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Mindestlohn in Deutschland6,6 Millionen Menschen profitieren von Erhöhung

Zum Jahreswechsel könnten rund 6,6 Millionen Menschen vom höheren Mindestlohn profitieren. Besonders Frauen und Beschäftigte in Ostdeutschland wären betroffen.

Der Mindestlohn steigt bis 2027 auf 14,60 Euro Foto: imago

Wiesbaden epd | Nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes werden bis zu 6,6 Millionen Menschen davon profitieren, wenn der Mindestlohn zum Jahreswechsel auf 13,90 Euro pro Stunde steigt. Bei der Verdiensterhebung vom April 2024 lag etwa jedes sechste Beschäftigungsverhältnis (rund 17 Prozent) rechnerisch unterhalb dieser Marke, wie das Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte.

Bei der Schätzung wurde angenommen, dass alle Beschäftigten, die weniger als den neuen Mindestlohn von 13,90 Euro verdienten, mindestens den derzeit gültigen Mindestlohn von 12,82 Euro erhalten. Weitere Lohnsteigerungen nach April 2024 wurden vom Bundesamt nicht berücksichtigt. Bei gleichbleibender Beschäftigtenzahl und -struktur seien die Ergebnisse daher überschätzt und somit als Obergrenzen zu verstehen, hieß es.

Zudem profitieren Frauen überdurchschnittlich häufig von der Mindestlohnerhöhung: In rund 20 Prozent der von Frauen ausgeübten Jobs erhöhe sich der Stundenverdienst, bei Männern seien es nur rund 14 Prozent. Auch im Vergleich von Ost und West zeigten sich den Statistiker zufolge Unterschiede: In Ostdeutschland liege der Anteil der betroffenen Beschäftigungsverhältnisse mit rund 20 Prozent deutlich höher als in Westdeutschland mit rund 16 Prozent.

Die mit Arbeitgebervertretern und Gewerkschaftern besetzte Mindestlohnkommission hatte Ende Juni eine Lohnuntergrenze von 13,90 Euro pro Stunde ab 2026 und von 14,60 Euro ab 2027 empfohlen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) kündigte an, der Empfehlung folgen zu wollen.

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10 Kommentare

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  • "6,6 Millionen Menschen profitieren von Erhöhung"



    Ein Zyniker würde sagen "ausser denen die ihren Job deswegen verlieren".

  • Sehr gut: ABER:



    Das sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen, 6,6 Mio. Menschen arbeiten bereits im Bereich des gestz. Mindestlohnes und würden massiv von 13,90 Euro pro Stunden profitieren.

    Das bedeutet, dass 6.6 Mio. Arbeitnehmer im Bereich eines Armutslohns arbeiten und dass sie und ihre Familien eventuell ergänzende Sozialleistungen (Wohngeld, Aufstockung) benötigen, um überhaupt zu diesen Tarifen arbeiten gehen zu können.



    Und wenn diese Menschen mit 67 Jahren in Rente gehen, dann wird es bei vielen nicht reichen, dann werden sie trotzdem Sozialleistungen beanspruchen müssen und sich bei den Tafeln registrieren müssen.

    Dass Friedrich Merz ausgerechnet Menschen, die Sozialleistungen beanspruchen, so in den Vordergrund rückt, zeigt, wie beschissen diese neue Regierung sozial agiert.

    Es zeigt eine sehr anti-soziale Grundhaltung und die sozialen Verwerfungen werden wir irgendwann alle merken und spüren.



    Es bedeutet doch, dass Menschen trotz Arbeit verarmen oder im Bereich der Armut leben.

    Laut parität. Wohlfahrtsverband leben schon 13 Mio. Menschen in Armut. Dass diese Menschen durch Arbeit der Armut entkommen, gilt wohl nur noch für Studenten.

  • Ich fände es interessant zu erfahren, wer durch den Mindestlohn Nachteile erfährt. Einmal wäre zu fragen, wieviel von der Lohnerhöhung in höhere Preise übergewälzt wird - die dann alle tragen müssen, auch Menschen, die nicht von höheren Löhnen profitieren (z.B. Transferleistungsempfänger oder Selbstständige). Zweitens wie hoch die Durchsetzungskosten des Mindestlohns sind, die ja auch die Steuerzahler alle tragen müssen.

  • Das bedeutet doch nichts anderes, als das 6,6 Millionen Menschen in diesem Land Mindestlohnempfänger sind. Pfui Deibel!

  • "Die Inflation wird durch eine Steigerung des Mindestlohnes indirekt angeheizt: Denn in der Vergangenheit sind bei einer Erhöhung des Mindestlohns stets alle anderen Lohngruppen angehoben worden, um einen Abstand zu wahren.



    Das löst einen allgemeinen Lohndruck aus, der sich wiederum auf die Preisentwicklung auswirkt."



    Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank

    Ich befürworte einen höheren Mindestlohn, kenne mich mit der Materie aber zu wenig aus und vernehme in letzter Zeit immer öfter Stimmen (auch in meinem persönlichen Umfeld), die mir sagen, dass ein höherer Mindestlohn auch zu höheren Preisen führt, da die Firmen, welche den höheren Mindestlohn dann zahlen müssen, dies über Preissteigerungen an ihre Kunden weiter geben. Im Endeffekt hätte dann niemand etwas von dem höheren Mindestlohn, da die Ausgaben ja dann auch steigen. Klingt erstmal plausibel für mich, ich fürchte aber ganz so einfach ist es nicht. Kennt sich hier jemand aus?

    • @PartyChampignons:

      In erster Linie betrifft das Branchen mit niedrigen Löhnen wie Gastronomie, Reinigung oder Lagerarbeit. Nur ein kleiner Teil der Beschäftigten verdient überhaupt den gesetzlichen Mindestlohn, weniger als zehn Prozent. Die direkten Auswirkungen halten sich also in Grenzen.

      Und nicht jede Firma kann gestiegene Löhne einfach an die Kunden weitergeben. In vielen Bereichen herrscht starker Preisdruck. Unternehmen müssen eher effizienter arbeiten als einfach alles teurer zu machen.

      Auf der anderen Seite gibt es klare Vorteile. Wer mehr verdient, kann auch mehr ausgeben. Das stärkt die Nachfrage im Land und bringt die Wirtschaft in Schwung.

      Die Inflation, die wir gerade sehen, hat wenig mit Löhnen zu tun. Es sind eher die Energiepreise, die geopolitische Lage und Probleme bei Lieferketten, die die Preise treiben.

      Außerdem spart der Staat Geld, wenn weniger Menschen auf zusätzliche Hilfe angewiesen sind. Unternehmen übernehmen mehr Verantwortung für faire Löhne und nicht mehr der Steuerzahler.

      Unterm Strich geht es darum, Armut zu verringern und die Wirtschaft von innen heraus zu stärken. Und dafür ist ein höherer Mindestlohn ein sinnvolles Mittel.

      • @Hans-Peter Wagner:

        Also wenn es um die Stärkung der Binnennachfrage oder um Armutsbekämpfung geht, gibt es wesentlich bessere Mittel als den Mindestlohn. Der erreicht ja nur einen Teil der Bevölkerung. Man würde mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen ALLE erreichen - und auch mit einem Klimageld oder einem Mehrwertsteuerbonus (ausbezahlter Freibetrag für die MwSt.), es wurde auch mal "Helikoptergeld" diskutiert.



        Der Mindestlohn zementiert die Fetischisierung der Lohnarbeit ("Sozial ist, was/wer Arbeit schafft.") und führt damit in Sachen Armutsbekämpfung letztlich in die Irre.

    • @PartyChampignons:

      Im Prinzip ja, nominale Lohnerhöhungen ohne gleichzeitige Erhöhung der Produktivität werden durch Inflation wieder aufgefressen. Das gilt aber für alle Arbeitnehmer.

      Speziell für Minderqualifizierte stellt sich die Frage: auf welche Jobs kann man verzichten. In Japan z.B. sehen Sie viele einfache Servicejobs im ÖPNV, da stehen auch an kleinen U-Bahnhöfen Mitarbeiter für Auskunft und Hilfe, im Zug ist viel Personal unterwegs, die Bahnhöfe sind blitzblank geputzt. Der Mindestlohn ist da bei 6,50EUR, die Arbeitslosenquote bei 2,5%.



      Bei uns dagegen eher Servicewüste. Jeder Job steht zur Debatte; braucht's das oder kann das weg.

      • @Descartes:

        Auch das ist mir bei der Mindestlohn-Diskussion nicht klar: Ist es sinnvoll, bestimmte Jobs einfach zu verbieten, wenn diese sich zum Mindestlohn nicht rechnen? Werden die dann a) garnicht oder b) ehrenamtlich gemacht?



        Marcel Fratzscher, DIW-Ökonom, sagt, dass dadurch "unwirtschaftliche Jobs" abgeschafft werden, aber warum sind Arbeiten, die schlecht oder unbezahlt verrichtet werden, per se "unwirtschaftlich"? Dann könnten wir ja auch die komplette unbezahlte Sorgearbeit einfach sein lassen, oder?

    • @PartyChampignons:

      Ich denke mir, wenn ein CEO oder ein Banker etwas sagt, dann ist das Gegenteil in meinem Interesse.