Transatlantische Beziehungen: Auf dem Tiefpunkt

Kanzlerin und Kanzlerkandidat sind sich einig: Nach der G7-Pleite, ausgelöst durch den US-Präsidenten, muss Europa stärker seinen eigenen Weg gehen.

Donald Trump mit erhobener Hand

Donald Trump in Taormina: ein Fiasko für die transatlantischen Beziehungen Foto: dpa

Berlin/Washington dpa | Nach dem weitgehend gescheiterten G7-Gipfel von Taormina dringen führende deutsche Politiker auf eine engere Zusammenarbeit der europäischen Staaten. „Europa ist die Antwort. Eine stärkere Kooperation der europäischen Staaten auf allen Ebenen ist die Antwort an Donald Trump“, sagte der SPD-Vorsitzende Martin Schulz dem ARD-Hauptstadtstudio.

Zuvor hatte schon Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärt: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“ Bei einem Wahlkampfauftritt in München sagte sie zur Begründung: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.“ Merkel reagierte damit auf den G7-Gipfel, bei dem US-Präsident Trump die Gruppe der sieben großen Industrienationen (G7) mit seinem Konfrontationskurs in eine schwere Krise gestürzt hatte.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sagte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ zu den Beziehungen mit den USA: „Wir sind auf einem Tiefpunkt.“ Das habe G7 nochmals deutlich gezeigt. „Da ist leider außer Spesen nichts gewesen.“ Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, warf Trump vor, die weltweite Führungsrolle der USA aufs Spiel zu setzen. „US-Präsident Trump hat sich im Kreis der G7 mit fehlerhaften Analysen und fortwährender Wahlkampfrhetorik isoliert“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Schulz verlangte zudem eine entschiedenere Haltung Europas gegen Trump: „Gegen einen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, der ja andere demütigen will. Der ja im Stile eines autoritären Herrschers auftritt.“

In den USA wurde Merkels Rede mit großer Aufmerksamkeit registriert. In den wichtigen Medien war sie eines der Aufmacherthemen und löste eine größere Debatte aus, die wiederum von einigen Kommentatoren als übertrieben bezeichnet wurde.

Ein neues Kapitel

„Merkel schlägt ein neues Kapitel der US-europäischen Beziehungen auf“, schrieb die Washington Post und bescheinigte der Kanzlerin „eine düstere Auslegung der transatlantischen Bindungen, die das Fundament der Sicherheit des Westens in Generationen seit dem Zweiten Weltkrieg waren“. Merkel habe sich eindeutig gegen Trump gewandt, so das Blatt: „Sie hat ihn glasklar zurückgewiesen, ohne ihn ein einziges Mal beim Namen zu nennen.“

„Die Kanzlerin, Europas einflussreichste Anführerin, schaut bereits über Trump hinaus“, schrieb die New York Times. Erkennbar enttäuscht habe sie aus den Begegnungen beim G7-Gipfel geschlossen, dass die USA unter Trump ihrem Land und ihrem Kontinent nicht mehr der verlässliche Partner seien, an dem man sich früher wie automatisch orientiert habe.

Die Kolumnistin Anne Applebaum schrieb auf Twitter: „Seit 1945 haben erst die UdSSR und dann Russland versucht, einen Keil zwischen Deutschland und die USA zu treiben. Dank Trump hat Putin es geschafft.“

Der New Yorker Medienwissenschaftler Jeff Jarvis kommentierte Merkels Ansprache auf Twitter: „Dieses ist eine bedeutende Rede in der Restrukturierung der Weltmächte. Wer bei Sinnen ist, muss ein starkes Europa unterstützen, um Russland zu kontern – und Trump.“

Viele Kommentare in sozialen Netzwerken verwiesen aber auch darauf, dass die Kanzlerin in einem Bierzelt gesprochen habe: Wer aus dieser Rede nun eine Neudefinition des transatlantischen Verhältnisses machen wolle, blase eine Wahlkampfrede unverhältnismäßig auf.

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