Nachhaltigkeit bei den Öffentlich-Rechtlichen: Mein Haus, mein Boot, mein Dienstwagen
Die Öffentlich-Rechtlichen haben oft kein Konzept für den ÖPNV. Nur eine Landesanstalt zahlt ihren Beschäftigten das Jobticket.
D as „Dienstwagenprivileg“ gehört zu den ganz großen deutschen Errungenschaften, gleich nach der „Parkraumbewirtschaftung“ und dem Grundsatz „Auf der Terrasse gibt’s nur Kännchen“. Womit sonst ließe sich der ewige Protzvergleich „Mein Haus, mein Wagen, mein Boot“ besser bestreiten als mit der Karre? Vor allem, wenn es sich wie bei den Führungsetagen der öffentlich-rechtlichen Sender überwiegend um beitragsfinanzierte Luxuslimousinen handelt.
Ach nee, ’tschuldigung. Das sind ja „rollende Büros“ für emsige Intendant*innen und Direktor*innen. Sie sind immer auf Achse und manche wohnen da quasi drin. Wobei ein Kleintransporter viel geräumiger und im Zweifelsfall billiger wäre. Denn das Sekretariat passt gleich mit rein.
Und was macht das öffentlich-rechtliche Fußvolk? Das fährt bekanntermaßen auch und flucht über die auf den meisten Anstaltsparkplätzen praktizierte Parkraumbewirtschaftung. Beim NDR gab es früher mal beim hauseigenen Volontär*innen-Wettbewerb „Sehstern“ allen Ernstes einen Gratisparkplatz zu gewinnen. Wenn es die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und „Green Production“ allerdings ernst meinen, sollten sie lieber den öffentlich-rechtlichen Personennahverkehr fördern.
Aber wie sieht es denn aus mit Jobtickets und freier ÖPNV-Fahrt bei ARD, ZDF & Co? Die meisten ARD-Anstalten zahlen einen Zuschuss zwischen 10 und 25 Euro im Monat. Beim ZDF gibt es Jobtickets in Mainz und sonst einen „Öko-Zuschuss“ von 15 Euro, so viel zahlt auch die Deutsche Welle. Beim BR muss das Jobticket selbst gezahlt werden, Volontär*innen bekommen immerhin einen Zuschuss von 40 Euro.
Beim Deutschlandfunk heißt es: „Es hat dazu in der Vergangenheit durchaus Initiativen aus der Geschäftsleitung gegeben, die aber bisher nicht mit den Tarifparteien vereinbart wurden.“ Da ist noch viel Luft nach oben.
Vorne liegt Hessen: Beim HR haben sie schon seit den 1990er Jahren ein Jobticket. Und das finanzieren die Mitarbeitenden durch einen anteiligen Verzicht auf eine Tariferhöhung bis heute selbst. „Sie müssen das Ticket allerdings als geldwerten Vorteil versteuern“, teilt die Pressestelle mit. Aber das ist allemal mehr wert als der dicke Dienstwagen. Der neue HR-Intendant Florian Hager hat sich immerhin einen kleinen Elektro-BMW und keinen Spritfresser bestellt.
„Bei Bewerbungsverfahren neuer Intendant*innen kriegen ab sofort die ein Plus, die ihr eigenes Fahrzeug mitbringen und, wichtiger noch, umsetzbare Nachhaltigkeitskonzepte für umweltschonenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk einreichen“, meint die Mitbewohnerin. „Sieger der Herzen sind sowieso all jene mit den leisen Tönen und einer bunten Fahrradklingel.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin