Nach der Wahl zum Bundeskanzler: Merz kritisiert US-Regierung für „absurdes“ Deutschlandbild
Trumps Regierung solle sich in puncto AfD aus der deutschen Innenpolitik „heraushalten“, fordert Kanzler Merz. Bei AfD-Verbot bleibt er zurückhaltend.

„Ich würde gerne die amerikanische Regierung ermutigen und ermuntern, die Innenpolitik in Deutschland Innenpolitik sein zu lassen und sich aus diesen parteipolitischen Betrachtungen weitgehend herauszuhalten“, sagte Merz weiter. Er selbst habe sich nie „in den amerikanischen Wahlkampf eingemischt und einseitig Partei ergriffen“, sagte Merz. Zur Unterstützung der USA für die AfD sagte er: „Ich hatte von Amerika bisher immer den Eindruck, dass sie unterscheiden können zwischen extremistischen Parteien und Parteien der politischen Mitte.“
Trump hat bislang anders als eine Reihe anderer westlicher Staats- und Regierungschefs Merz noch nicht zu seiner Wahl zum Bundeskanzler gratuliert. Glückwünsche kamen jedoch vom US-Außenministerium. „Wir werden weiterhin mit Deutschland und seiner neuen Regierung zusammenarbeiten, um für die Sicherheit der Vereinigten Staaten und Europas zu sorgen“, sagte die Sprecherin des State Department, Tammy Bruce, am Dienstag vor Journalisten in Washington.
Merz: Israel bereitet uns „allergrößte Sorgen“
Der neu gewählte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich beunruhigt über das aktuelle Vorgehen Israels im Gazakrieg gezeigt. „Israel macht uns allergrößte Sorgen“, sagte Merz am Dienstagabend in der ARD-Sendung „Brennpunkt“. Er kündigte an, dass der neue Außenminister Johann Wadephul (CDU) bereits am Wochenende in seinem Auftrag zu Gesprächen nach Israel reisen werde. „Israel hat das Recht, sich zu verteidigen gegen diesen brutalen Angriff der Hamas-Terroristen“, sagte Merz. Es müsse aber „auch ein Land bleiben, das den humanitären Verpflichtungen gerecht wird“ und Völkerrecht einhalte. „Die humanitäre Hilfe im Gazastreifen, die muss geleistet werden“, betonte Merz.
Er wollte sich nicht zum konkreten Ziel der Reise von Wadephul äußern. Die Reise werde gerade gemeinsam vorbereitet, sagte er. Merz ging in dem Interview nicht auf die Frage ein, ob er trotz eines internationalen Haftbefehls und des jüngsten Vorgehens Israels im Gaza-Krieg weiter Regierungschef Benjamin Netanjahu nach Deutschland einladen würde.
Merz bei AfD-Verbot zurückhaltend
In der Debatte über ein AfD-Verbot hat sich der neue Bundeskanzler Friedrich Merz zurückhaltend geäußert. „Zehn Millionen Wählerinnen und Wähler der AfD, die können Sie nicht verbieten“, sagte der CDU-Vorsitzende am Abend im ARD-Fernsehen. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch einstuft, was die Debatte über deren Verbot neu befeuert hat.
Merz räumte ein, dass diese Einstufung auch seinen Blick auf die AfD verändert habe. Bevor die Bundesregierung Konsequenzen zieht, müsse aber das Gutachten des Verfassungsschutzes sorgfältig ausgewertet werden. In erster Linie müsse die neue Koalition allerdings dafür sorgen, dass die Ursachen für ein solches Wählerverhalten beseitigt werden.
Kabinett streicht zum Auftakt 25 Posten
In seiner ersten Sitzung hat das neue Bundeskabinett von Union und SPD beschlossen, die Zahl der Beauftragten, Bevollmächtigten und Koordinatoren der Regierung um 25 zu kürzen. Einen entsprechenden Beschluss fassten Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seine 17 Bundesministerinnen und -minister am späten Dienstagabend im Kanzleramt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Keine vier Stunden zuvor war die Regierung im Bundestag nach der Zitterpartie bei der Kanzlerwahl im Bundestag vereidigt worden.
In der rund 45-minütigen Sitzung beschloss die Regierung außerdem einen Organisationserlass, in dem die Aufgabenverteilung zwischen den Ministerien festgelegt wird. Unter anderem ist darin geregelt, dass die internationale Klimapolitik vom Auswärtigen Amt ins Umweltministerium verlagert wird und wie das neue Digitalministerium strukturiert ist. Es erhält Zuständigkeiten aus dem Kanzleramt und fünf Ministerien, vor allem aus dem Innenministerium.
Dass ein großer Teil der bisher 43 Beauftragten-Posten gestrichen werden soll, haben Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart. Damit wollen sie ein Signal setzen, dass sie es mit dem Bürokratieabbau ernst meinen. Zum Teil geht es um Ämter, die frühere Regierungen zusätzlich geschaffen und mit Personal ausgestattet hatten. Einige der Funktionen, die es künftig nicht mehr geben soll, wurden dagegen von Beamtinnen und Beamten ausgeübt, die ohnehin für das jeweilige Ministerium tätig waren, weshalb durch die Streichung nicht unbedingt eine Kostenersparnis zu erwarten ist.
In Zukunft nicht mehr geben soll es unter anderem folgende Funktionen:
– Den Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen: Die dem Innenministerium zugeordnete Stelle wurde erst Anfang 2023 geschaffen. Bevollmächtigter wurde der FDP-Politiker Joachim Stamp. Er verhandelte vor allem mit Regierungsbeamten von Staaten, die zu mehr Engagement bei der Rücknahme ihrer ausreisepflichtigen Staatsbürger bewegt werden sollten. Schon gleich nach seiner Ernennung hieß es aus der Union, das sei eine Aufgabe, die das Ministerium gut ohne einen solchen Bevollmächtigten erfüllen könne.
– Den Meeresbeauftragten gibt es seit September 2022. Das Amt ist im Umweltministerium angesiedelt, wo eine neue Unterabteilung Meeresschutz geschaffen wurde.
- Im Bundesverkehrsministerium gab es bislang einen Koordinator für Güterverkehr und Logistik und den Beauftragten für den Schienenverkehr sowie eine Radverkehrsbeauftragte.
- Nach dem Amtsantritt von Ex-Außenministerin Annalena Baerbock wurde im Auswärtigen Amt die neue Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik geschaffen. Jennifer Morgan – vormals Geschäftsführerin von Greenpeace International – übernahm den Posten.
- Ebenfalls von der Ampel-Regierung geschaffen wurde die Funktion der Botschafterin für feministische Außenpolitik.
Zu den Beauftragten der Bundesregierung, die bleiben sollen, zählen:
- Der im Auswärtigen Amt angesiedelte Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein.
- Der Opferbeauftragte. Er ist der zentrale Ansprechpartner für die Anliegen von Opfern und Hinterbliebenen terroristischer Straftaten.
Außerdem gibt es Beauftragte des Bundestages. Dazu gehören etwa:
- Die Bundesdatenschutzbeauftragte. Der Bundestag hatte vor einem Jahr die Bonner Juristin und Digitalexpertin Louisa Specht-Riemenschneider zur neuen Bundesdatenschutzbeauftragten gewählt.
- Seit März 2024 gibt es den Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag. Das Amt bekleidet seither der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch.
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