Neil Youngs Rückzug von Spotify: Keine moralischen Grenzen

Ein Rockstar ruft Mu­si­ke­r:in­nen auf, wegen Verschwörungs-Podcasts ihre Spotify-Accounts zu löschen. Es ist ein symbolischer Akt gegen Hate Speech.

Neil Young während eines KOnzerts

Sänger Neil Young setzt ein Zeichen gegen Hate Speech Foto: Dave Safley/ZUMA Wire/imago

Der kanadische Rockstar Neil Young hat seinen Spotify-Account gelöscht, aus Wut über den Podcast „The Joe Rogan Experience“, der ebenfalls bei Spotify gestreamt wird. Gut so! Es mag ein symbolischer Akt sein, aber die Entscheidung des 76-Jährigen ist richtig, denn der US-Comedian und Mixed-Martial-Arts-Moderator Joe Rogan verbreitet dort seit geraumer Zeit Falschinformationen und Verschwörungsmythen über das Covid-Virus und die Coronapandemie und niemand hindert ihn daran.

Rogan lädt sogar Figuren der Alt-Right-Szene zum Interview ein, und zwar solche, deren eigene Kanäle bei Facebook und Youtube wegen Hate Speech gesperrt sind. Rogan hat Einfluss, sein Pod­cast wird durchschnittlich von mehr als 11 Millionen Hö­re­r:in­nen im Monat gehört. In den Spotify-Charts rangiert er damit ganz an der Spitze.

Er galt mal als libertärer, kontroverser Linker und kritischer Geist. Seit der Coronapandemie hat er allerdings eine Steilkurve nach rechts außen hingelegt, und vermischt Kampfkunstgewese mit Gesäusel von toxischer Männlichkeit und Quacksalber-Weisheiten vom Planeten Igitt. Neil Young hat davon die Schnauze voll. Auf seiner Website hat er Kol­le­g:In­nen dazu aufgerufen, es ihm gleichzutun. Er hoffe, dass weitere Prominente und Labels Spotify-Konten löschen, denn die Weiterverbreitung von Falschmeldungen könne bei Covid-19 zu tödlichen Folgen führen.

Der eigentliche Skandal: In den „User Guide­lines“ von Spotify gibt es bisher keine Erläuterungen zum Vorgehen gegen User:Innen, die Falschinformationen verbreiten. Spotify hat zwar verkündet, 20.000 Konten gelöscht zu haben, in denen Hate Speech zum Ausdruck kam. Man habe damit Personen vom Streamen ausgeschlossen, die Verschwörungstheorien zum Thema Covid-19 senden, hieß es offiziell.

Im Fall von Joe Rogan scheint das schwedische Unternehmen aber bislang keinen Zugzwang zu sehen. Um sich die Streamingrechte an Rogans Podcast exklusiv zu sichern, bezahlte Spotify 2020 circa 100 Millionen US-Dollar. Ob das Geld gut investiert ist?

Nun ist die Verbreitung von Verschwörungstheorien und Falschmeldungen aller Art kein reines US-Problem, sondern grassiert weltweit. Umso wichtiger ist Neil Youngs Aktion, denn in den USA hört man wenig über die Arbeit von Aufsichtsbehörden wie FCC und Icann. Traditionell berufen sich Rechte auf „Free Speech“, wenn sie Hass verbreiten. Gehören Verschwörungstheorien zur freien Meinungsäußerung? Bis das geklärt wird, ist schon mal gut, dass sich die alte Eiche Neil Young dem unethischen Treiben von Spotify in den Weg gestellt hat.

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Julian Weber, geboren 1967 in Schweinfurt/Bayern, hat Amerikanische Kulturgeschichte, Amerikanische Literaturwissenschaft und Soziologie in München studiert und arbeitet nach Stationen in Zürich und Hamburg seit 2009 als Musikredakteur im Kulturressort der taz

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