Nato-Treffen der Ostsee-Anrainer: Das Meer vor Putin schützen
Schrottschiffe sollen im Auftrag Russlands in der Ostsee verkehren und vermehrt Unterseekabel zerstören. Die Nato will nun Schiffe und Flugzeuge entsenden.
![Soldaten schauen von einem Schiff aus auf Wasser Soldaten schauen von einem Schiff aus auf Wasser](https://taz.de/picture/7464356/14/37387571-1.jpeg)
Der Begriff „Schattenflotte“ steht für schrottreife Tanker, die wie die Eagle S etwa unter Flagge der Cookinseln fahren und für Russland Öl transportieren. Dabei sollen sie aber auch das eine oder andere Unterseekabel mit ihren Ankerketten mitnehmen und durchtrennen. Der EU sind 79 solcher Schiffe in der Ostsee bekannt. Nach den Vorfällen am ersten Weihnachtsfeiertag, als mehrere Kabel, darunter Strom- und Glasfaserkabel, zwischen Finnland und Estland gekappt wurden (vermutlich von der Eagle S), rief Finnlands Präsident Alexander Stubb die anderen Partner zum Treffen in Helsinki zusammen.
Dort einigten sich die acht Anrainerstaaten Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden am Dienstag darauf, die „Angriffe“ mit einer „robusten und entschlossenen“ Antwort zu parieren, wie es in der Abschlusserklärung heißt. Die Nato will ihre Präsenz in der Ostsee deutlich verstärken und mehrere Schiffe sowie Flugzeuge entsenden, wie der ebenfalls geladene Generalsekretär Mark Rutte bekräftigte.
Nato-Fahrzeuge sollen nun die unterseeische Infrastruktur im Auge behalten und schützen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll die Mission namens „Baltic Sentry“ insgesamt etwa zehn Schiffe umfassen. Estland lässt bereits ein Marineschiff im Finnischen Meerbusen patrouillieren. Auch Deutschland will sich beteiligen, die Rede ist von einem Schiff und einem Flugzeug. Die staatlichen Patrouillen sollen auch verstärkt mit privaten Reedereien zusammenarbeiten, etwa um Informationen auszutauschen.
Drohnenflotte zur Überwachung
Geplant ist auch die Aufstellung einer Drohnenflotte zur Überwachung. Dazu soll das Verteidigungsministerium eine gemeinsame Tagung mit der Rüstungswirtschaft einberufen.
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich auch dafür aus, juristisch gegen Schiffe vorzugehen, die Zerstörung verursachten. Man müsse die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Dafür soll eine Arbeitsgruppe gegründet werden, die die Rechtslage analysiert. „Diese kritischen Infrastrukturen sind von allergrößter Wichtigkeit für die Sicherheit unserer Länder“, so Scholz. Deshalb müsse man alles dafür tun, sie zu sichern.
Klar ist aber auch: Lückenlos überwachen lässt sich das Meer nicht. Russland wird offiziell zwar nicht explizit als Schuldiger benannt – die Rede ist in der Abschlusserklärung von „bösartigen Akteuren“. Doch eigentlich sind sich alle einig, dass Russland für die Sabotageakte verantwortlich ist. Man müsse davon ausgehen, dass die Unfälle Teil einer hybriden Strategie seien und russische Aktivitäten hinter all diesen Ereignissen zu stehen scheinen, so Olaf Scholz.
Auch Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ist überzeugt: So versuche Russland seinen Krieg in der EU fortzusetzen. Sie begrüßte ausdrücklich die Präsenz der Nato in der Ostsee. „Wir sind sehr happy“.
Litauens Präsident Gitanas Nauseda sprach sich zudem dafür aus, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen. Die Präsenz der Schattenflotte zeigte, dass diese nicht wirkten.
Gastgeber Stubb und Michal nannten das Treffen in Helsinki abschließend einen Erfolg, was man nicht zuletzt an der „robusten gemeinsamen Erklärung“ sehen könne. Der Begriff „robust“ fiel an diesem Tag immer wieder, man will Stärke und Entschlossenheit demonstrieren.
„Wir versuchen immer mindestens einen Schritt voraus zu sein“, sagte Stubb. „Manchmal wird uns das nicht gelingen, und dann reagieren wir hoffentlich so wie am 25. Dezember.“ Damit bezieht er sich auf Finnlands allgemein als entschlossen und stark bewertete Reaktion am ersten Weihnachtstag: Die Eagle S sei schnell als infrage kommender Verursacher mehrerer Kabelbrüche identifiziert und sofort zum Halt aufgefordert worden. „Der Schaden wäre noch viel größer geworden, wäre sie nur zwölf Minuten weitergefahren“, sagte Stubb.
„Wir haben die Möglichkeit, zu handeln“
In einem bisher nie dagewesenen Vorgehen wurde der Tanker aufgefordert, sich in finnische Gewässer zu begeben, wo finnische Behörden ihn dann betraten und schließlich für Ermittlungen konfiszierten. „Vor einem Jahr kam ein Schiff in ähnlicher Situation noch davon, im November wurde ein weiteres schon mal von Behörden betreten, im Dezember wurde dieses nun konfisziert“, sagte Stubb, um die Entwicklung zu zeigen. „Wir haben die Möglichkeit, zu handeln.“
Ein Schritt-für-Schritt-Report über die finnische Vorgehensweise werde den anderen Anrainern bald geliefert. Die Reaktion sei natürlich jeweils nationale Angelegenheit, betonte Stubb. Der estnische Regierungschef Kristen Michal sieht das finnische Vorgehen im Fall Eagle S jedenfalls als Maßstab für die Zukunft, wie er auf der Abschluss-Pressekonferenz betonte.
Das abschließende Mittagessen ließ Deutschlands Vertreter Scholz dann sausen. Der Kanzler wurde als Wahlkämpfer in Chemnitz erwartet. Sein außenpolitischer Berater vertrat ihn.
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