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Ministerin Klöckners Umgang mit KritikArgumente sind keine Hassrede

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Die Reaktion der CDU-Politikerin auf die Kritik an ihrer Pestizidpolitik hintertreibt den Kampf gegen Hatespeech. Sie diffamiert sachliche Einwände.

Klöckners zentrales Argument hat sich in Luft aufgelöst Foto: Julian Stratenschulte/dpa

S elten hat eine Politikerin den Kampf gegen Hass und Hatespeech so konterkariert wie Bundesernährungsministerin Julia Klöckner. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende warf kürzlich bei Twitter der Grünen-Politikerin Renate Künast vor, Nährboden für „Hatespeech“ zu bereiten. Man konnte den Tweet sogar so lesen, als ob sie Künast Beteiligung an Hassrede angekreidet hätte.

Was Hassrede bedeutet, weiß ausgerechnet Künast nur zu gut. Sie ist eine der prominentesten Vorkämpferinnen gegen Hassbotschaften im Internet. Mehrmals ist sie rechtlich gegen zum Beispiel eindeutig frauenfeindliche Beleidigungen und Verleumdungen vorgegangen. Sie selbst wurde immer wieder obszön beschimpft („Drecksf...“) und übelst falsch zitiert.

Das war „Hassrede“ – und damit hat Künasts aktuelle Kritik an der Politik der Ministerin nichts zu tun. Sie hatte nur den taz-Bericht mit dem Titel „Klöckner für Giftimporte“ verlinkt, wonach sich die CDU-Politikerin für die Zulassung von Lebensmittelimporten mit besonders gefährlichen, in der Europäischen Union verbotenen Pestiziden einsetzt. Dazu hatte Künast geschrieben: „Die Kinder schützen, nicht Konzerne. Was bei uns für giftig gehalten wird, ist auch giftig im Import.“ Klöckner hat also eine völlig legitime Meinungsäußerung diffamiert.

Besonders peinlich ist, dass die Ministerin in der Sache noch nicht einmal recht hat. Anders als sie bei Twitter im Brustton der Entrüstung behauptete, hat sie sich nämlich tatsächlich für neue Regeln eingesetzt, die die Genehmigung von Lebensmitteleinfuhren mit besonders schädlichen Pestiziden ermöglichen könnten. Sie verteidigte sich vor allem mit der Behauptung, dass die Behörden Anträge auf Einfuhrgenehmigungen für solche Waren bereits prüften, aber immer abgelehnt hätten. Am Donnerstag stellte sich nach taz-Recherchen heraus: Es sind noch gar keine Anträge gestellt und damit auch nicht entschieden worden. Klöckners zentrales Argument hat sich in Luft aufgelöst.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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