Ministerin Klöckners Umgang mit Kritik: Argumente sind keine Hassrede
Die Reaktion der CDU-Politikerin auf die Kritik an ihrer Pestizidpolitik hintertreibt den Kampf gegen Hatespeech. Sie diffamiert sachliche Einwände.
S elten hat eine Politikerin den Kampf gegen Hass und Hatespeech so konterkariert wie Bundesernährungsministerin Julia Klöckner. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende warf kürzlich bei Twitter der Grünen-Politikerin Renate Künast vor, Nährboden für „Hatespeech“ zu bereiten. Man konnte den Tweet sogar so lesen, als ob sie Künast Beteiligung an Hassrede angekreidet hätte.
Was Hassrede bedeutet, weiß ausgerechnet Künast nur zu gut. Sie ist eine der prominentesten Vorkämpferinnen gegen Hassbotschaften im Internet. Mehrmals ist sie rechtlich gegen zum Beispiel eindeutig frauenfeindliche Beleidigungen und Verleumdungen vorgegangen. Sie selbst wurde immer wieder obszön beschimpft („Drecksf...“) und übelst falsch zitiert.
Das war „Hassrede“ – und damit hat Künasts aktuelle Kritik an der Politik der Ministerin nichts zu tun. Sie hatte nur den taz-Bericht mit dem Titel „Klöckner für Giftimporte“ verlinkt, wonach sich die CDU-Politikerin für die Zulassung von Lebensmittelimporten mit besonders gefährlichen, in der Europäischen Union verbotenen Pestiziden einsetzt. Dazu hatte Künast geschrieben: „Die Kinder schützen, nicht Konzerne. Was bei uns für giftig gehalten wird, ist auch giftig im Import.“ Klöckner hat also eine völlig legitime Meinungsäußerung diffamiert.
Besonders peinlich ist, dass die Ministerin in der Sache noch nicht einmal recht hat. Anders als sie bei Twitter im Brustton der Entrüstung behauptete, hat sie sich nämlich tatsächlich für neue Regeln eingesetzt, die die Genehmigung von Lebensmitteleinfuhren mit besonders schädlichen Pestiziden ermöglichen könnten. Sie verteidigte sich vor allem mit der Behauptung, dass die Behörden Anträge auf Einfuhrgenehmigungen für solche Waren bereits prüften, aber immer abgelehnt hätten. Am Donnerstag stellte sich nach taz-Recherchen heraus: Es sind noch gar keine Anträge gestellt und damit auch nicht entschieden worden. Klöckners zentrales Argument hat sich in Luft aufgelöst.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell