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Nach Terroranschlag in KonzerthalleVerdächtige in Moskau vorgeführt

Russische Ermittler präsentieren überraschend schnell vier Tatverdächtige. Auch in Deutschland und Frankreich wird vor Anschlägen gewarnt.

Tatverdächtiger des Terroranschlags auf die Crocus City Hall im Bezirksgericht Basmanny Foto: Alexander Zemlianichenko/AP

Moskau/Berlin dpa/afp/taz | Gezeichnet von üblen Gesichtsverletzungen sind die vier mutmaßlichen Attentäter des jüngsten Terroranschlags nahe Moskau dem Haftrichter vorgeführt worden. Die Angeklagten wurden am Sonntag von vermummten Sicherheitskräften ins Basmanny-Gericht in der russischen Hauptstadt gebracht und mit deutlich sichtbaren Blutergüssen, Schwellungen, Schürf- und Platzwunden in Glaskäfigen platziert. Einer von ihnen war offensichtlich nicht mehr in der Lage zu laufen und lag mit geschlossenen Augen festgeschnallt in einem Krankenstuhl.

Ein anderer hatte einen wenig fachmännisch wirkenden Verband am rechten Ohr. Vor dem Gerichtstermin waren Videoaufnahmen im Netz verbreitet worden, die zeigen sollen, dass die festgenommenen Männer gefoltert wurden und einem von ihnen gar ein Ohr abgeschnitten wurde. Ob die Aufnahmen authentisch sind, ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die eigentliche Anhörung fand hinter geschlossenen Türen statt, wie die russische Staatsagentur Tass berichtete.

Der Terrorverdächtige auf dem Krankenstuhl, der den Anschlag gefilmt haben soll, hatte demnach „Schwierigkeiten zu sprechen“. Das Ermittlungskomitee wirft ihm und seinen drei mutmaßlichen Komplizen einen gemeinschaftlich verübten tödlichen Terroranschlag vor.

Vier der Verdächtigen gelten als die eigentlichen Todesschützen – sie sind diejenigen, die nun dem Haftrichter vorgeführt wurden. Die Haftbefehle wurden laut Tass am Sonntagabend erlassen. Die vier Männer waren am Wochenende im russischen Grenzgebiet Brjansk festgenommen und nach Moskau gebracht worden. Menschenrechtler berichten immer wieder von Demütigungen, Misshandlungen und brutalen Foltermethoden im russischen Strafvollzug. Öffentlich inszenierte Schauprozesse dienen demnach der staatlichen Machtdemonstration und Abschreckung.

Putin sieht nach wie vor eine Spur in die Ukraine

Zu dem Anschlag hat sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) öffentlich bekannt. Dennoch will Russlands Staatsführung eine Verwicklung der Ukraine sehen, gegen die Russland seit mehr als zwei Jahren einen Angriffskrieg führt. Nach Angaben des russischen Präsidenten Wladimir Putin wollten die Täter in die Ukraine flüchten, Beweise dafür legte er aber nicht vor. Kyjiw weist jede Beteiligung an der Tat zurück.

Unterdessen beging Russland am Sonntag einen nationalen Trauertag. Die Mitglieder der populären Rockband Piknik, die am Freitag in der Crocus City Hall hätte auftreten sollen, legten am Abend vor der Konzerthalle Blumen für die Opfer nieder. Nach einer Gedenkminute sprachen sie den Hinterbliebenen ihr Mitgefühl aus. „Diese Gräueltat ist eine sinnlose, unvorstellbare Grausamkeit“, wurde Bandleader Edmund Schkljarski zitiert. Unter den Todesopfern ist laut der Band auch eine ihrer Assistentinnen.

Sichtlich erschütterte Bewohner der Hauptstadtregion strömten auch am Sonntag in dichten Scharen zur Crocus City Hall. Am Zaun vor dem zerstörten Gebäude legten sie Blumen und Spielsachen zum Gedenken an die Opfer nieder – die Gegend glich einem Blumenmeer. Auf Leuchttafeln in der russischen Hauptstadt flackerte anstelle von Werbung die Aufnahme einer Kerze und darunter die Aufschrift: „Wir trauern. 22.03.2024.“ Über dem Kreml wehte die Fahne auf halbmast.

Präsident Putin sprach in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede am Samstagnachmittag von einer angeblichen Spur in die Ukraine. Mit Blick auf die festgenommenen Verdächtigen sagte er: „Sie haben versucht sich zu verstecken und haben sich in Richtung Ukraine bewegt, wo für sie ein Fenster für einen Grenzübertritt vorbereitet worden war.“ Der ukrainische Militärgeheimdienst konterte dies mit dem Hinweis, dass die Grenze sei seit Langem vermint sei.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies jede Verwicklung seines Landes in den Anschlag zurück. Angesichts der Anschuldigungen aus Moskau nannte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba den Kremlchef am Sonntag einen „pathologischen Lügner“. Putin versuche verzweifelt, die Ukraine mit dem Anschlag in Verbindung zu bringen, auch wenn es keine Beweise gebe, schrieb Kuleba am Sonntag auf der Plattform X (ehemals Twitter). „Lasst euch nicht von Putin und seinen Handlangern in die Irre führen“, appellierte er.

Experten halten Bekennerschreiben für glaubwürdig

Ihr einziges Ziel sei, weitere Russen zu motivieren, um in dem sinnlosen und kriminellen Krieg gegen die Ukraine zu sterben. Zudem solle dadurch weiterer Hass gegen andere Länder, vor allem den gesamten Westen, geschürt werden. Der IS-Propagandakanal Amak veröffentlichte als angeblichen Beweis, für den Angriff verantwortlich zu sein, ein Video, das die Attentäter am Anschlagsort zeigen soll. Zudem wurde ein Bild der angeblichen Attentäter mit unkenntlich gemachten Gesichtern gezeigt.

Die mit Sturmgewehren, Pistolen und Sprengsätzen bewaffneten Kämpfer hätten Russland einen „schweren Schlag“ versetzt, hieß es in dem Bekennerschreiben. Der Angriff habe „Tausenden Christen in einer Musikhalle“ gegolten. Terrorismusexperten stuften das Schreiben als glaubwürdig ein. Der IS bekämpft Anhänger des Christentums und betrachtet sie als Ungläubige. Seit einigen Jahren haben die Islamisten auch Moskaus Politik auf dem Radar.

In früheren Ansprachen warf die Terrorgruppe Russland etwa vor, muslimisches Blut vergossen zu haben. Insbesondere in Afghanistan wiegt das Erbe der sowjetischen Intervention vor 45 Jahren immer noch schwer. Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte es glaubhaft, dass die als IS-Ableger bekannte Gruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) den Anschlag zu verantworten habe.

Terrorgefahr für Deutschland und Frankreich

Von dieser gehe derzeit auch für Deutschland die größte Gefahr aus, sagte Faeser der Süddeutschen Zeitung. Die ISPK-Terrorgruppe hat ihren Ursprung in Afghanistan. Khorasan steht für eine historische Region in Zentralasien, die Teile von Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan sowie von Iran umfasste.

Die französische Regierung rief in ihrem Land die höchste Sicherheits-Alarmstufe aus. Dies gab Premierminister Gabriel Attal am Sonntagabend im Onlinedienst X bekannt. Neben dem Angriff bei Moskau verwies er zur Begründung auch auf „Bedrohungen, denen unser Land ausgesetzt ist“.

Die höchste Alarmstufe wird in Frankreich ausgerufen, wenn davon ausgegangen wird, dass ein Anschlag unmittelbar droht. Diese wurde nun in Kraft gesetzt, nachdem sie zuvor erst im Januar um eine Stufe nach unten gesetzt worden war. Die Entscheidung fiel nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts im Elysée-Palast, an der auch Präsident Emmanuel Macron teilnahm.

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16 Kommentare

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  • Manchmal könnte es hilfreich sein, einfach mal innezuhalten und der Trauer über die toten Menschen Raum zu geben......

    ....... anstatt mit hasserfüllten Kommentaren den Hass und die Unmenschlichkeit der anderen zu beklagen.

    Ich finde es furchtbar, wie viele Menschen - ohne selbst Kämpfer*innen zu sein - zurzeit ihr Leben verlieren.

    Egal wo, egal durch wen. Ob in Israel, Palästina, Ukraine, Russland oder wo auch immer. Es sind Menschen wie du und ich, mit Wünschen, Hoffnungen und Träumen, die plötzlich blutend im Dreck liegen und sterben, obwohl sie leben wollten.

    Natürlich regiert Herr Putin diktatorisch.

    Natürlich ist es verwerflich verhaftete Tatverdächtige zu misshandeln und so vorzuführen, unabhängig davon, ob es tatsächlich die veantwortlichen Terroristen sind.

    Natürlich nutzt die Russische Führung den furchtbaren Terroranschlag um zumindest mit einem Finger auf die Ukraine zu zeigen.



    Alles andere hätte mich angesichts des - neben dem realen Krieg - ständig stattfindenden Propagandakrieges zwischen Russland und der Ukraine auch gewundert.

    Übrigens scheint es mir garnicht so abwegig, dass Terroristen nach diesem Blutbad versuchen, Russland auf schnellstem Weg verlassen - und wenn´s in Richtung Ukraine möglich ist, auch dahin.

    Aber das sind eigentlich Nebensächlichkeiten, angesichts des Leidens von allen Angehörigen der Terroropfer.

    • @Bürger L.:

      Ich stimme Ihnen vollkommen zu

    • @Bürger L.:

      In den Ihrem Kommentar vorausgegangenen finde ich nicht die von Ihnen behaupteten"hasserfüllten Kommentare". Stattdessen nur logische, insofern beachtenswerte und dabei immerhin menschlich empathische Schlussfolgerungen.



      Vielleicht sollten Sie sich mal selbstkritisch an die eigene Nase fassen, um "einfach mal innezuhalten" vor dem Kommentieren?

      • @Lichtenhofer:

        Es tut mir sehr leid, dass ihnen meine Formulierung bezüglich "hasserfüllter Kommentare" nicht gefallen hat.

        Möglicherweise rührt die unterschiedliche Wahrnehmung daher, dass ich nicht nur diese, sondern täglich mehrere verschiedene Leser*innen-Kommentarspalten lese, da kann man schon manchmal einen anderen Eindruck gewinnen.



        Trotzdem vielen Dank für ihren freundlichen Hinweis, es lohnt sich immer, die eigene Haltung gelegentlich mal zu überprüfen.

        • @Bürger L.:

          "anstatt mit hasserfüllten Kommentaren den Hass und die Unmenschlichkeit der anderen zu beklagen."

          Die Aussage lässt dich durchaus allgemein verstehen, also nicht zwangsweise (nur) auf diese Kommentarspalte.

  • Dass der russische Terrorstaat mittlerweile völlig selbstverständlich für alle sichtbar brutal gefolterte Angeklagte vor Gericht und Presse führt, scheint das neue Normal zu sein. Und auch diejenigen nicht weiter zu kratzen, die verbohrt naiv sich "Frieden" mit diesem Regime durch einvernehmliche Gespräche vorstellen.

    • @dites-mois:

      Das liegt daran dass aus der Sicht der Kreml-Unterstützer diese Leute es sicherlich verdient haben gefoltert zu werden.



      Ähnlich wie es die Ukraine verdient hat bombardiert zu werden weil sie sich ja weigert zu kapitulieren...ich meine natürlich zu verhandeln.

      Ein Verbrechen im Namen der richtigen Ideologie ist kein Verbrechen, sondern Notwendigkeit.

  • Putins zunehmende Erschöpfung

    Die Aktionen des Diktators werden zunehmend fahrig, seine Gesten und Bewegungen hastiger



    Was er sagt ist eher für den inneren Zirkel bestimmt als für es für die zur bloßen Verfügungsmasse reduzierte Bevölkerung

    Die Überfoderung kennzeichnet der abstruse Versuch das IS Attentat der Ukraine in die Schuhe zu schieben. Der Schuss könnte, wie all die anderen, nach hinten losgehen. Zum Einen werden auch in Teilen des inneren Kreises wohl Zweifel



    an der Urteilsfähigkeit ihres Minizaren wachsen, zum Andern wird sich die Terrorgruppe IS genötigt sehen, noch eindrucksvoller einen Beweis ihrer "Terrorkunst" zu erbringen um sämtliche Zweifel zu beseitigen.



    Mittlerweile müsste der Schwenk, vom Ukrainischen Jüdischen Nazi hin zum Ukrainischen Islamisten, selbst dem dümmsten Russen sauer aufstoßen.

    Das Ganze bleibt für den Westen nicht ungefährlich. Lassen die Russischen Eliten ihren Diktator weiter gewähren, könnte der doch noch taktische Nuklearwaffen einsetzen.

  • Diese vier Männer waren also intelligent genug, über Wochen oder Monate einen Terroranschlag in einem extrem repressiven Polizei- und Geheimdienststaat zu planen und Waffen und Bomben dafür zu besorgen, ohne dass der Staatsapparat davon Wind bekommen hat.

    Und dann hat sie schlagartig alle Intelligenz verlassen, und die gemeinsame Flucht in ein Kriegsgebiet war die beste Idee die sie hatten?

    • @B. Iotox:

      "Diese vier Männer waren also intelligent genug, über Wochen oder Monate einen Terroranschlag in einem extrem repressiven Polizei- und Geheimdienststaat zu planen und Waffen und Bomben dafür zu besorgen, ohne dass der Staatsapparat davon Wind bekommen hat." Dieser Geheimdienststaat ist primär mit Terror gegen die Opposition beschäftigt, dazu noch mit Terror in der Ukraine. War ja nicht der erste Anschlag und in einem so korrupten Staat wie Russland wo private Firmen Söldnerarmeen aufstellen auch nicht schwer an Waffen etc. zu kommen.

      "Und dann hat sie schlagartig alle Intelligenz verlassen, und die gemeinsame Flucht in ein Kriegsgebiet war die beste Idee die sie hatten?" Wenn das stimmt wo sie verhaftet wurden wollten sie wahrscheinlich nach Belarus fliehen. Was Sinn macht, von Belarus nach Tajikistan fliegen.

      • @Machiavelli:

        > was Sinn macht

        Nein. Überhaupt nicht.



        Eine gemeinsame Flucht nach einer gemeinschaftlich verübten Straftat (sei es ein Anschlag oder Banküberfall o.ä.) ist tatsächlich die am wenigsten sinnvolle Option.

  • Es wird wohl nie jemand erfahren, wer die Täter wirklich waren.

    Mein aufrichtige Beileid gilt den Opfern dieser unfassbar grausamen Tat.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ja, ob diese massiv gefolterten Männer tatsächlich die wahren Täter sind, darf zum jetzigen Zeitpunkt mit Recht angezweifelt werden.

      Dass sich IS-Terroristen so einfach lebend gefangennehmen lassen, ist meiner Kenntnis nach auch neu...

  • Haben sich der UN GK Antonio Guterres sowie der hohe Menschenrechtskommissar Volker Türk schon zu Wort gemeldet? Wo bleibt die UN-Resolution, in der Russlands Umgang mit Gefangenen scharf verurteilt wird? Wo bleiben eigentlich die unzähligen Resolutionen der UN, die die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine verurteilen? Ach ja stimmt, Russland ist ja nicht Israel. Da gelten dann ja andere Maßstäbe

    • @Klaus Kuckuck:

      Pflichte Ihnen bei.

    • @Klaus Kuckuck:

      Genau das Gleiche habe ich auch gedacht.

      Russland kann das eigene Volk nicht vor richtigen Terroristen beschützen, aber sperrt dafür Oppositionelle und Kriegsgegner massenweise weg und mordet in der Ukraine.



      Zudem trifft der Kreml hochrangige Abgesandte islamistischer Gruppen wie der Hamas oder Taliban und wird Parallel Opfer einer weiteren islamistischen Gruppe im eigenen Land.



      Putin sollte seine Prioritäten neu ordnen und seinen eigenen Landsleuten eine bessere Zukunft bieten. Am besten in dem er abtritt für immer.