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Nach der Berlin-WahlBerlin findet noch Briefwahlstimmen

Wegen eines Logistikfehlers wurden Hunderte Stimmen nicht gezählt. Noch-Bürgermeisterin Franziska Giffey darf sondieren.

Die Stimmen von Brief­wäh­le­r:in­nen bei der Auszählung der Berliner Abgeorndetenhauswahl Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin am Sonntag sind Hunderte Briefwahlstimmen nicht ausgezählt worden, weil die Zustellung durch die Post mit Verspätung erfolgte. Es habe „Kommunikationsprobleme“ gegeben, bestätigte Landeswahlleiter Stephan Bröchler am Dienstag. Die genauen Umstände untersuche man gerade. Zunächst hatte der Spiegel berichtet.

Um wie viele Stimmen es sich genau handelt und welcher Wahlbezirk betroffen ist – oder ob es sich um mehrere Wahlbezirke handelt –, wollte Bröchler am Dienstag nicht sagen. Im Spiegel war die Rede von 450 Briefwahlstimmen für den Bezirk Lichtenberg. „Das entspricht nicht genau der Zahl, die wir haben – aber es ist ungefähr die Größenordnung“, sagte Bröchler. Es könnten „auch noch Stimmen dazukommen“. Es sei nun zunächst Sache des zuständigen Bezirkswahlamts, die Stimmen auszuzählen. Dann werde er „gewohnt transparent“ über das Ergebnis berichten.

Die nachträglich entdeckten Briefwahlstimmen sind pikant, weil der Abstand zwischen SPD und Grünen extrem knapp ausfiel. Lediglich 105 Stimmen beträgt derzeit der Vorsprung der SPD. Beide Parteien erzielten damit bis auf die Nachkommastelle das exakt gleiche Ergebnis hinter der Wahlsiegerin CDU.

Für die Noch-Regierende Franziska Giffey (SPD) hängt von dem Vorsprung ihre politische Zukunft ab: Bleibt die SPD vor den Grünen, kann sie Rot-Grün-Rot fortsetzen. Dass diese Option ihre „klare Tendenz“ wäre, hat sie bereits gesagt. Und nach den Sitzungen der Parteigremien am Montag ist auch klar, dass sie dafür vom Landesvorstand gestützt wird – trotz des historisch schlechten Wahlergebnisses.

Die Grünen wollen das Ergebnis nicht neu auszählen lassen

Wären die Grünen im Falle möglicher Stimmenverschiebungen vorn, ist die Koalitionsbildung noch ungewisser als ohnehin schon. Denn ob die SPD – dann wohl ohne Wahlverliererin Giffey – lieber Juniorpartnerin in einer Großen Koalition mit der CDU wäre oder aber in einer von den Grünen geführten Dreierkoalition mit der Linken weitermacht, ist offen.

Bisher haben die Grünen erklärt, das Wahlergebnis nicht neu auszählen lassen zu wollen. „Ich habe volles Vertrauen in den Landeswahlleiter“, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Die Hürden für eine Neuauszählung in einzelnen Wahlbezirken sind hoch: Laut Bröchler muss es dafür Anhaltspunkte für Zählfehler geben, die sich auf die Mandatsverteilung auswirken. Ob das bei den nachträglich entdeckten Briefwahlstimmen der Fall sein könnte, darauf mochte er sich am Dienstag noch nicht festlegen.

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13 Kommentare

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  • Wenn jetzt auch noch die Stimmen von Grünen und Linkspartei in Friedrichshein-Kreuzberg vertauscht sein sollten …. . Unsere Verwaltung hat fertig, soviel Irrsinn und Inkompetenz kann man sich nicht ausdenken.

  • Naja. Die Post hat ja auch gestreikt.

  • Das ist Berlin.



    Schlamperei und Fehler ohne Eingeständnis, ohne Konsequenzen.

    Das war mal eine funktionierende Weltstadt, lange her.

    • @Octarine:

      Stimmt, bevor der Bär rot wurde.

  • Kann mal vorkommen - zumindest in Berlin.🤡

  • Das Zünglein an der Waage. Die Berlin Posse nimmt kein Ende. Es bleibt spannend.

  • Hola. 450 zu 105 - da muß geöffnet & ausgezählt werden.

    Na Mahlzeit

    • @Lowandorder:

      Donald Trump hätte angesichts der Berliner Verhältnisse seine wahre Freude … aber ich hoffe, in diesem Fall müssen keine Anwälte und Gerichte bemüht werden.



      450 Briefwahlstimmen lassen sich doch wohl “auch so” auszählen, das müssten sie sogar in Berlin hinkriegen.

      • @Abdurchdiemitte:

        Schonn. Mein Amüsement zielt er auf die vllt dann nicht mehr fehlenden 100 +



        (ps & entre nous only - nur Erfahrungen mit Wahlen im PVL Bereich - frauman glaubt gar nicht wieviele Fehlerquellen & Untiefen es schon da gibt!)

  • Die nächste verstörende Meldung war, dass man für die 400 Stimmen eine Woche benötigt, um sie auszuzählen und das Ergebnis zu präsentieren.

  • Komisch, dabei hatte ich gestern noch was von "pannenfreier Wahl" gelesen 🙃

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Tetra Mint:

      „Berlin bleibt doch Berlin!“ - (Bill Clinton 1998)

  • Oha, das stärkt nicht das Vertrauen in ordnungsgemässe Abläufe.