Misstrauensvotum in Frankreich: Das Vertrauen ist futsch
Frankreich erwacht verkatert: Premierminister Michel Barnier ist abgesetzt. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen links und rechts führt ins Nichts. Macron muss Verantwortung übernehmen.
F rankreich erwacht mit einer Katerstimmung. Wie dies vor allem die Sympathisanten der Linken und der populistischen Rechten wollten, aber laut Umfragen auch eine Mehrheit der Französinnen und Franzosen wünschten, ist Michel Barnier als Premierminister abgesetzt worden.
Die Genugtuung dürfte auch bei den Parteien, die den Regierungschef mit einem Votum in der Vertrauensfrage zum Rücktritt gezwungen haben, von kurzer Dauer sein. So süß, wie sie sich das vielleicht vorgestellt hatten, schmeckt diese Rache nicht.
Die linke Neue Volksfront (NFP), die seit den letzten Wahlen im Juli in der Nationalversammlung den größten Block darstellt, war nachhaltig frustriert, weil nicht jemand aus ihren Reihen von Präsident Macron mit der Regierungsbildung beauftragt worden war.
Die Abrechnung mit der Notlösung Barnier, der mit seiner Koalition aus Macronisten und Konservativen keine regierungsfähige Mehrheit als Rückhalt besaß, musste früher oder später kommen. Die Absetzung des Premiers war bloß eine Frage der Zeit.
Populisten spielen Katz und Maus
Die Rechtspopulisten von Marine Le Pen dagegen spielten mit der Minderheitsregierung von Barnier von Beginn an Katz und Maus: Du gehst auf unsere Forderungen ein oder wir lassen dich fallen!
Wie häufig in einer Erpressung steigen die Tarife der verlangten Zugeständnisse. Der Premierminister hing von Marine Le Pens Duldung ab. Das hat ihn freilich nicht gerettet, sondern nur zusätzlich geschwächt.
Nun hat also Frankreich (vorerst) keine Regierung mehr, keinen Staatshaushalt für 2025, kein Programm für die kommenden Monate. Doch ein Machtvakuum existiert nicht, denn es bleibt an der Spitze dieser Republik ein Präsident, der notfalls gestützt auf Artikel in der Verfassung auch ganz alleine herrschen und den Staat weiter funktionieren lassen kann. Allerdings im Leerlauf. Es wäre im Interesse Frankreichs, aber auch der Eurozone, dass es nicht lange dabei bleibt.
Mit dem erzwungenen Abgang von Barnier wird der Präsident vor seine Verantwortung gestellt. Er kann nicht mehr den Premier vorschieben, der die ihm zugedachte Hiebe einstecken muss, oder sich auf die Parteien stützen, um seine Schwäche zu kaschieren.
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