Miese Umfragewerte der AfD: Traut Höcke sich diesmal?

Björn Höcke könnte für den AfD-Parteivorstand kandidieren. Vor der NRW-Wahl wächst in Teilen der Partei die Sorge vor einem Desaster.

Björn Höcke hält eine Rede beim Delegiertenparteitag am 7.5. in Thüringen

Macht er ernst? Höcke liebäugelte auf dem Thüringer Delegiertenparteitag mit der Vorstandskandidatur Foto: Bodo Schackow/dpa

BERLIN taz | Die extrem rechte AfD kommt nach dem katastrophalen Ergebnis bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein nicht zur Ruhe. Auch am Dienstag gingen die Sticheleien zuverlässig weiter: Schon kurz nach 8 Uhr im Morgenmagazin der ARD forderte der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen den Thüringen-Chef Björn Höcke heraus, indem er diesen darauf hinwies, dass er sich ja doch nicht traue, für ein wichtiges Amt außerhalb Thüringens zu kandidieren.

„Ich fordere meinen Parteifreund Björn Höcke jetzt auf, doch als Bundesvorsitzender zu kandidieren“, so Lucassen. Es reiche nicht, aus Thüringen mit Hinweisen auf der Metaebene zu kommen, nach seinen vagen Ankündigungen solle Höcke doch mal „Tacheles“ reden.

Es ist die Flucht nach vorne vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, von der einige befürchten, dass sie ähnlich desaströs ausgehen könnte wie Schleswig-Holstein, wo die AfD aus dem Parlament flog. In Umfragen liegt die Partei in NRW zwischen 6 und 8 Prozent. Nicht wenige AfD-Mitglieder im Westen, die sich gerne einem bürgerlichen, national-konservativen Spektrum zurechnen, hatten den Russlandkurs unter anderem des Parteivorsitzenden Tino Chrupalla sowie die radikale völkische Strömung verantwortlich gemacht für das schlechte Abschneiden in Schleswig-Holstein.

Als bewussten Affront werteten einige dabei, dass der Rechtsextremist Höcke, inoffizieller Kopf der Völkischen, einen Tag vor der Schleswig-Holstein-Wahl mal wieder Interesse an einer Kandidatur für den Bundesvorstand durchblicken ließ.

„Inkompetenz“ und „Versagen“

Ost-Vertreter*innen, vorzugsweise aus dem völkischen Spektrum, führen das schlechte Ergebnis dagegen auf die internen Streitigkeiten in Schleswig-Holstein zurück. Der Bundestagsabgeordnete und Partei-Vize Stephan Brandner, ebenfalls aus Thüringen, verwies etwa höhnisch auf die eigenen, deutlich besseren Ergebnisse in völkisch dominierten Landesverbänden. Er finde es ganz prima, dass man im Juni einen Bundesparteitag habe, auf dem man sich über den Kurs austauschen könne, so Brandner.

Laut dem Thüringer parlamentarischen Geschäftsführer Torben Braga dokumentierten Schuldzuweisungen an Höcke nur die „eigene Inkompetenz“ und „vollumfängliches Versagen“ der Kri­ti­ke­r*in­nen im Westen.

Dennoch spricht vieles dafür, dass Lucassen recht behält und Höcke weiterhin in Thüringen in Deckung bleibt: Höcke hatte schon häufiger Andeutungen gemacht, fürs höchste Parteigremium kandidieren zu wollen, es war allerdings immer nur bei leeren Ankündigungen geblieben. Angetreten für den Bundesvorstand, geschweige denn für den Posten als Parteichef ist er nie. Wohl auch aus Angst, keine Mehrheit zu bekommen.

Allerdings sprechen auch ein einige Argumente dafür, dass Höcke diesmal ernst machen könnte: So ist die AfD kontinuierlich weiter nach rechts gerückt: Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist ohnehin bereits gerichtlich bestätigt, inklusive mittlerweile veröffentlichter umfassender Urteilsbegründungen. Jörg Meuthen, ehemals einflussreichster Gegenspieler der Völkischen, ist nach Flügelkämpfen resigniert ausgetreten.

Weiterhin viel Verständnis für Putin

Hinzu kommt, dass auch der Rechtsextremist Andreas Kalbitz weiter auf seine baldige Rückkehr in die Partei hofft. Er gilt als Höcke-Intimus und ist trotz seines Parteiausschlusses noch immer einflussreicher Strippenzieher bei den Völkischen. Für eine Rückkehr in die Partei braucht er schnell veränderte Mehrheitsverhältnisse im Bundesvorstand – zumal Kalbitz offenbar das Geld für den teuren Rechtsweg gegen die Annullierung seiner Mitgliedschaft langsam auszugehen scheint, worauf Zwangsvollstreckungen gegen sein Konto sowie offenbar unterbliebene Mietzahlungen für sein Abgeordnetenbüro hinweisen.

Klar ist bei allem: Die offenen Flügelkämpfe direkt vor der NRW-Wahl helfen der Partei nicht. Hinzu kommt der Schlingerkurs der Partei in der Russlandfrage. Denn während die Partei offiziell den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands verurteilt, äußern sich AfD-Politiker weiter in russischen Medien, ihre Äußerungen klingen oft verdächtig nach Putin-Propaganda.

So trat Chrupalla etwa kürzlich bei russischen Staatsmedien auf und der Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter ließ sich laut einer Kontraste-Recherche sogar zu einer russischen Wirtschaftskonferenz zuschalten, wo diskutiert wurde, wie man internationale Sanktionen umgehen könnte. Keuter habe sich laut Kontraste über die Propaganda in deutschen Medien beschwert.

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