Munition in Nord- und Ostsee: Die Bergung beginnt
Auf dem Boden von Nord- und Ostsee schlummern gefährliche Behälter – Überreste der zwei Weltkriege. Nun beginnt eine Pilotphase zur Bergung.
Auf dem Meeresboden von Nord- und Ostsee liegen insgesamt 1,6 Millionen Tonnen Munition aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Die Fässer und Kisten sind dort zum Teil nach Kriegsende versenkt worden, um sie schnell unschädlich zu machen. Experten beobachten mit großer Sorge diese Altlasten, weil sie im Salzwasser zu rosten beginnen und Schwermetalle und dann andere Gifte abgeben können. Diese drohen über Muscheln und Fische auch in die menschliche Nahrungskette zu gelangen und die ohnehin verschmutzten marinen Ökosysteme noch stärker zu belasten.
Darum hat das Bundesumweltministerium das „Sofortprogramm zur Munitionsbergung“ aufgelegt, wie es sich die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen hatte. 100 Millionen Euro stellt der Bund bereit, um die Technik und Infrastruktur zu entwickeln, die für die Bergung notwendig sind. Das Geld finanziert dabei lediglich die Pilotphase. Die Mittel für die anschließende, jahrzehntelange Bergung soll von Bund und Ländern gemeinsam aufgebracht werden.
Ende 2026 soll die industrielle Bergung beginnen
Das Pilotprogramm startet im Sommer. Dabei werden verschiedene Techniken und Maschinen – beispielsweise Greifarme und selbstfahrende Unterwasserfahrzeuge – entwickelt und getestet. Diese gibt es bislang nicht. Ebenfalls neu entwickelt wird eine schwimmende Plattform, von der aus die Bergung und Entsorgung – meist an Land – organisiert werden kann. Entsorgt wird die unbrauchbare Munition in speziellen Öfen, die Sprengstoff verbrennen können. Ziel sei eine „sichere und effektive Verfahrenskette“, heißt es aus dem Ministerium. Die Erkenntnisse sollen einfließen in die anschließende Konstruktionsphase der Plattform und der letztlich eingesetzten Werkzeuge. Ende 2026, so der Plan, soll die industrielle Bergung der Munition beginnen.
Weil die Entwicklung von Plattform und Technik für die eher mittelständisch organisierte Branche, die mit Munitionsbergung befasst ist, technologisch durchaus herausfordernd ist, wird das Vergabeverfahren als „Innovationspartnerschaft“ organisiert. Das heißt, dass Experten von Bund und Ländern sowie dem Projektträger Jülich mit interessierten Unternehmen zusammen arbeiten und gemeinsam entwickeln, welche Techniken und Verfahren am Ende angefragt werden. Erfahrung besteht bislang vor allem bei der Bergung größerer Minen und Bomben, die für den Umgang mit Kisten und Fässern voller Sprengstoff nur zum Teil angewendet werden kann.
Bis wann die ganzen 1,6 Millionen Tonnen des Militärmülls vom Meeresboden gehoben und entsorgt werden können, lässt sich kaum abschätzen. Das Ministerium sieht die Aufgabe als ein Generationenprojekt. Während der Pilotphase in diesem Sommer sollen 60 Tonnen, letztendlich jährlich 750 Tonnen jährlich geborgen werden.
Getestet wird zunächst an vier Orten in der Ostsee in der Lübecker und der Mecklenburger Bucht. Anders als in der Nordsee, in der Ebbe und Flut den Meeresboden heftig bewegen und die Munitionskisten unter zum Teil meterhohen Sandschichten begraben haben, liegt die versenkte Munition in der Ostsee „wie auf einem Tablett“, so ein Experte. Zudem gelten die Altlasten in dieser Gegend als weitgehend ungefährlich und damit handhabbar. Die vier Orte für das Pilotprojekt seien nach wissenschaftlichen Kriterien ausgesucht worden; dies mache sie gut geeignet, um erste Erfahrungen zu sammeln.
Fischer sind erleichtert
Im Deutschen Fischereiverband in Hamburg ist man erleichtert, dass die Bergung endlich startet. „Das Problem kommt immer dringlicher auf uns zu“, sagt ein Sprecher des Verbandes. „Wenn wir jetzt nichts unternehmen, könnte es passieren, dass die Fische nicht mehr lebensmitteltauglich sind“. Eine Neuauflage des Problems droht zumindest in Nord- und Ostsee nicht: Dort wird inzwischen keine Munition mehr versenkt.
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