Ministerien heizen weiter mit Erdgas: Russland wärmt Füße der Regierung
Die Politik mahnt zum Energiesparen, der Druck für ein russisches Gas-Embargo wächst. In den Ministerien aber wird weiter mit eben diesem Gas geheizt.
An ihre eigenen Mitarbeitenden richtet die Bundesregierung solche Appelle aber nur vereinzelt. Eine Befragung aller Ministerien durch die taz ergab, dass nach Beginn des Krieges nur in wenigen Ressorts das Personal dazu aufgerufen wurde, die Raumtemperatur zu senken.
So wurden Beschäftigte des Gesundheitsministeriums am 16. März an den Standorten Bonn und Berlin darum gebeten, ein „besonderes Augenmerk auf ihr Heizungs- und Lüftungsverhalten zu legen und am Arbeitsplatz Möglichkeiten zum Energiesparen zu nutzen“.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung prüft nach eigenen Angaben „in Abstimmung mit der Vermieterin“ eine Absenkung der Raumtemperatur um ein Grad Celsius. Damit würde die „unterste Temperaturstufe von 20 °C“ gemäß der Regeln für Arbeitsstätten erreicht. Auf die Nachfrage, ob die Maßnahme bereits erfolgt sei, kam bis zum Redaktionsschluss keine Rückmeldung.
Ein solcher Appell sei „nicht zulässig“
Im Wirtschaftsministerium von Habeck selbst gab es nach Kriegsbeginn keinen entsprechenden Aufruf. Laut eines Sprechers werden die Mitarbeiter:innen für den Energieverbrauch und das Heizverhalten sensibilisiert, indem sie regelmäßig über einen Newsletter „ein breites Angebot an Informationen“ erhalten.
Die Sprecherin des Bundesministeriums für Wohnen und Stadtentwicklung erklärte, dass die Lufttemperatur in den Arbeitsräumen „mindestens +20 °C“ betrage und „26 Grad Celsius nicht überschreiten“ dürfe. Es gäbe „aufgrund der derzeitigen Außentemperatur“ auch „keine Vorgabe, die Temperatur zu senken“. Eine solche Vorgabe sei im Übrigen „auch nicht zulässig“. Auch in den übrigen Ministerien wurden keine Maßnahmen getroffen.
Die Befragung ergab, dass zwölf der 15 Ministerien ihre Räume durch Fernwärme heizen. Fünf dieser Ministerien gaben überdies an, ihre Fernwärme über Vattenfall zu beziehen. Die übrigen Ministerien wollten keine konkreten Angaben zu ihrem Versorger geben. Vattenfall selbst wollte gegenüber der taz keine Aussage über seine Kund:innen treffen.
Ölheizung soll zu Erdgas werden
Insgesamt betreibt Vattenfall in Berlin neun Heizkraftwerke, wovon zwei mit Steinkohle und sechs mit Erdgas befeuert werden. Das Heizkraftwerk Mitte ist eines der sechs Kraftwerke, das seine Kund:innenschaft mit aus Erdgas produzierter Wärme versorgt. Da in der Regel der nächstgelegene Standort für die Einspeisung verantwortlich ist und sämtliche Standorte der Berliner Ministerien im Stadtzentrum liegen, liegt die Vermutung nahe, dass die Ministerien ebenfalls mit Wärme aus Erdgas versorgt werden. Das zweitnächstgelegene Heizkraftwerk in Moabit wird mit Steinkohle betrieben.
Das Ministerium für Bildung und Forschung gab gegenüber der taz lediglich an, dass in den Dienstsitzen in Bonn und Berlin der „Energieträger Erdgas zur Wärmeerzeugung“ genutzt werde. Ob es sich ebenfalls um Fernwärme oder um eigene Heizanlagen handelt, ließ es offen. Das Bundeskanzleramt verfügt aktuell noch über eine Ölheizung. Eine Regierungssprecherin erklärte aber, dass man „künftig die Wärmeversorgung von Heizöl auf Fernwärme“ umstellen wolle.
Gänzlich abweichende Methoden verwenden das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz (BMUV) sowie das Ministerium für Inneres und Heimat (BMI). Das BMUV erklärte, dass das Gebäude in Bonn mit Fernwärme geheizt werde, der Sitz in Berlin aber ein Passivhaus sei und „mit Abwasserwärme sowie mit Wärmepumpen beheizt“ werde. Die Sprecherin des BMI äußerte gegenüber der taz, dass die Büroräume „grundsätzlich mit Geothermie und Abwärme von technischen Anlagen“ und „lediglich in besonders kalten Zeiten“ mit Fernwärme geheizt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag