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Museumsleitende über Kunstattacke in Berlin„Objekte nicht hinter Glas sperren“

Auf der Museumsinsel konnten am 3. Oktober über 60 Kunstwerke beschädigt werden. Was ist los mit der Museumssicherheit?

Spuren der Sachbeschädigungen an einem Sarkophag des Propheten Ahmose im Neuen Museum Foto: dpa
Interview von Sebastian Strenger

taz: Das Medieninteresse war sehr groß, nachdem die Attacke auf die Kunst bekannt wurde. Gibt es einen besonderen Grund?

Christina Haak:Wir sind eben hier in Berlin der größte deutsche Museumskomplex. Dazu kommt die große Zahl der Objekte. Die große Frage bleibt aber das Warum, dass zurzeit noch gänzlich unklar ist.

Hans-Jürgen Harras:Es wurde öffentliches Gut beschädigt und da entsteht eine allgemeine Betroffenheit. Auch werden solange man keinen Täter hat, Schuldige gebraucht. Dadurch wird auf uns gezeigt.

Hätte denn der entstandene Schaden durch ein anderes Sicherheitskonzept verhindert werden können?

Hans-Jürgen Harras:Ja. Wenn wir alle Objekte hinter Glas in die Vitrine stellen oder wenn wir den Besucher nur noch in virtuellen Video-Kabinen sitzen lassen. Wir müssten unser kuratorisch-ethisches Museumskonzept aufgegeben und den Besucher vom Exponat völlig abgrenzen. Aber das ist auch international nicht üblich.

Sind die Schäden womöglich nicht mehr reversibel?

Christina Haak: Viele Objekte sind aus Stein, Granit oder Alabaster, aber auch Rahmen von Gemälden. Die Erste-Hilfe-Leistungen unseres Restauratoren-Teams haben sehr schnell feststellen können, dass es sich an allen Stellen um ein und die selbe Flüssigkeit handelt, mit der die Objekte bespritzt wurden. Wir verzeichnen bereits Fortschritte dabei, die Flüssigkeit aus verschiedenen Objekten mit porösen Oberflächen heraus zu ziehen. Wir werden tatsächlich jetzt auf 63 Patienten auch 63 unterschiedliche Therapien aufsetzen müssen. Abschließend lässt sich das aber nur durch Tests und Analysen bei einer Langzeitwirkung beurteilen, ob am Ende Rückstände bleiben. Sichtbare Retuschen sind hier erstmal kein Thema.

Im Juli hat ein Unbekannter bereits etwa 50 Objekte im Kreismuseum Wewelsburg mit einer ölhaltigen Flüssigkeit beschädigt. Hätte man daraus lernen können?

Im Interview: 

Christina Haak, stellvertretende Generaldirektorin der Staatlichen Museen zu Berlin und Hans-Jürgen Harras, Referatsleiter für Sicherheit der Staatlichen Museen.

Hans-Jürgen Harras: Wir haben erst nach dem Schadensereignis davon erfahren. Aber auch das hätte uns wahrscheinlich nicht dazu veranlasst, alle Objekte hinter Glas zu sperren. Millionen von Besuchern können so die Aura des Objekts spüren und nur weil es ein paar sogenannte Spinner gibt, können wir nicht den Anderen den Zugang verwehren.

Gibt es Plattformen, auf der Sie sich auf Führungsebene mit anderen Museen für ein besseres Know-how austauschen?

Hans-Jürgen Harras:Wir informieren uns informel und im geschlossenen Kreis über Plattformen des Museums-Bundes oder auf internationaler Ebene des Internationalen Commiteés für Museumssicherheit (ICMS) immer wieder zu neuen Gefährdungslagen. Letztlich bleibt ein Sicherheitskonzept aber Risikomanagement und ist kein Null-Toleranz-Konzept. Ein Restrisiko verbleibt also immer.

Hätte man mit mehr Geld in der Vergangenheit bereits Wege beschreiten können, um das Restrisiko für solche Anschläge noch weiter zu minimieren?

Christina Haak: Durch mehr Personal? Im Bereich der Aufsichten befinden wir uns ja bereits im unteren Lohnsektor.

Vandalismus auf der Museumsinsel

Am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, wurden in den Berliner Museen auf der Museumsinsel mindestens 63 Artefakte mit einer öligen Flüssigkeit besprüht. Sichtbare Flecken entstanden auf Antiken, Steinskulpturen, ägyptischen Sarkophagen und auf Rahmen von Gemälden des 19. Jahrhunderts im Neuen Museum, der Alten Nationalgalerie und dem Pergamon-Museum. Täter und Motiv sind nach Aussage der Kriminalpolizei derzeit noch nicht ermittelt.

Hans-Jürgen Harras: Bei der technischen Ausstattung lässt sich aufgrund von Innovation immer nachrüsten.

Gab es in der Vergangenheit nicht bereits Anlaß zu höheren Ausgaben für das Sicherheitskonzept der Museen?

Christina Haak: Nach dem Raub der Goldmünze im Bode-Museum im März 2017 wurden alle Sicherheitskonzepte der Museen auf den Prüfstand gestellt. Die Konzepte, den Optimierungsbedarf und die Kosten haben wir anschließend im Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unter Vorsitz von Frau Grütters vorgestellt und intensiv diskutiert.

Gut unterrichteten Kreise zufolge, wollte Frau Grütters nicht so viel Geld ausgeben, oder?

Christina Haak: Für die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen haben wir in diesem Frühsommer im Rahmen des Paketes „Infrastrukturmaßnahmen“ 1,3 Mio. Euro beantragt. Eine Entscheidung steht noch aus. Wie fühlen Sie sich dabei?

Christina Haak: Wir können nur mit Vorlagen und Anträgen unterstützen und dann kommt der nächste Schritt der möglichen Bewilligung.

Hans-Jürgen Harras: Und unser Erfolg misst sich doch auch daran, dass wenig passiert. Vereitelte Diebstähle, Einbrüche und Sachbeschädigungen oder das Feuer im Bode-Museum zuletzt, dringen eben meist gar nicht bis an die Öffentlichkeit vor.

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