw. (Kann ja so schlimm nicht sein, wenn man sich trotzdem immer noch als humanistisch-christlich geprägte Gesellschaft sieht.)



      Und wer das jetzt als Verstoß gegen die Nettiquette empfindet, bestätigt das sehr schön...

  • Riesenerfolg für Ausländermaut-Dobrindt: 32 Asylsuchende in einer Woche abgewiesen. Wenn das so weitergeht, wären das pro Jahr ca. 1.500 Personen. Dass man dafür 3.000 zusätzlich Beamte einsetzen muss und das Ganze illegal ist, kratzt den CSU-Politiker natürlich nicht.

    • @Rudi Lipp:

      Es geht bei der Sache doch nicht um Effekte. Es geht um gefühlte Effekte. Das ist postfaktische Politik at its best. Dürfte bei den Anhängern der AfD-Sekte einigen Beifall erzeugen.

    • @Rudi Lipp:

      Die Verschwendung von Steuergeldern, und nichts anderes sehe ich hier, um die eigene Wählerschaft zu beeindrucken, ist eine Spezialität der CSU. Das haben Dobrindt und Scheuer bei der Maut gemacht, hier wiederholt es sich auf andere Weise.

      • @Flix:

        Steuergelder verschwenden um ihre Wähler glücklich zu machen ist ein Argument was man jeder Partei anheften kann und muss.

  • Er freute sich darüber. Okay, mehr muss ich über den Charakter von Dobrindt nicht wissen. Ganz im Geiste Horst Seehofers, was? Wahrscheinlich hebt er mit Söder zusammen ein Bier darauf.