Nahostkonflikt: Israel will Bodenoffensive ausweiten
Eine Waffenruhe in Gaza wird immer unwahrscheinlicher. Israels Ministerpräsident Netanjahu kündigt sogar eine Ausweitung der Bodenoffensive im Gazastreifen an.
TEL AVIV/GAZA dpa/rtr/afp/ap | Israelische Soldaten haben am Montag nach Militärangaben mindestens zehn Palästinenser getötet, die vom Gazastreifen aus durch einen Tunnel nach Israel gelangten, um dort einen Anschlag zu verüben. Es habe sich um zwei Terrorgruppen gehandelt, erklärte eine Militärsprecherin. Eine sei von einem Kampfflugzeug angegriffen, die zweite von Soldaten beschossen worden. Über israelische Opfer sagte die Sprecherin nichts.
Ungeachtet der zahlreichen Toten auf beiden Seiten hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Ausweitung der Bodenoffensive im Gazastreifen angekündigt. „Wir werden nicht aufhören, bis alle Ziele erreicht sind“, sagte Netanjahu am Sonntag in Tel Aviv. Die radikalislamische Hamas sei selbst für die vielen Toten unter den Zivilisten in dem Palästinensergebiet verantwortlich. Es könnten noch „schwere Tage“ bevorstehen, sagte Netanjahu.
Die Zerstörung eines Großteils der Tunnel im Gazastreifen kann nach den Worten des israelischen Verteidigungsministers binnen zwei bis drei Tagen abgeschlossen sein. „Uns stehen noch lange Tage des Kampfes bevor“, sagte Mosche Jaalon am Sonntag vor Journalisten in Tel Aviv. Die Hamas versucht immer wieder, durch Tunnel aus dem abgesperrten Gazastreifen nach Israel zu gelangen, um dort Anschläge zu verüben oder Menschen zu entführen. Die Hamas hatte zuletzt im Jahr 2006 einen israelischen Soldaten verschleppt. Gilad Schalit wurde 2011 im Austausch gegen 1.027 in Israel inhaftierte Palästinenser freigelassen.
Israel dementierte, dass einer seiner Soldaten in der Gewalt der Hamas ist. „Diese Meldung ist nicht wahr. Es gibt keinen entführten israelischen Soldaten“, sagte UN-Botschafter Ron Prosor am späten Sonntagabend (Ortszeit) am Rande der Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Die Hamas hatte zuvor behauptet, ihre militanten Kassam-Brigaden hätten einen Soldaten in ihrer Gewalt und auch einen Namen und eine Dienstnummer genannt.
Kerry will vermitteln
US-Außenminister John Kerry reist am Montag nach Kairo, um Bemühungen um eine Feuerpause im Gaza-Konflikt zu unterstützen. Das bestätigte Außenamtssprecherin Jen Psaki am Sonntag in Washington.
Die USA und ihre internationalen Partner seien „zutiefst besorgt über das Risiko einer weiteren Eskalation und des Verlustes von weiteren unschuldigen Menschenleben“, hieß es in der Mitteilung weiter. „Wir glauben, dass es so bald wie möglich eine Feuerpause geben sollte – eine, die den im November 2012 erreichten Waffenstillstand wiederherstellt.“ Kerry unterstütze die ägyptische Initiative für eine solche Feuerpause.
Bereits zuvor hatte sich Präsident Barack Obama in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten besorgt über die wachsende Zahl der Opfer im Konflikt zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas geäußert.
Die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen weitet sich zu einem Häuserkampf mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten aus. Am bislang blutigsten Tag der jüngsten israelischen Militäroperation beklagten die Palästinenser mehr als 100 Tote, wie die palästinensische Nachrichtenagentur Maan berichtete. Allein im Stadtteil Sadschaija habe es am Sonntag 66 Tote gegeben, darunter viele Frauen und Kinder. Andere palästinensische Quellen sprachen unter Berufung auf das Gesundheitsministerium in Gaza in der Nacht zum Montag von mindestens 72 Todesopfern. Und immer noch würden Leichen unter Trümmern liegen.
„Hochburg der Hamas“
In dem Stadtteil wurden am Sonntag auch 13 Soldaten einer israelischen Elite-Einheit im Gefecht mit Kämpfern der radikalislamischen Hamas getötet. Ein israelischer Militärsprecher bezeichnete den Stadtteil als „Hochburg der Hamas“. „Die israelischen Truppen wurden beim Vorrücken von allen Seiten mit Maschinengewehren und Panzerfäusten beschossen.“ Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte diese „entsetzliche Handlung“. Er forderte Israel bei seinem Besuch Katar auf, größte Zurückhaltung zu üben und mehr für den Schutz der Zivilisten zu tun.
Die israelische Armeeführung zeigte sich auch nach den schweren Verlusten in den eigenen Reihen unbeirrt. „Wir sind fest entschlossen“, sagte Generalstabschef Benny Ganz. „Es tut mir sehr leid, wenn Zivilisten auf der anderen Seite getötet werden. Aber wir haben die moralische Pflicht, unsere Bürger zu schützen.“ Israel habe vor den Angriffen immer wieder gewarnt und die Bevölkerung dazu aufgefordert, das Viertel Sadschaija zu verlassen. Seit Beginn der Bodenoffensive am Donnerstagabend kamen insgesamt 18 israelische Soldaten ums Leben.
Rund 130.000 Einwohner des Gazastreifens haben nach Angaben einer palästinensischen Menschenrechtsorganisation seit Beginn der israelischen Offensive ihre Wohnhäuser verlassen.
Eine vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) vermittelte Feuerpause hielt nur kurz. Die zweistündige Kampfunterbrechung hätte dazu dienen sollen, die Leichen in Sadschaija zu bergen. Nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte sind unter den Opfern auch ein palästinensischer Kameramann und ein Rettungssanitäter. Bei dem getöteten Journalisten soll es sich um Chaled Hamad handeln. Twitter-Fotos zeigten ihn in einer blutverschmierten Schutzweste mit der Aufschrift „Press“.
Verstecke für Waffen
Die israelische Armee gab am Sonntag bekannt, dass ihre Soldaten in Sadschaija zehn Tunneleingänge gefunden hätten. Die Hamas nutzt die Tunnel als Verstecke für ihre Waffen sowie auch zu Vorstößen auf israelisches Gebiet. Ein Hamas-Kommando drang am Samstag durch einen Tunnel auf israelisches Gebiet vor. Die Kämpfer beschossen einen israelischen Militär-Jeep mit Panzerfäusten und Schnellfeuergewehren. Dabei starben zwei israelische Soldaten.
Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur.
UN-Generalsekretär Ban begann am Sonntag in der katarischen Hauptstadt Doha eine Vermittlungsmission. Eine schärfer formulierte Resolution Jordaniens wurde in dem Gremium aber nicht diskutiert, worauf sich der palästinensische UN-Gesandte Rijad Mansur enttäuscht zeigte. Nach UN-Angaben will Ban danach nach Kuwait, Kairo, Jerusalem, Ramallah im Westjordanland und in die jordanische Hauptstadt Amman reisen. Ziel sei es, Israelis und Palästinensern zu helfen, die Gewalt zu beenden.
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