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Nancy Faesers Asyl-VorstoßBesänftigung für die Kommunen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Was Innenministerin Nancy Faeser fordert, ist längst EU-Recht. Ihr geht es allein um innenpolitische Profilierung.

Politpoesie von der Innenministerin zur Asylpolitik Foto: Kay Nietfeld / dpa

S PD-Innenministerin Nancy Fae­ser setzt sich dafür ein, dass Asylverfahren bereits an den EU-Außengrenzen durchgeführt oder zumindest begonnen werden. Praktisch hat dies aber keinerlei Relevanz. Dass sich die Ampel an diesem Punkt auf eine gemeinsame Position geeinigt hat, bringt die bislang fehlende Einigung auf ein neues EU-Asylsystem keinen Milli­meter weiter.

Es ist ja nicht so, dass die EU kein gemeinsames Asylsystem hat. So sieht etwa die Dublin-III-Verordnung. vor, dass grundsätzlich der EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist, über den ein Antragsteller in die EU eingereist ist. Das sind typischerweise die Staaten an den EU-Außengrenzen, etwa Italien, Griechenland und Ungarn. Und laut Asyl-Verfahrensrichtlinie können Asylverfahren auch vor der Einreise an der EU-Außengrenze eingeleitet werden.

Das Instrumentarium, das die Bundesregierung einführen will, ist also längst vorhanden. Es wird nur nicht akzeptiert, weil die EU-Staaten an den Außengrenzen nicht mehr einsehen, warum gerade sie für die Asylverfahren zuständig sein sollen. Sie lassen die Flüchtlinge deshalb einfach unregistriert weiterreisen.

Verhandlung für eine Umverteilung

Schon seit mehreren Jahren wird deshalb über ein neues, gemeinsames Asylsystem verhandelt, das irgendeine Form von Umverteilung einführt. Eine Einigung ist aber unglaublich schwer. Staaten wie Ungarn wollen zum Beispiel gar keine Flüchtlinge aufnehmen und lehnen deshalb jede Umverteilung ab. Auch die Aufnahmebereitschaft der anderen EU-Staaten ist völlig ungenügend.

Dass die Bundesinnenministerin nun vermeintliche Fortschritte meldet, hat wohl allein innenpolitische Gründe. Denn sie will vor dem ­Flüchtlingsgipfel am 10. Mai die Kommunen besänftigen­. Diese brauchen aber keine Politpoesie über ein vermeintliches „historisches Momentum“ bei den EU-Verhandlungen, sondern verbindliche Zusagen über Bundeshilfen für die Unter­bringung und Betreuung der real existierenden Neuankömmlinge.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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6 Kommentare

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  • Was anderen Presseberichten wirklich neu ist, ist die angestrebte Dauer der Asylverfahren von maximal 12 Wochen. Das wäre tatsächlich ein Fortschritt. Die Menschen leiden massiv darunter, dass sie oft jahrelang zwischen Hoffen und Bangen auf eine Entscheidung warten.

    In den meisten klaren Fällen sollte es eigentlich noch viel schneller gehen. Das heißt: schneller positiver Bescheid bei Herkunftsländern wie Syrien oder Afghanistan. Dass dorthin auf absehbare Zeit niemand zurück muss, sollte jedem einleuchten. Das heißt auch: schneller negativer Bescheid und Nicht-Einreise bei sicheren Herkunftsländern. Für diese sicheren Herkunftsländer brauchen wir ein modernes, digitalisiertes und vor allem faires Einwanderungsverfahren, das auf dem Prinzip beruht, dass der Antrag zwingend im Herkunftsland gestellt werden muss, so wie das andere Einwanderungsländer schon immer machen (Kanada, Australien, ...). Ein Aufenthalt an der EU-Außengrenze kann dann ganz entfallen. Der Migrant hat ja dann bereits sein Visum in der Tasche. Wer aus so einem Land trotzdem ohne Visum an die Grenze kommt, muss umkehren.

  • Wenn die Politik vom KApital komplett entmachtet und abhängig wurde, zählt nur noch PR um nicht von den Kapitalisten entmachtet zu werden.

  • Wohl eher Wahlkampf für Hessen.

  • Ich hätte ja einen Vorschlag: die EU stellt ein Budget für Integration.

    Jede Kommune (EU-weit) erhält pro aufgenommenen Flüchtling einen Betrag; vermutlich in den ersten Jahren höher. Mindeststandards (zugang zu Sprache, Wohnung, Arbeitsmöglichkeiten, Kultur) sind vorgegeben.

    Die EU verhandelt direkt mit den Kommunen: so kommen die Staaten nicht in Versuchung, das Problem zuzuspitzen und dann populistisch auszuschlachten (was gerade geschieht).

    Schliesslich sind es die Kommunen, die die Integrationsleiszung zu erbringen haben, und die, die direkt von einer gelungenen Integration zuerst profitieren.

    Lucano hat in Riace gezeigt, dass Integration von Flüchtlingen nicht nur möglich, sondern sich für manche Kommunen sehr positiv auswirkt. Dass so jemand im Knast landet ist nur pervers.

    • @tomás zerolo:

      Der Vorschlag hat seinen Reiz.

      Allerdings hätte ich ein Paar Fragen:

      1. Verstehen sie unter Flüchtling nur Personen, die bereits als solche anerkannt sind, oder auch jene, bei denen dies noch unklar ist, weil der Asylantrag noch geprüft wird? Wenn es letztere sind, wer muss dann die Kosten für das Asylverfahren und im Falle einer Ablehnung die Rückführung organisieren und finanzieren? Die Kommune oder der jeweilige EU-Staat?

      2. Was tun, wenn es zu wenige Kommunen gibt, welche die Mindeststandards erfüllen können? Oft ist es ja so, dass in einer Ortschaft deshalb Wohnraum frei ist, weil die Menschen wegen fehlender Arbeitsplätze abgewandert sind; umgekehrt herrscht in Ortschaften mit vielen Arbeitsmöglichkeiten oft Wohnungsmangel.

      3. Was ist, wenn der Flüchtling z.B. in die Slowakei soll, weil es dort eine Aufnahmewillige Kommune gibt, der Flüchtling aber ganz andere Pläne hat, und z.B. nach Schweden will, dort aber kein freier Platz ist (oder nicht für alle, die dorthin wollen).

      P.s. soweit ich recherchieren konnte, kam Lucano erstmal nur in Hausarrest, das Urteil war noch nicht rechtskräftig.

    • @tomás zerolo:

      Knast ist immer ein Zeichen für das Scheitern der Gesellschaft und der Politik.