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Naturschützer über Insektensterben„Agrarpolitik muss reformiert werden“

Eine neue Studie belegt, dass die Zahl der Insekten massiv sinkt. Bauern müssten dringend anders arbeiten, fordert Naturschützer Schade.

Schöne Insekten: Pfauenauge sammelt Blütenstaub Foto: dpa
Jost Maurin
Interview von Jost Maurin

taz: Herr Schade, es gibt neue Belege für das Insektensterben. Was muss jetzt passieren?

Till-David Schade: Die wichtigste politische Konsequenz wäre, die EU-Agrarsubventionen grundlegend zu reformieren. Subventionen sollten nur noch an Landwirte fließen, wenn diese auch naturverträgliche Maßnahmen umsetzen. Es geht zum Beispiel um das Brachliegenlassen bestimmter Flächen, die Anlage von Blühstreifen und Feldgehölzen und natürlich auch um die Minimierung des Pestizideinsatzes.

Aber in der neuen Studie steht klar, dass man nicht weiß, warum die Biomasse der Insekten abgenommen hat. Warum fordern Sie dann Änderungen in der Landwirtschaft?

Dafür konnte man aber statistisch nachweisen, dass Veränderungen des Klimas und von Biotopmerkmalen keinen Einfluss auf den Rückgang haben. Dann gibt es nicht mehr so viele Möglichkeiten, außer dass die Landwirtschaft maßgeblich dafür verantwortlich ist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass über 90 Prozent der untersuchten Standorte umgeben sind von intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. Da ist anzunehmen, dass die Landwirtschaft auf diese Schutzgebiete wirkt. Beispielsweise dadurch, dass Pestizide abdriften oder Nährstoffe durch massiven Einsatz von Dünger eingetragen werden. Außerdem fliegen Insekten von den Schutzgebieten auf die landwirtschaftlichen Flächen und werden dort geschädigt.

Der Bauernverband sagt immer wieder: Es ist nicht erwiesen, dass wir der größte Artenkiller sind. Wie sehen Sie das?

Die Landwirtschaft ist nicht der alleinige Treiber des Artenverlustes in Deutschland, sondern es gibt eine breite Palette von Faktoren. Infrastrukturmaßnahmen, Zersiedlung, Klimawandel, invasive Arten, Landschaftsfragmentierung und so weiter spielen auf jeden Fall auch eine Rolle. Aber allein wegen der Tatsache, dass über 50 Prozent der Fläche in Deutschland landwirtschaftlich genutzt wird, ist es nicht ganz abwegig, dass man die Landwirtschaft als maßgeblichen Treiber des Artenverlustes ausfindig macht. Vor allem weil man inzwischen auch weiß, welche landwirtschaftlichen Praktiken Schaden anrichten, etwa in der Vogelwelt. Die roten Listen beispielsweise geben Aufschluss darüber, dass insbesondere Arten, die im Agrarraum vorkommen, maßgeblich gefährdet sind. Deshalb muss sich die Landwirtschaftslobby eingestehen, dass da erheblicher Verbesserungsbedarf besteht.

Bild: NABU/Philip Scholl
Im Interview: Till-David Schade

Der 32-Jährige ist Referent für Biologische Vielfalt beim Naturschutzbund (Nabu), dem größten Umwelt­verband Deutschlands.

Warum sind Insekten überhaupt so wichtig?

Insekten sind unerlässlich, damit Ökosysteme funktionieren: So sind über 80 Prozent der Wildpflanzen und über 70 Prozent unserer Kulturpflanzen von der Insektenbestäubung abhängig, damit wird auch deren Wichtigkeit für die Ernährungssicherung der Menschen ersichtlich. Daneben bilden Insekten eine wichtige Nahrungsgrundlage vieler Vogelarten, Säugetiere und Reptilien. Und nicht zuletzt: Allein ihre Schönheit und ihre faszinierende Lebensweise sollten uns Menschen Anlass genug sein, die Welt der Insekten zu schützen und zu fördern.

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16 Kommentare

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  • Den Artikel kann Cem Özdemir ja mal kopieren und Merkel und der FDP hinlegen. Die werden das nämlich ganz anders betrachten: Damit man große verarmte Schichten in Städten am Leben erhalten kann, braucht man eine durchgebrannte Agrarindustrie, die direkt zu einer noch verrückteren Agrarwirtschaft auf dem Land führt. Natürlich würde es ganz anders aussehen, wenn die Betriebe deutlich ökologischer arbeiten und kleiner sein würden. Nur das Gegenteil ist der Fall: Der Betriebe werden größer, die Monokulturen massiver und alles läuft noch maschineller und intensiver ab. Genau diese Landwirtschaft brauchen SPD, CDU, CSU und die FDP, damit sie sich die Armut der Stadtbevölkerungen leisten können. Ein Liter Bio-Milch €1.09 ist für eine arme Familie viel zu teuer - von einem Kg Biofleisch wollen wir gar nicht anfangen. Die Regierungen wollten bisher alle genauso weitermachen, wie es bisher war und das bedeutet, dass wir jedes Jahr uns dem Ende unser bislang bekannten Landwirtschaft und Ernäherung annähern. Was danach kommt, wird wahrscheinlich noch schlimmer und krasser, als das, was es jetzt schon gibt. Dabei könnte und müsste die Politik doch längst handeln.

    • @Andreas_2020:

      Warum ist unsere Landwirtschaft schuld an der Verarmung der Gesellschaft? Im durchschnitt werden in Deutschland um die 10 % für Lebensmittel ausgegeben. Was ist mit den durch das EEG stark erhöhten Strompreis. Was ist mit den auswuchernden Mieten

  • Unsere Landwirte bekommen keine Subventionen sondern Ausgleichzahlungen, dafür das sie im Jahr 2017 für Erzeugerpreise wie vor 30 Jahren produzieren. Bei der Einführung des Milchkontigend 1984 bekam der Landwirt 80 Pfennig je Liter Milch, heute bekommt er um die 35 Cent / Liter. Wenn jetzt ein Landwirt die doppelte Kuhzahl hat, die er hat um das selbe Geld wie vor über 30 Jahren zu erzielen, ist er ein Massentierhalter

  • Es gilt ganz klar: Ökologie ist maximal langfristige Ökonomie.

    Wenn wir mit Chemie und Technik das allerletzte aus den Böden quetschen, kann das nicht auf Dauer gut gehen. Wir erleben mit dem Insekten- und Vogelrückgenozid (!) die ersten deutlichen Anzeichen.

    Dass sich jetzt wieder alle Angesprochenen empört zurücklehnen und blöffen "wir sind's nicht, beweist uns das erstmal!" ist feige, rücksichtslos, egoistisch und selbstschädigend.

     

    Was jetzt passieren wird dank Agrarlobby: es werden ein paar halbherzige Gutachten gemacht, die z.T. lobbyfinanziert sind, dann wird man sich jahrelang streiten und derweil sterben die nächsten 10-20% der verbliebenen Insekten hier auch noch aus.

     

    Von CDU-CSU kann man rein gar nichts erwarten ausser Wirtschaftsinteressen, da ist die o.g. Erkenntnis noch lange nicht angekommen, das geht nur über's Geld, wenn die Landwirte mit Obstwirtschaft so langsam eingehen und Ausgleichszahlungen fällig werden. Diese Parteien denken nicht voraus, sondern reagieren nur auf Druck.

  • Zitat nach Edward o. Wilson:

     

    "Ohne Insekten stirbt der Mensch in 10 Jahren" und wer widerspricht der These

    " Einer Erde ohne Menschen geht es in 10 Jahren besser"

    • @Uli_Imker:

      Ja klar!

      Dass wir Menschen uns aus dem Blickwinkel des Planeten wie Krebs (also bösartige Tumore) verhalten ist korrekt.

      Blöd nur, dass jeder von uns Teil dieses Krebses ist, fast egal wie er sich verhält. Was also tun?

  • Richtige Fragen, nachvollziehbare Antworten.

    Dennoch sehe ich Lücken:

    Sind die Monokulturen als solche verantwortlich.

    Sind die Pestizide verantwortlich. Wenn ja (davon kann man ausgehen) , welche? Ggf. sogar die angeblich Nützlinge schonenden?

    Sind die Größe der einzelnen Schläge verantwortlich, brauche wir also kleinparzelligere Landwirtschaft.

    Ist die Trennung Pflanzenproduktion / Tierproduktion verantwortlich.

    Sind es wirklich vorwiegend fehlende Stilllegungsflächen.

    usw. usf.

    Also alles auf einmal ändern können wir nicht und ist wohl auch nicht sehr "effizient", wenn ich mal so sagen darf.

    Klar aber auch: Wir können nicht auf die Verbände warten und nicht auf die Industrie.

    Daher müssen aber auch die Argumente eindeutig sein und inhaltlich unstreitig.

  • Parallelen?

     

    Laut einer Studie hat sich die Spermienzahl pro Milliliter Samenflüssigkeit von Maennern in Europa innerhalb der letzten 40 Jahren um mehr als 50 Prozent reduziert. Bei der Gesamtzahl der Spermien pro Samenerguss betrage der Rückgang sogar knapp 60 Prozent.

     

    Man muss kein Wissenschaflter sein um die Zusammenhaenge zu erkennen. Natur und Mensch sind untrennbar miteinander verbunden.

  • Angenommen, es kann zweifelfrei geklärt werden, daß es neben Landwirtschaft und Verkehr dann doch die flächendeckende elektromagnetische Strahlung der Smartphones ist -- wir würden einfach weiterwischen, surfen & labern. Wetten?

  • Für jeden Bockmist gibt es in unseren Medien einen Brennpunkt. Wenn es aber wirklich brennt, dann wird es zwar in den Nachrichten leicht verschreckt vorgebracht. Aber um Himmels Willen nicht unsere Landwirtschaft und deren Lobby samt Landwirtschaftsminister vergrätzen. Was für eine unerträgliche Heuchelei! Dabei müssten sämtliche Alarmglocken Sturm läuten,die grünen müssten sofort die Ärmel hochkrempeln und das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium übernehmen, in Windeseile müssten Pestizide und großflächige Anbauflächen verboten werden. Es müssten alle bekannten Problemfelder in Angriff genommen und endlich vernünftige Maßnahmen in die Wege geleitet werden.

     

    Und was passiert? NICHTS!

    Nicht einmal ein windiger Brennpunkt! Also schlafen wir weiter und warten darauf, dass die nächste "Sau durchs Dorf getrieben" wird. Und hoffen, dass wir schon noch irgendwie davon kommen werden...

    • @anyhow:

      "in Windeseile müssten Pestizide und großflächige Anbauflächen verboten werden"

       

      ...und Trecker und Autos müssten auch verboten werden, und Zentralheizungen und Fabriken und stromfressende Laptops und PC's...

       

      ...und alle Menschen müssten wieder auf ihrem Fleckchen Land Hacken und Wühlen und Jähten tagein tagaus bis sie mit 50 ganz krumm und buckelig sind wie die Kräuterhexen und sonnenverbrannt und mit Rheumakrallen von der vielen Feldarbeit. So war das früher und so war es wohl gut.

      • @Waage69:

        Machen Sie sich mal keine Sorgen um die Rückkehr in alte Zeiten. Sie sollten sich ganz andere Gedanken machen - schlicht einfach mal die Zukunft betrachten. Und das Risiko, dass die "Krone der Schöpfung" die Geister nicht mehr los wird, die sie gerufen hat. Aber mit Brett vor dem Kopf denkt es sich schlecht mit Weitsicht, nicht wahr!

        • @anyhow:

          Ich habe, zugegeben ein wenig sarkastisch, Ihren Beitrag kommentiert. Eventuell mit der Motivation, dass Sie in einer weiteren Replik etwas konkreter werden aber Sie weichen einfach ins Ungefähre aus.

           

          Na ja.

  • Ob die Grünen das Insektensterben wohl bei den Koalitionsverhandlungen thematisieren werden, um eine etwas umweltfreundlichere Politik zu erreichen?

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Dass da keine gesellschaftlichen Alarmglocken schlagen, das sehe ich als wirklich gefährlich an.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Schreiben sie mal das den Grünen, die gerade mit der CDU/CSU und der FDP eine Regierung bilden sollen. Diese Landwirtschaft und dieser ganze Nahrungsschrott, der heute in Discounter verkauft wird, ist das Ende vom Untergang.