Zukunft der Ostsee: Kein Nationalpark, aber mehr Schutz

Für einen Nationalpark hat es nicht gereicht. Dennoch gibt es in Schleswig-Holsteins seit Dienstag einen Aktionsplan für den Ostseeschutz.

Eine Person steht auf einer kleinen Landzunge an der Ostsee

Endliche Weiten: 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee sollen in Zukunft unter „strengen Schutz“ gestellt werden Foto: Marcus Brandt/dpa

KIEL taz | Während im Pressesaal im dritten Stock des Landtagsgebäudes Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) den „Aktionsplan Ostseeschutz 2030“ vorstellten, demonstrierten draußen vor dem Haus Mitglieder von Naturschutzverbänden. Was Günther als „echten Meilenstein“ lobt, halten die Ver­tre­te­r:in­nen von Nabu und BUND für deutlich zu wenig. Auch die Opposition im Kieler Landtag sieht den Kabinettsvorschlag kritisch, wenn auch aus anderen Gründen.

Nach langen Debatten um einen Ostsee-Nationalpark haben sich CDU und Grüne auf einen Kompromiss geeinigt. Der „Aktionsplan“ umfasst ein Paket von 16 Maßnahmen. Die wichtigste: Künftig sollen 12,5 Prozent der zu Schleswig-Holstein gehörenden Ostseefläche unter „strengen Schutz“ gestellt werden.

Drei große Gebiete werden dafür in den Küstenstreifen und westlich der Insel Fehmarn neu eingerichtet. Weitere Flächen, die bereits als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen sind, sollen einen strengeren Schutzstatus erhalten. Auf diesen insgesamt rund 39.400 Hektar soll die Natur „im Wesentlichen ungestört“ bleiben, heißt es im Plan, der noch die örtlichen Beteiligungsverfahren durchlaufen muss.

In den Schutzzonen darf nicht mehr industriell gefischt werden, Stellnetze sind verboten, privates Strandangeln bleibt allerdings erlaubt. Auch Störungen durch Wassersport sollen dort, wo Vögel brüten oder rasten, nur noch zu bestimmten Zeiten erlaubt sein. Das Befahren mit Booten oder Wassersportgerät ist bis auf wenige Ausnehmen in den Schutzzeiten verboten. Einigen Menschen gingen das zu weit, sagte Günther. „Aber wer gar nichts mit Naturschutz verbinden kann und darauf beharrt, seinen Sport egal wo und egal mit welchem Motor zu betreiben, dem kann ich auch nicht helfen.“

Minister Goldschmidt hatte für einen Ostsee-Nationalpark gekämpft und verloren. Mit dem jetzigen Ergebnis ist er dennoch zufrieden: „Es ist der größte Schritt, den der Naturschutz der Ostsee je gemacht hat. Das macht mich zu einem glücklichen Meeresschutzminister.“ Munition werde aus dem Meer geholt, Schadstoffe allmählich abgebaut. Der Schweinswal werde profitieren, wenn Schleppnetze abgebaut würden und Tempolimits für Speedboote eingerichtet werden.

Zustimmung von den Regierungsparteien

„Wir schaffen erstmals echte Ruheoasen für eine europaweit einzigartige, marine Tier- und Pflanzenwelt.“ Das Bundesland übernehme „auch international Verantwortung“, so der Minister: „Schleswig-Holstein schreitet voran, davon wird der gesamte Ostseeraum profitieren.“ Das Programm sei damit in „von Krisen geprägten Zeiten ein Schritt der Hoffnung“.

Zustimmung kommt auch von beiden Regierungsparteien. Von einem „sehr, sehr guten Ergebnis“ spricht CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Anders als in einem Nationalpark seien auch „aktive Umweltschutzmaßnahmen“ möglich, etwa das Ansiedeln von Riffen oder Seegraswiesen. In der CDU-Fraktion habe es einen Lernprozess gegeben: „Wir sind nun tief im Thema drin und sind überzeugt, dass die Ostsee geschützt werden muss.“ Auf dem jüngsten CDU-Parteitag war die Idee eines Nationalparks einstimmig abgelehnt worden, die Grünen stimmten dagegen einhellig dafür.

Auf die Frage, wer diesen Streit verloren oder gewonnen habe, wollte sich der Grünen-Fraktionsvorsitzende Lasse Peterdotter nicht einlassen: „Es ist weder schwarz noch weiß, Hauptsache die Ostsee gewinnt.“ Noch nie sei so eine große Fläche der Ostsee unter Schutz gestellt worden. Auch das große Problem der Dünger-Einträge werde angegangen: Um 20 Prozent soll die Menge an Nährstoffeinträgen gesenkt werden, so Petersdotter.

Genau diesen Punkt sehen die Umweltschutzverbände kritisch. Denn Nitrate, Phosphor und andere Stoffe, die aus Kläranlagen und vor allem aus der Landwirtschaft stammen, sind das größte Problem für das flache Binnenmeer Ostsee. Im überdüngten Wasser vermehren sich Algen, sterben ab und werden nicht mehr zersetzt. So entstehen „Todeszonen“, in denen es weder Fische noch Pflanzen mehr gibt. „Der Ostsee geht es schlechter, als viele ahnen“, sagt Alexander Schwarzlose, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) in Schleswig-Holstein. Denn was sich unter Wasser abspiele, sei „eben nicht so sichtbar wie ein totes Bambi auf der Straße“.

Doch die Ziele der Landesregierungen, gerade was die Düngereinträge betreffen, gingen nicht weit genug: „Dass es weniger Einträge geben soll, ist keine neue Maßnahme, sondern EU-rechtlich festgelegt“, sagt Schwarzlose. „Man verspricht nun zu erfüllen, was man bisher versäumt hat umzusetzen. Das ist kein Umweltschutz!“

Kritisch sehen die Naturschutzverbände auch die Art, wie die Düngereinträge verringert werden sollen. So gibt es in Schleswig-Holstein keine Schutzstreifen an Bächen, Gräben und Auen – sie würden einen Teil des Düngers zurückzuhalten, meinen Fachleute. Auch im Rahmen des Aktionsplans sollen diese Streifen nicht verbindlich eingerichtet werden. Mit der Landwirtschaft wird eine „Zielvereinbarung“ abgeschlossen, dazu will das Landwirtschaftsministerium bis Jahresende ein Konzept vorlegen.

„Alles freiwillig und noch unterhalb der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie, das ist alles lau und lasch“, fasst Ole Eggers vom BUND Schleswig-Holstein zusammen. Doch trotz der Kritik sehen die Umweltverbände in der Größe der Schutzgebiete auch einen Schritt in die richtige Richtung.

Keine weiteren Debatten

Für die Oppositionspartei FDP geht der Schutz eher zu weit: „Wir fürchten, dass es der erste Schritt zu einem Nationalpark Ostsee ist“, sagt Fraktionschef Christopher Vogt. Dass sich die Grünen diesen Park mit seinem noch strengeren Schutzcharakter weiter wünschen, ist ein offenes Geheimnis. Doch bis zum Ende der laufenden Regierungszeit solle es keine weiteren Debatten darüber geben, sagte Lasse Petersdotter.

Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass Schleswig-Holsteins Beitrag allein nicht reichen wird. „Wir machen erste eigene Hausaufgaben, dann gehen wir auf Nachbarn zu“, sagt Goldschmidt. „Die Ostsee kriegt nur mit einem gemeinsamen Kraftakt die Kehrtwende hin.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.