Merkel und Europas Griechenlandpolitik: Einheit? Welches Europa meint sie?

Merkel beschwört Europas Einheitlichkeit. Aber die Griechen darben trotz massiver Einsparungen weiter. Dank Schäuble.

Ein Rentner protestiert beim Generalstreik in Athen

So sehen die Einsparungen aus: Im Mai hat das griechische Parlament ein Sparpaket durchgewunken – die inzwischen 15. Rentenkürzung Foto: Imago/ZUMA Press

BERLIN taz | Kanzlerin Angela Merkel beschwört die Einheit Europas, um sich von den USA unter Präsident Trump zu emanzipieren. Doch welches Europa meint die Kanzlerin? Sie scheint die europäische Einheit nur politisch zu verstehen, nicht aber sozial und ökonomisch.

Dies zeigt das Beispiel Griechenland. Die jüngsten Beschlüsse der Eurogruppe bedeuten, dass Griechenland weiter verarmt, weil es zu einem drakonischen Sparkurs gezwungen wird. In der vergangenen Woche hat sich die Eurogruppe darauf geeinigt, dass Griechenland bis 2022 einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent erwirtschaften muss. Damit ist das Plus im Staatshaushalt gemeint, wenn man Zinszahlungen und Schuldentilgungen nicht berücksichtigt.

Zum Vergleich: Selbst Deutschland erreicht momentan nur einen Primärsaldo von etwa 2 Prozent, obwohl die Wirtschaft boomt und fast Vollbeschäftigung herrscht.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) moniert daher seit Jahren, dass die griechische Schuldenlast nicht tragfähig ist – und fordert Erleichterungen. Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble blockt. Über eventuelle Schuldenerleichterungen will er erst ab 2018 verhandeln, wenn das jetzige Rettungspaket für Griechenland ausläuft.

Der IWF fordert seit Jahren Erleichterungen bei der griechischen Schuldenlast

In diese laufende Debatte hat sich jetzt der griechische Notenbankchef Yannis Stournaras eingeschaltet. In einem Gastbeitrag für die griechische Zeitung Kathimerini erklärt er höflich, warum Schäubles Zeitplan nicht funktioniert: „Die Finanzmärkte wollen schon jetzt wissen, ob die Schulden tragfähig sein werden oder nicht.“ Sonst könnte sich Griechenland 2018 kein frisches Geld leihen – und das Land bräuchte erneut Hilfe. „Niemand, weder die Partnerländer noch Griechenland, hat Lust auf ein weiteres Rettungspaket.“

Stournaras unterbreitet auch einen ganz konkreten Vorschlag: Ab 2020 sollte der griechische Primärüberschuss auf 2 Prozent sinken. Zudem sollte das Land für seine Schulden beim europäischen Rettungsschirm EFSF für weitere 8,5 Jahre keine Zinsen zahlen müssen. Bisher läuft dieses Moratorium nur bis 2022. Insgesamt haben die Griechen beim EFSF Schulden von knapp 131 Milliarden Euro.

In den vergangenen Jahren haben die Griechen die Gehälter zusammengestrichen und ihre Lohnstückkosten um 25 Prozent gesenkt. Sie sind also wieder wettbewerbsfähig. Doch die Investitionen bleiben trotzdem aus. Denn, wie Stournaras herausstreicht, „die Anleger wollen Sicherheit“, wie es in Zukunft weitergeht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.