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Milliardenloch im HaushaltDGB-Chefin will weg vom Sparkurs

Das Milliardenloch im Bundeshaushalt muss gestopft werden. Yasmin Fahimi, DGB-Chefin, spricht sich deshalb für eine Reform der Schuldenbremse aus.

DGB-Chefin Fahimi beim SPD-Parteitag: Keine einfachen Lösungen für den Haushalt Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin dpa/taz | DGB-Chefin Yasmin Fahimi pocht angesichts des großen Bedarfs an öffentlichen Investitionen in Deutschland auf eine überparteiliche Anstrengung zur Reform der Schuldenbremse. „Der Investitionsstau der vergangenen Jahrzehnte muss abgebaut werden“, sagte Fahimi in Berlin. „Ich halte deshalb einen neuen, parteiübergreifenden Konsens in Sachen Schuldenregelung und Sondervermögen für dringend notwendig.“

Die Vorsitzende des Gewerkschaftsbunds forderte „eine sehr grundsätzliche Reform“ der Schuldenbremse. „In ihrer jetzigen Form ist sie zukunftsblind und wirkt kontraproduktiv.“ Zumindest sollten sich die demokratischen Parteien im kommenden Jahr auf einen Sonderfonds für Investitionen in die Infrastruktur verständigen, der im Grundgesetz abgesichert werden solle. „Das hat dann den Charakter eines neuen Generationenvertrages: Heute stellen wir kreditfinanzierte Investitionen sicher, damit daraus künftig umso mehr Wohlstand entstehen kann.“

Für die Umsetzung dieser Vorschläge wäre aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig, die angesichts der ablehnenden Haltung von Union und FDP zu solchen Schritten nicht absehbar ist. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im November die Umwidmung von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt hatte, waren Milliardenlöcher im Bundeshaushalt entstanden. SPD, Grüne und FDP einigten sich nach wochenlangem Streit schließlich auf ein umfassendes Sparpaket.

Fahimi mahnte: „Wer sich nur in billige Sparappelle flüchtet, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, einem zerstörerischen Populismus den Boden zu bereiten.“ Sie habe keine Zweifel daran, dass die Koalition weiter Bestand haben werde. „Ich hoffe allerdings sehr, dass die Ampel-Parteien im neuen Jahr die Kraft aufbringen, entschlossen auf dem Weg weiterzugehen, den sie mit der Regierungsbildung 2021 eingeschlagen hatten, nämlich eine Koalition des Fortschritts für alle sein zu wollen.“

„Wir brauchen Akzeptanz der Bevölkerung“

Deutschland stehe in einem historischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft – und das mitten in anhaltenden Krisen der Welt. Klimaneutralität müsse so erreicht werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie-Standorte erhalten bleibe. „Gleichzeitig brauchen wir dafür Akzeptanz in der und Fortschritt für die gesamte Bevölkerung.“

„Wir haben einen Riesen-Nachholbedarf in der Infrastruktur unseres Landes“, sagte Fahimi. Dies betreffe Schulen und Kitas, das Pflege- und Gesundheitssystem, die Straßen und alle Formen der Mobilität. „Diesen Modernisierungsstau müssen wir auflösen, während zeitgleich die Jahrhundertaufgabe der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft gelöst werden soll.“

Unter anderem der Ausbau von Stromleitungen, der Aufbau von Wasserstoffnetzwerken und ein attraktives System öffentlicher Mobilität brauche ausreichende Finanzierung. „Dabei geht es vor allem um die nächsten 10 bis 20 Jahre“, sagte Fahimi. „Um all das zu schaffen, müssen jetzt alle demokratischen Kräfte zusammenwirken, die in unserem Land Verantwortung tragen.“

Öffentliche Förderungen sollten an Standortvereinbarungen und Tarifverträge gebunden sein. „Die Wirtschaft muss wissen, was der Bauplan Transformation bis 2030 vorsieht, aber auch bereit sein, sich auf verbindliche Verabredungen und eigene Investitionen einzulassen“, sagte Fahimi. „Wenn so ein Sonderfonds zur Transformation eingerichtet ist, kann sich der Staat in seinem Kernhaushalt auch wieder darauf konzentrieren, wie mit den normalen Steuereinnahmen eine gute Staatstätigkeit finanziert werden kann.“

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16 Kommentare

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  • Wie wohltuend ausufernde Staatsschulden für eine Volkswitschaft und die einzelnen Bürger sind und zu welch skandalöser Verelendung solides Wirtschaften führt, kann man beispielhaft an Argentinien und der Schweiz ablesen.

  • Ich könnte mich mit der Schuldenbremse anfreunden.

    Wenn endlich die Steuern bei grossen Einkommen erhöht würden!

    Wenn endlich eine anständige Vermögenssteuer eingeführt würde!

  • Der DGB sollte mal dafür sorgen, dass die unteren Gehaltsklassen mehr bekommen. Durch ihre prozentualen Abschlüsse geht die Gehaltsschere immer weiter auseinander.

  • Von welchem umfassenden Sparpaket wird da gesprochen?

  • Sie hat vollkommen recht!

  • Es ist klar, daß die ehemalige SPD Funktionärin hier die SPD Positionen vertritt.



    Eine Reduktion auf die Kernaufgabe der Gewrkschaften ist begrüßenswert.



    Wenn sich schon die SPD von der Arbeiterschaft Loslösung, so sollten es die Gewerkschaften nicht gleich tun.

    • @Demokrat:

      "Eine Reduktion auf die Kernaufgabe der Gewrkschaften ist begrüßenswert."

      Was sind denn Ihrer Meinung nach die Kernaufgaben von Gewerkschaften?

      Meiner Ansicht nach die Verbesserung der LEBENS- und ARBEITSbedingungen. Dazu gehört auch eine funktionierende Daseinsvorsorge von der alle profitieren. Schwimmbäder für alle und nicht nur für Reiche der eigene Pool. Gute Bildung für alle und nicht Privatschulen für Reiche.



      Deshalb setzen sich Gewerkschaften nicht nur für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen ein, sondern für Lebensbedingungen, weil Daseinsvorsorge eben nicht jeder alleine organisieren kann.



      Die Schuldenbremse ist eine neoliberale Erfindung, die abgeschafft gehört. Man kann froh sein, dass es der SPD und den Grünen langsam dämmert, dass sie sich selbst ein Bein gestellt haben. Der große Erkenntnisdurchbruch scheint aber noch nicht angekommen zu sein.

      • @Hans Dietrich:

        Und genau hier bin ich anderer Meinung.



        Die Gewerkschaften sollen das Beste für Die Arbeiterschaft erzielen.



        Für mehr sls das sind die jeweiligen Parteien zuständig.



        Ich sehe diesen Trend leider fast überall.



        Die EZB legt auch prio auf Klima und nicht auf die Kernaufgabe



        Das ist gefühlt verständlich, aber solche Komptenzüberschreitungen werden katastrophal enden

  • Frau Fahimi ist ist Mitglied der SPD und hatte hohe Ämter in der SPD inne. Bis 2022 war sie Mitglied des linken Flügels der Bundestagsfraktion. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

  • Wir haben die letzten 20 Jahre bei brummender Wirtschaft und Rekordsteuereinnahmen das Geld lieber verprasst und schwere Fehler gemacht, die uns nun teuer zu stehen kommen. Aber statt die Fehler zu korrigieren, will man sie schuldfinanziert aussitzen? Fuer die nachfolgenden Generationen sowie fuer das Klima waere es von Vorteil diesem ganzen Irrsinn den Geldhahn zuzudrehen.

  • Ich kann es nicht mehr hören, dass mehr Schulden hermüssen, weil das Geld nicht reicht!

    Es sind Unmengen an Geld, es wird nur für viel Sinnfreies eingesetzt. Allein die ganze zusätzliche Verwaltung für jeden Sch…: Bürgergeld? Braucht man, warum auch immer, 3.500 neue Verwaltungsstellen. Die Liste hört nicht auf. Es wird in diesem Bereich immer nur aufgebaut, weil es D nicht schafft zu digitalisieren.



    Abgesehen davon wäre es mal sinnvoll, den Spitzensteuersatz auf den Wert zu Kohl‘s Zeiten heraufzusetzen. Damals ist auch niemand daran zugrunde gegangen.

    Letztendlich liegt es m.M. nach zum größten Teil daran, dass sich das ganze Personal der Politik, der Gewerkschaften und Verbände nur noch aus Menschen rekrutiert, die ausschließlich Verwaltung und Verwalten kennen - oder noch nicht mal das.

    • 6G
      690420 (Profil gelöscht)
      @Heideblüte:

      Warum ist Bürgergeld der letzte Scheiß? Die neuen Stellen, die Sie ansprechen, werden nicht fürs Bürgergeld sondern für die Kindergrundsicherung aufgebaut. Bin ich dabei, dass man es nicht benötigt.

      Trotzdem sind Investitionen über den regulären Staatshaushalt hinaus notwendig. Besonders dann wenn dank Union, FDP und SPD jahrelang alles kaputt gespart wurde.

      • @690420 (Profil gelöscht):

        Was die FDP damit zu tun hat erschließt sich mir nicht ganz schließlich ist sie auch erst jetzt wieder in der Regierung.



        Unabhängig davon wird mit der Schuldenaufnahme einzige eine riesige Umverteilung von allen an die obere Schicht erzielt.



        So ziemlich alles im KTF geht in die Richtung, ob das Milliardengeschenke an Unternehmen sind, welche das über dividende an die Aktionäre ausschütten oder eine Modernisierung mit der Gießkanne, bei der es unerheblich ist, ob sie eine Immobilie besitzen in der sie wohnen oder über 100 haben die sie vermieten. Das schöne ist sie dürfen dann auch noch die Umlage für die Modernisierung für die Vermieter erhöhen von 8 auf 10 Prozent.



        Den größten finanziellen Mehrwert von einer guten Bildung, guten Infrastruktur, gutes Gesundheitssystem sind die Firmen und alle die dort weit über Durchschnitt verdienen.

        Gesundheitssystem ist auch ein guter Punkt, wenn man bedenkt wie die pharmalobby die Preise festsetzt oder das starts Forschung und Entwicklung einfach vielversprechende startups aufgekauft werden, welche sich aus der Universität ausgegründet. Die Allgemeinheit zahlt die Ausbildung und die Firmen kaufen sich das günstig ein.



        Es wäre an der Zeit, dass man nicht Schulden aufnimmt sondern die Menschen sich beteiligen die auch von dem System hier überproportional profitieren. Ein Rechtssystem und Rechtssicherheit sind nämlich auch nicht überall auf der Welt einfach zu finden, genauso wenig dass man ohne Angst auf der Straße laufen kann.

        Und wenn man keine Steuern erhöhen möchte, könnte man die über 100 Milliarden die auf kreative Weise pro Jahr nicht gezahlt werden anfangen einzunehmen.

        Da hat aber anscheinend weder FDP /cdu/SPD und Grüne Interesse dran. Wer will schon seinen Freunden in der gleichen Schicht ans Bein pin.. N?

        Wenn dann noch Geld gebraucht wird, wäre ich sofort damit einverstanden, aber solange dass aus reiner Bequemlichkeit geschieht, finde ich es unvernünftig bis beschämend.

        • @Hitchhiker:

          Das beste:



          Wer leiht dem Staat Geld, und das noch für eine ordentliche Rendite?



          Doch ganz bestimmt nicht die Armen und bedürftigen....

  • Die Schuldenbremse ist wichtig damit die nachfolgenden Gerneration nicht noch mehr von unseren Schulden abbauen müssen.

    Warum kürzt man nicht die Entwicklungshilfe konsequent auf 0 ! Dann hat man genug Geld auch alle NGO könnte man mal ohne staatliche Subventionen laufen lassen, dann gibt es langfristig auch nur noch die die von der Bevölkerung gewünscht werden.

    Wenn man trotzdem noch Entwicklungshilfe zahlen will, dann nicht an z.B. Milliarden an Länder wie Indien die ein Weltraumprogramm zu Mond damit finanzieren! Auch müsste eine Bedigung für Entwicklungshilfe sein, uneingeschränkte Zusammenarbeit bei der Rücknahme von illegalen abgelehntenAsylbewerbern! Das wäre alles effektiver als die Schuldenbremse aufzuweichen