Mikrozensus des Statistischen Bundesamts: Gute Zahlen, kein Erfolg

Knapp Dreiviertel der Deutschen können laut Zahlen zwar von ihrer Arbeit leben. Vor allem Frauen müssen sich aber mit Teilzeitjobs begnügen.

Ein Glas mit der Aufschrift "Tip", also "Trinkgeld"

Von Trinkgeld sollte niemand abhängig sein Foto: unsplash/ Sam Truong Dan

Sieben von zehn Erwachsenen bestreiten ihren Lebensunterhalt heute weitgehend durch ihren Job, meldete das Statistische Bundesamt am Montag. Das sind rund 72 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland. Oder in konkreten Zahlen ausgedrückt: 37 Millionen Menschen können von ihrer Arbeit mehr oder weniger gut leben und sind nicht auf staatliche Sozialtransfers angewiesen.

Vor 18 Jahren, im Jahr 2000, sah das noch anders aus. Damals sicherte die eigene Erwerbsarbeit die Existenz von rund 63 Prozent der Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 64 Jahren: gut 33 Millionen Menschen.

Was nach einigermaßen ausgeglichenem Arbeitsmarkt aussieht, stellt sich bei genauerer Betrachtung nicht mehr ganz so brillant dar. Zum einen gibt es erhebliche Unterschiede bei den Geschlechtern: Während heute 78 Prozent der Männer von ihren Jobs ernährt werden, sind es bei den Frauen nur etwa 66 Prozent.

Das ist zwar etwas besser als noch im Jahr 2000. Damals lebte knapp die Hälfte der arbeitenden Frauen von ihrer Arbeit (bei den Männern waren es 74 Prozent). Damals war aber auch rund ein Drittel der Frauen auf das Geld des Ehemannes oder Partners angewiesen. Heute sind das knapp 19 Prozent, also etwas weniger. Aber wer will schon vom Partner abhängig sein?

Zum anderen ist der Arbeitsmarkt mitnichten innerhalb weniger Jahre zu einem Sozial- und Genderparadies mutiert. Im Gegenteil: Die gestiegene Erwerbsquote der Frauen ist der gestiegenen Zahl an Mini- und Teilzeitjobs geschuldet. So gab es 2007 laut Bundesarbeitsagentur gut 4 Millionen teilzeitarbeitende Frauen. Zehn Jahre später waren es schon über 7 Millionen. Die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen indes ist gleichgeblieben. Die Teilzeitquote bei Männern hingegen ist nur marginal gestiegen.

Wir müssen reagieren

Reaktionen gab es keine. Niemand meldete sich zu Wort. Weder eine Politikerin der Linkspartei noch jemand von den Grünen oder von der Partei mit dem sozialen Ambiente, SPD. Auch niemand von CDU, CSU, FDP kommentierte die Zahlen. Nicht einmal, um die eigene politische Agenda zu bestätigen: Schaut her, es braucht gar keine Quotengesetze und auch keine gesetzlichen Vorgaben für Teilzeit und Vollzeit. Alles Quatsch. Regelt der Markt doch von ganz allein.

Also müssen wir reagieren – und fordern: Weg mit den Minijobs und her mit der sozialen und finanziellen Aufwertung von Jobs im Care- und Dienstleistungssektor, eine offenbar nachhaltige weibliche Domäne. Her mit mehr Kitaplätzen, um unkompliziert Beschäftigung für alle zu ermöglichen. Her mit mehr Familienarbeitszeit und mehr Teilzeit auch für Männer.

Umfragen zeigen seit Jahren: Frauen wollen im Durchschnitt mehr arbeiten, insbesondere die Teilzeitbeschäftigten, und Männer weniger. Das macht alle glücklicher und gewährleistet soziale Teilhabe und Anerkennung – ein nicht zu gering zu schätzender Nebeneffekt der Erwerbsarbeit.

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