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Nach Milei-Wahl in ArgentinienInflation ohne Ende

Argentiniens Wahlsieger Javier Milei hatte eine Stabilisierung der Wirtschaft versprochen. Nach der Wahl sieht es aber schlechter aus als davor.

Argentinien: Der markt­radikale Javier Milei schiebt Verantwortung von sich Foto: Agustin Marcarian/reuters

BUENOS AIRES taz | Laura Felini zeigt auf die 500-Gramm-Packung im Regal ihres Supermarkts in Bue­nos Aires. „Diese Nudeln haben vor einer Woche 500 Pesos gekostet“, sagt sie. Jetzt prangen 800 Pesos auf dem Preisschild. Ihr Zeigefinger geht weiter Richtung Kühlregal. „Und da, der Liter Frischmilch. Letzte Woche hat er noch 35 Pesos weniger gekostet.“

Am Montag habe sie vor der verschlossenen Ladentür gestanden, erzählt Rentnerin Felini. Gut, es sei ein Feiertag gewesen, aber ihr Supermarkt hätte eigentlich auch an solchen Tagen geöffnet. „Die haben den Feiertag genutzt, um die Preisschilder auszutauschen“, schimpft sie.

Am 19. November fand in Argentinien die Stichwahl um die Präsidentschaft statt. Der marktradikale Javier Milei gewann mit einem überraschend deutlichen Vorsprung vor dem Regierungskandidaten und Wirtschaftsminister Sergio Massa.

Der Großhandel nutzte die Wahl Mileis sowie das gleichzeitige Auslaufen der mit der Regierung vereinbarten Preisregulierungen bei Basisprodukten und schickte den Supermarktketten neue Preislisten mit Aufschlägen bis zu 40 Prozent bei Lebens- und Reinigungsmitteln.

„Die Preise werden künstlich gedrückt, und das fordert früher oder später seinen Tribut“, gab sich Wahlsieger Milei wenig verwundert. Außerdem kritisiert er, dass die Kraftstoffpreise an den Tankstellen niedrig gehalten werden, ebenso wie die staatlich subventionierten Tarife für Strom, Gas und Wasser sowie die Fahrpreise im öffentlichen Verkehr.

Inflation wird noch bis mindestens Ende 2025 anhalten

Das Absurde daran ist, dass die Ar­gen­ti­nie­r*in­nen dennoch seit Jahren unter einer hohen Inflation leiden. In den letzten Monaten hat sich die Preissteigerungsrate sogar beschleunigt und war im Oktober im Vorjahresvergleich auf 140 Prozent angestiegen.

Trotz seines Wahlkampfversprechens, die Inflation zu senken, machte Milei wenig Hoffnung auf eine baldige Besserung. „Wir werden noch lange mit der hohen Inflation leben müssen“, erklärte er am Mittwoch in einem Fernsehinterview. Schuld daran ist vor allem die exzessive Ausweitung der Geldmenge durch die Notenpresse, mit der die derzeitige Regierung seit Jahren das Haushaltsdefizit finanziert.

Er werde nach seinem Amtsantritt am 10. Dezember zwar Maßnahmen ergreifen, sagte der libertäre Ökonom, aber: „Selbst wenn wir heute die Geld­emis­sio­nen reduzieren, wird die Inflation noch 18 bis 24 Monate anhalten“. Gleichzeitig kündigte er eine drastische Sparpolitik an. „2024 wird es einen ausgeglichenen Haushalt geben“, so der künftige Präsident. Er werde jeden Minister entlassen, der mehr ausgibt, als er zugewiesen bekommt.

„Wenn wir den Staatshaushalt nicht anpassen, werden wir in eine Hyperinflation abrutschen. Dann werden wir 95 Prozent arme Menschen haben, von denen 70 bis 80 Prozent ins finanzielle Elend abrutschen werden“, so sein Szenario. Mehr als 40 Prozent der 46 Millionen Ar­gen­ti­nie­r*in­nen leben bereits unterhalb der Armutsgrenze.

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Zunächst sollen alle öffentlichen Investitions- und Bauprojekte gestrichen werden. Diese würden an den privaten Sektor übergeben, der sie dann fertigstellen könnte. „Wir werden uns für ein System der Privatinitiative nach dem chilenischen ­Vorbild entscheiden“, sagte Milei.

Keine guten Aussichten. Das neoliberale Modell im Nachbarland basiert darauf, dass alles eine Ware ist, für die gezahlt werden muss. Auch Bildung und Gesundheit sind Waren und keine Grundrechte, für die in erster Linie der Staat zuständig ist. Bei der konkreten Umsetzung in Argentinien ist allerdings noch vieles offen. Sollte es jedoch Widerstand oder gar soziale Unruhen geben, werde „die volle Kraft des Gesetzes“ angewandt, sagte Milei.

Schon in den 90ern gab es viele Privatisierungen

„Wir werden nicht akzeptieren, von denen erpresst zu werden, die Gewalt anwenden, um ihre Privilegien zu erhalten“, so seine klare Ansage an die Gewerkschaften der Lehrkräfte und des Gesundheitswesens, aber auch an jene Unternehmer, die mit lukrativen Staatsaufträgen von der herrschenden Amigo­wirtschaft profitieren.

Und die im Wahlkampf vollmundig angekündigte Einführung des Dollars und Abschaffung des Pesos? Das Vorhaben sei nicht aufgegeben, habe aber gegenwärtig keine Priorität, so Mileis offizielle Erklärung. Kritiker hatten stets gefragt, mit welchen Dollars er dieses Vorhaben umsetzen wolle. Die Zentralbank hat Schulden statt Reserven, und die Staatsverschuldung in der US-Währung liegt im dreistelligen Milliardenbereich.

„Die Preise werden künstlich gedrückt. Das fordert früher oder später seinen Tribut“

Javier Milei, Wahlsieger in Argentinien

Anstelle der Dollarisierung rückt die Privatisierung von Staatsbetrieben in die Diskussion. Schließlich braucht auch Milei trotz aller Sparpolitik fresh money. „Wir werden alles privatisieren, was der Privatsektor machen kann“, sagte er kürzlich.

Im Fokus stehen dabei die staatliche Ölgesellschaft YPF sowie die Fluggesellschaft Aerolíneas Argentinas. Die beiden staatlichen Unternehmen wurden in den 1990er Jahren unter dem damaligen Präsidenten Carlos Menem privatisiert und viele Jahre später zurückgekauft.

„Ich erinnere mich noch gut daran, wie Menem alles verkaufte, nur um Dollars zu bekommen“, sagt Laura Felini, die sich inzwischen für eine billigere Nudelmarke entschieden hat. „Am Ende war alles weg und schlimmer als vorher.“

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19 Kommentare

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  • "Inflation ohne Ende. Nach der Wahl sieht es aber schlechter aus als davor."

    Folgendes ist der Hinweis eines Deutschen, der in Agentinien lebt. Vielleicht kann Herr Vogt das bestätigen oder dementieren.

    "Bis vor einigen Wochen lag die 'Impuesto de Ganancia', was ungefähr der Einkommenssteuer entspricht, bei 30%. Inzwischen ist die aber komplett abgeschafft für alle die weniger als 1,6 Mio. Pesos im Monat verdienen. Also rund 90% der Bevölkerung."

    Falls dem tatsächlich so sein sollte (und ich bezweifle es nicht), dann hätte ich einen massiv vom Autor abweichenden Erklärungsansatz für die jüngste Inflationsrunde.

  • Argentinien ist ein Trauerspiel; noch in 50er eines der reichsten Länder Welt und Ziel europäischer Migranten haben sie es geschafft dieses auch weiterhin an sich reiche, mit Ressourcen aller Art gesegnete Land runterzuwirtschaften.

    Und eins sollte man bei all der berechtigten Kritik am clownesken Auftreten eines Mileil nicht vergessen: Das er es geschafft hat zu gewinnen ist nicht sein Verdienst sondern in erster Linie das „Verdienst“ einer ebenso unfähigen wie selbstherrlichen Politikerkaste die die Verzweiflung erst hat so groß werden lassen, dass die Argentinier beschlossen haben diesem Vogel eine Chance zu geben.

  • "Argentiniens Wahlsieger Javier Milei hatte eine Stabilisierung der Wirtschaft versprochen. Nach der Wahl sieht es aber schlechter aus als davor."



    Äh, noch ist die bisherige Regierung an der Macht: "...Amtsantritt am 10. Dezember..."



    "Schuld daran ist vor allem die exzessive Ausweitung der Geldmenge durch die Notenpresse, mit der die derzeitige Regierung seit Jahren das Haushaltsdefizit finanziert."



    Eben. Das Wahlergebnis hat sie sich selbst eingebrockt.

  • Dieser unwitzige Suppenkasper will aus Argentinien wohl einen Bundesstaat der USA machen? Aber die werden dankend ablehnen, die sind selbst egoistisch und halten nix vom teilen!

  • Ein kluger Mann, leider im Jan. 1990 verstorben, bemerkte mal, die Triebfeder von Politikern sei Eitelkeit.



    Und ich behaupte, auf alle Politiker, die nicht nur durch krude Ideen, sondern auch durch verrückte Haarmode auffallen, trifft das ganz besonders zu.



    Arme Argentinier ...

  • "viele Jahre später zurückgekauft"



    Euphemismus für (wieder) verstaatlicht oder fehlende Sachkenntnis des Autors?



    Cristina Kirchner alias "La Reina" hat dies 2012 per order de mufti getan und wurde verklagt.



    Kann man übrigens bei Wikepedia nachlesen.



    Vor kurzem wurde Argentinien hierfür vor einem US-Gericht zu 15 Milliarden Euro Wiedergutmachung verurteilt!



    Und genau diese arrogante Inkompetenz der Peronisten und Kirchneristen, plus ihre Korruptheit, ist der Grund wieso sie jetzt "el loco" gewählt haben.

    • @Martin Eugenio Restrepo:

      "Vor kurzem wurde Argentinien hierfür vor einem US-Gericht zu 15 Milliarden Euro Wiedergutmachung verurteilt!"

      Ein Urteil, das man vergessen kann. Die US Justiz denkt zwar bestimmt, sie ist zuständig. Ist sie aber nicht. Die US Justiz ist für die USA zuständig. Nicht für den Rest der Welt.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Der Grund hierfür ist einfach.



        YPF ist an der New Yorker Börse gelistet und unterliegt hiermit dem US-Recht.



        Wieso New York ? Weil sonst kaum jemand deren Aktien gekauft hätte (Stichwort Rechtssicherheit in LATAM), es also keine Dollar, sondern nur argentinisches Spielgeld gegeben hätte.



        Und wenn nun jemand, sei es der Staat, das Unternehmen selbst oder ein Anteilseigner, andere Anleger bedroht (entweder du verkaufst mir deine Anteile zu Preis X oder ...), dann ist dies zurecht ein Fall für die US-Justiz.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ui, jetzt bin ich aber auf Ihr Gutachten gespannt. Ich finde Internationales Privatrecht nämlich hochinteressant, aber aus argentinischer Sicht heraus könnte ich das nicht herleiten. Welche Staatsverträge sind da einschlägig? Nach welchen Vorgaben müsste das US-Recht rückverweisen?

        • @Zangler:

          Eigentlich ist es simpel. Die Gerichte eines Landes sind für das Land zuständig. Nicht für andere Länder.

          Mir ist schon klar, dass es die Auffassung gibt, es wäre anderes. Und auch Versuche, solche Übergriffe durchzusetzen. Aber es gibt eben genug Länder, unter anderem Argentinien, die sich so etwas (bis jetzt) nicht gefallen lassen.

  • Wenn man arm ist, muss man zugeben, dass man arm ist. Der Staat kann nur so viel Geld ausgeben, wie nicht hat.



    Hier sieht man den Erfolg aller, die über Austerizität jammern.

    • @Christoph Strebel:

      In den letzten Jahren der Weimarer Republik hatte die Regierung sich stark der Austerität verschieben. Ergebnis bekannt.

      Ich finde, es muss andere Wege geben. Und natürlich gibt es einen Mittelweg zwischen kaputt sparen und hemmungslos Geld ausgeben.

  • Der kommt schon noch auf den Trichter, wie man die Wirtschaft wieder ankurbelt.



    Beispielsweise mit der Waffenindustrie. Bomben auf die Falkland-Inseln abwerfen, um die Briten zu vertreiben.

    Früher hat man durch Plünderungen nach dem Krieg die Staatskasse aufgefüllt. Heute verliert man aber Geld. Damit das nicht passiert, bzw. nicht ganz so schlimm wird, vorher den neoliberalen Motor ankurbeln.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Die argentinischen Stretkräfte sind so runtergespart die können sp einen Krieg gar nicht führen, die Garnison auf den Falklandinseln ist stark genug die Inseln zu verteidigen.

      • @Machiavelli:

        Na ja. Die Briten haben auch sehr lange sehr gespart. Und ob die Chaoten in London die Malvinen noch auf der Landkarte finden, ist auch fraglich.

        Jedenfalls ist das Letzte, was beide Länder brauchen können, ein Krieg.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Jedenfalls ist das Letzte, was beide Länder brauchen können, ein Krieg." Das ist immer der Fall, ja die Briten könnten die Inseln heute nicht mehr zurückerobern. Die Argentinier kämen aber heute auch nicht mehr gegen die Garnison an.

          • @Machiavelli:

            "Die Argentinier kämen aber heute auch nicht mehr gegen die Garnison an."

            Hoffen wir, dass das nicht auf die Probe gestellt wird.

            Jedenfalls ist es sehr überheblich, davon auszugehen, dass die Briten unbesiegbar sind.

  • Aber klar doch, Javi: Gewerkschaften von Lehrenden oder Angestellten im Gesundheitssektor sind für ihre Gewalttätigkeit berühmt-berüchtigt; das erinnert mich an eine herrlich absurde Szene in einem der Naked-Gun-Filme … Frank Drebbin sieht mit Schrecken, wie wild um sich schießende Post-Gewerkschaftler in eine Bahnhofshalle stürmen (wobei auch gesagt werden muss, dass die „Ein ganzes Land in Geiselhaft“-Sprüche hierzulande wirklich übel sind, immer so eine Mischung aus „Ihr fordert zu viel/…solltet froh sein, überhaupt noch…/…wegen ein paar Euro das Land lahmlegen“ (und hier noch ein letzter Exkurs: Ich dachte immer, der Individualverkehr bzw. die Straße als Verkehrsweg generell seien sehr viel wichtiger als die Schiene - streiken aber Lokführer, ist doch „das ganze Land“ offenbar bis ins Mark getroffen)).

    • @Earl Offa:

      "Zunächst sollen alle öffentlichen Investitions- und Bauprojekte gestrichen werden. Diese würden an den privaten Sektor übergeben, der sie dann fertigstellen könnte."

      "Superclevere" Idee, die mal wieder beweist, dass die "österreichische Schule" eine reine Psychosekte ist, die von Makroökonomie und VWL weniger Ahnung hat als Pol Pot.

      Dass der Staat Argentinien international *als Volkswirtschaft* noch nicht komplett abgeschrieben ist, stützt sich angesichts der Währungskrise zur Zeit einzig und allein auf die infrastrukturellen SACHWERTE, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden: Immobilien und Infrastruktur, das sind Dinge, deren grundlegender Wert kurz- und mittelfristig nahezu unveränderlich ist, und vor allem nicht gegen Null gehen kann wie eine FTX-Aktie. Es sind reale Dinge, deren Marktwert durch den Gebrauchswert nach unten hart gedeckelt ist.

      Und nun soll mit solchen Sachwerten was genau geschehen?



      Sollen sie verschenkt werden?



      Oder verkauft? Zu welchem Preis, und in welcher Währung?



      Dollar oder sonstwelche Valuta wird ja wohl kaum ein Investor dafür hergeben wollen.

      Naja Milei kanns ja mal bei dem Dudebro in Moskau versuchen. Vielleicht hat der russische "Immobiliensektor" noch ein paar Schweinslederkoffer voll Rubelchen übrig.



      Trump kann helfen, solche Deals einzufädeln - mit moskalischen Mafio-äh, Verzeihung, EHRENWERTEN HÄUSLEBAUERN ist der ja seit 30 Jahren per Du.

      Aber tbh war es nur eine Frage der Zeit, dass irgendein Land sich dazu entschließt, die Wahnvorstellungen der Ayn Rand auszuprobieren. Bei Somalia war das ja nicht freiwillig. Alle *anderen* Länder können insofern profitieren: ¡gracias a La Argentina - tan cerca del conocimiento, tan lejos de la comprensión - por su autoinmolación!