Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach: 30.000 Verdächtige

Der Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach erreicht eine neue Dimension: Ermittler entdeckten Tarnnamen und Spuren von mehr als 30.000 Verdächtigen.

Eine Person mit Akte vor dem Gesicht vor Gericht.

Der Angeklagte Bastian S. aus Bergisch Gladbach vor Gericht, 30.000 weitere Tatverdächtige Foto: Roland Weihrauch/dpa

DÜSSELDORF dpa/afp | Im Zusammenhang mit dem Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach gibt es 30.000 unbekannte Tatverdächtige. Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach (CDU) sagte am Montag in Düsseldorf, es werde gegen so viele Verdächtige ermittelt. Dabei gehe es nicht nur um die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie, sondern auch um schweren Kindesmissbrauch.

Es handele sich um internationale pädokriminelle Netzwerke mit Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum. In Gruppenchats mit Tausenden Nutzern und in Messengerdiensten gingen die Täter wie selbstverständlich mit ihren Missbrauchstaten um, so Biesenbach. Sie heizten sich an und gäben sich Tipps, etwa, welche Beruhigungsmittel man Kindern am besten verabreiche, um sie sexuell zu misshandeln.

„Wer zögert, wird von den anderen ermutigt und bedrängt, seine Absichten in die Tat umzusetzen“, berichtete Biesenbach. In diesen Chats würden auch Verabredungen zum Missbrauch mehrerer Täter an einem Kind getroffen.

Es handele sich um eine „neue Dimension des Tatgeschehens“, sagte der Justizminister und bekannte: Ihm sei „speiübel geworden“. „Wir müssen erkennen, dass Kindesmissbrauch im Netz weiter verbreitet ist, als wir bisher angenommen haben.“

„Zutiefst verstörend“

Die Selbstverständlichkeit der Kommunikation über die Taten sei „in höchstem Maße irritierend“ und „zutiefst verstörend“, so der Justizminister. Es sei zu befürchten, dass in einer solchen Atmosphäre die Hemmschwellen sinken und auch solche Männer Missbrauchstaten begingen, die ohne entsprechendes Umfeld davor zurückgeschreckt wären.

Eine eigene „Task Force“ von Cyber-Ermittlern werde am Mittwoch die Arbeit aufnehmen. Sechs Staatsanwälte würden sich dann unter großem Zeitdruck zuerst um die Fälle bemühen, bei denen davon auszugehen ist, dass der Missbrauch von Kindern fortgesetzt werde.

Biesenbach kritisierte, dass es noch immer keine Pflicht zur Speicherung und Herausgabe der Verbindungsdaten gebe. Ob es in allen Fällen gelinge, die tatsächlichen Namen der Kriminellen zu ermitteln, sei daher unklar, sagte Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, Leiter der Cybercrime-Zentralstelle NRW.

In dem Komplex „BergischGladbach“ waren bisher bundesweit 72 Verdächtige identifiziert worden. Zehn waren zuletzt in U-Haft. Sieben Anklagen gegen acht Personen sind bereits erhoben worden. Der Fall war im Oktober 2019 mit der ersten Durchsuchung bei einem der Hauptverdächtigen in BergischGladbach bei Köln ins Rollen gekommen.

Der Komplex hatte noch im Juni täglich 120 bis 140 Ermittler beschäftigt, in der Spitze waren es sogar 350 Mitarbeiter. Die Verdächtigen sollen teilweise ihre eigenen Kinder missbraucht und Bilder der Taten getauscht haben. Ermittler werten seit Monaten riesige Datenmengen aus. Die Ermittlungen erstrecken sich längst auf sämtliche 16 Bundesländer.

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