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Menschenrechte in RusslandAmnesty macht Rolle rückwärts

Kremlkritiker Nawalny hat den Status „gewaltloser politischer Gefangener“ zurückbekommen. Er hatte ihn wegen rassistischer Ausfälle verloren.

Protestaktion in Moskau für die Freilassung von Alexei Nawalny im April 2021 Foto: Pavel Golovkin/ap

Berlin | taz Überraschende Kehrtwende: Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat dem russischen Kremlkritiker Alexei Nawalny am Freitag den Status eines gewaltlosen politischen Gefangenen (Prisoner of Conscience) zurückgegeben. Zuvor hatte die russische Investigativ-Online-Plattform insider.ru gemeldet, dass ein derartiger Schritt bevor stehe. Sie bezog sich dabei auf die Nachrichtenagentur Reuters.

Diese hatte über einen Auftritt des Nalwalny-Mitarbeiters Leonid Wolkow vor Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses des kanadischen Unterhauses berichtet. Dort hatte Wolkow gesagt, Amnesty werde am 12. Mai in einer Presseerklärung darlegen, wie eine russische Desinformationskampagne Amnesty habe beeinflussen können. „Amnesty wird Nawalny nicht nur den Status zurück geben, sondern auch eine Fehleranalyse präsentieren“, wird Wolkow zitiert.

Am Freitagnachmittag bestätigte das internationale AI-Sekretariat in London, die „interne Entscheidung vom Februar, die nicht hätte öffentlich werden sollen“, rückgängig zu machen. Der Gebrauch des Terminus Prisoner of Conscience (was mit „gewaltloser politischer Gefangener“ nur unzureichend ins Deutsche übersetzt ist; Anm. d. Red.) sei überdacht worden. Von diesem Status solle keine Person allein aufgrund ihres Verhaltens in der Vergangenheit ausgeschlossen werden. Meinungen und Verhaltensweisen könnten sich mit der Zeit ändern, heißt es in der Erklärung.

Auch an mea culpa mangelt es nicht: „Amnesty hat eine falsche Entscheidung getroffen, die unsere Absichten und Motive zu einem kritischen Zeitpunkt infrage gestellt haben.“ Die Organisation entschuldige sich für die negativen Auswirkungen, die das auf Alexei Nawalny persönlich sowie Ak­ti­vis­t*in­nen in Russland und weltweit gehabt habe, die sich für unermüdlich für Nawalnys Freiheit einsetzten, heißt es weiter.

Sofortige Festnahme

Am 17. Januar 2021 war Nawalny nach einem monatelangen Aufenthalt in Deutschland infolge einer Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok nach Russland zurückgekehrt und unmittelbar nach seiner Ankunft festgenommen und inhaftiert worden. Der Vorwurf lautete auf Verstoß gegen Bewährungsauflagen, die sich auf eine Verurteilung im Jahre 2014 wegen Betrugs des französischen Kosmetikherstellers Yves Rocher beziehen.

Fast zeitgleich hatte ihn Amnesty als „Prisoner of Conscience“ anerkannt. Am 2. Februar entschied ein Moskauer Gericht, dass der 44-jährige eine Haftstrafe von drei Jahren und fünf Monaten abzüglich bereits früher abgesessener Arrest- und Haftstrafen, jetzt doch absitzen müsse.

Am 24. Februar war Nawalny den AI-Status plötzlich los. Begründet worden war dieser Schritt mit einer Flut von Anfragen „besorgter Bürger*innen“ zu xenophoben Kommentaren Nawalnys, die dieser in der Vergangenheit gemacht, aber nie zurückgenommen habe. Dabei geht es AI unter anderem um ein 15 Jahre altes Video, in dem Nawalny Migranten als „Kakerlaken“ verunglimpft. In einem anderen Video aus den frühen Nullerjahren ist Nawalny in die Arbeitskluft eines Zahnarztes geschlüpft, der, flankiert von Fotos mit ausländischen Arbeitskräften, dazu aufruft, „alles, was uns lästig ist, wie verrottete Zähne zu entfernen“.

Offensichtlich schienen für so manche/n bei Amnesty Nawalnys rassistische Ausfälle schwerer zu wiegen als die eindeutig politisch motivierte Justizfarce, deren Opfer er ist. Gegenüber dieser Einschätzung wurden auch interessante Fakten einfach ausgeblendet.

„Besorgte Bürger*innen“

So hatten sich einige der „besorgten Bürger*innen“ im Fall Nawalnys bei ihren Anfragen unter anderem auf Tweets der freien Journalistin Katja Kazbek bezogen. Diese hatte die besagten Videos gepostet und Nawalny als „bekennenden Rassisten“ bezeichnet, dessen Anhänger ihn von seinen Nationalismus „reinwaschen wollten“. Kazbek, deren Beträge häufig auf dem kremlnahen Sender RT veröffentlicht werden, ist eine durchaus schillernde Persönlichkeit.

Die selbsternannte Feministin und Sozialistin, die sich auch für die Belange von Angehörigen der LGBTQ-Community interessiert, lebt in den USA und das vor allem auf Kosten ihres millionenschweren Vaters Juri Dubowitzki, wie insider.ru schreibt.

In einem ihrer Tweets beschreibt sie Josef Stalin als jemanden, der mehr für die Menschheit getan habe als die Mehrheit bürgerlicher Politiker wie George Washington, Thomas Jefferson und John F. Kennedy. Alexei Nawalny sei von der US-Regierung kontrolliert, heißt es an anderer Stelle. Auch zu den monatelangen Protesten in Belarus hatte sie Eigentümliches beizutragen. Diese habe der Westen organisiert – mit dem Ziel, eine „farbige Revolution“ zu provozieren.

Bereits kurz nach der AI-Entscheidung im Februar schien so manchem zu dämmern, Amnesty könne „Opfer“ einer generalstabsmäßig organisierten und vom Kreml gesteuerten Desinformationskampagne geworden sein. Bereits damals sei ob der Art der Anfragen an eine koordinierte und böswillige Aktion gedacht worden. Diejenigen, die dahinter stünden, hätten damit ins Schwarze getroffen, zitiert insider.ru Aleksandr Artjomow, AI-Medienbeauftragter für Osteuropa und Zentralasien. Bei Amnesty sei offenbar die Erkenntnis gereift, zur Geisel eigener Prinzipien geworden zu sein, so insider.ru.

Internationale Ermittlungen

Der jetzige Sinneswandel könnte jedoch auch der neuen Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard geschuldet sein, die seit März dieses Jahres im Amt ist. Als UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen und Meinungsfreiheit hatte sie am 1. März gemeinsam mit ihre Kollegin Irene Khan Ergebnisse einer Untersuchung über die näheren Umstände der Vergiftung Nawalnys vorgestellt. Dabei hatten beide die sofortige Freilassung Nawalnys aus der Haft sowie internationale Ermittlungen gefordert.

Derweil scheint auch Nawalny seine Prinzipien bisweilen zu überdenken. Im April hatte er nach drei Wochen und schon in einem lebensbedrohlichen Zustand einen Hungerstreik abgebrochen. Ein Grund für diese Aktion war die Weigerung der Anstaltsleitung, zu Nawalny Ärzte seines Vertrauens vorzulassen.

Unterdessen gehen die Repressionen gegen die Un­ter­stüt­ze­r*in­nen von Nawalny mit unverminderter Härte weiter. Am 4. Mai brachte eine Gruppe von Abgeordneten in der Duma ein Gesetzesprojekt ein, wonach Personen nicht bei Wahlen antreten dürfen, die mit einer Tätigkeit für als extremistisch oder terroristisch eingestufte Organisationen in Zusammenhang gebracht werden. Dieses Vorhaben bedrohe alle, die in Nawalnys Team gearbeitet oder für dessen Organisation gespendet hätten, schrieb Leonid Wolkow auf Twitter. „Wir haben schon eine Menge Gesetze gegen Nawalny gesehen, aber so etwas ist noch nicht dagewesen“, so Wolkow.

Seit Ende April stehen die Regionalbüros von Nawalnys Netzwerk auf einer Liste „terroristischer und extremistischer“ Organisationen. Das kommt de facto einem Betätigungsverbot gleich. Aus diesem Grund haben sich viele Büros bereits selbst aufgelöst.

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21 Kommentare

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  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Auch Herr Biden wird nicht ewig Präsident bleiben. Und dann könnte die EU/Nato u.U. vor den gleichen Problemen stehen wie in den vergangenen 4 Jahren.



    Wie wir erleben, ist Herrn Putin mit der Peitsche (Sanktionen, Sanktionen, Sank..) nicht beizukommen. Versuchen wir es eben wieder mit Diplomatie und Dialog. Klappt sogar mit dem Iran.



    Ach ja, die Ukraine: bevor sich dort jemand ins Feuer wirft (außer dem Verkauf von Waffen), müßten die erst mal eine Demokratie einrichten, die diesem Begriff wenigstens nahekommt. Vor allem: befreit von mafiösen Clanstrukturen.

  • Wir waschen Nawalny rein, indem wir ihre Kritikerin in den Dreck ziehen. Naja.

    Vom berechtigten Rassismusvorwurf entlastet es ihn kein Stück.

    • @Wonneproppen:

      naja... mit der russischen Praxis in der EU, oder in BRD... da wären viele `Querdenker´längst im Knast!

  • Warum sollte AI seine Meinung zu Nawalny ändern?

    Doch wohl nur, weil Druck ausgeübt wurde bzw. mit Geldern, die demnächst nicht mehr fließen könnten, gedroht wird. So eine Entscheidung wie jetzt lässt die engagierten AI-Mitarbeitenden im Nachhinein wie Idioten dastehen.



    Aber schon als AI sich in der Causa Pussy Riot hat funktionalisieren lassen, schwand ein gutes Stück Respekt; jetzt dagegen kann AI sich bald gleich auf das Level von OPCW oder Bellingcat hinabbewegen.

    • @Khaled Chaabouté:

      Und was gab es am Fall Pussy Riot auszusetzen? Eine Punkband die ein paar ketzerische hässliche Liedchen in der Kirche singt einzusperren ist doch voll ok, oder? Sie lassen tief blicken.

    • @Khaled Chaabouté:

      Welche Meinungsänderung von AI meinen sie eigentlich? Die von Ende Februar oder von Anfang Mai?

      • @Gunnar Roth:

        Ja, kann tatsächlich beides bedeuten. Klarstellung wäre schön!

    • @Khaled Chaabouté:

      Ich kann mir auch gut vorstellen, wer Druck auf AI ausgeübt hat.



      Auffällig ist, wie fadenscheinig die kriminelle und rassistische Energie des Herrn N. ignoriert wird.

  • Herr Nawalny könnte mal das Youtube-Video aus seinem Kanal entfernen, in dem er dazu aufruft, Menschen der “falschen Rasse” wie Ungeziefer zu erschiessen.

    • @Volker Birk:

      Aktuell kann Herr Navalny aus bekannten Gründen gar nichts aus seinem Youtube Kanal entfernen.

      Navalny wurde das in der Tat in der Vergangenheit oft gefragt, warum er diese Videos, von denen er sich (entgegen anders lautenden Behauptungen) schon vor langem öffentlich inhaltlich distanziert hat, nicht entfernt. Und die Antwort lautete: Er hat sie gedreht, sie gehören zu seiner Geschichte, und deshalb bleiben sie stehen. Wenn er sie entfernen würde, hätte er sie ja immer noch gedreht. Die Nichtentfernung hat also nichts mit Nawalnys heutigem Stadnpunkt zu Inhalt und Form seiner Aussagen zu tun, sondern mit seiner Haltung zur Cancel culture. Und ganz davon abgesehen vergisst das Netz sowieso nichts, welchen Sinn sollte also eine Entfernung aus seinem Kanal haben?

      Das Video, auf das sie scheinbar anspielen, zeigt nicht das, was Sie behaupten, und Nawalny sagt auch nicht das, was sie behaupten. In dem Video äußerst sie Navalny sehr drastisch über die in den Kaukasus herrschende Gewalt und Dysfunktionalität der staatlichen Institutionen. Das Video zeigt ein Foto des islamistischen Terroristen Schamil Bassajew (auf dessen Konto unter anderem die Geiselnahmen im Dubrovaka-Theater in Moskau und Beslan gehen, sowie die Ermordung des tschetschenischen Präsidenten Achmet Kadyrov 2004). Und Navalny kommentiert dieses Bild mit: "Solche Leute [also islamistische Terroristen] kann man nur vernichten wie Ungeziefer".

      Das darf man gern drastisch und verwerflich finden, die Aussage bezieht sich aber ganz konkret auf den Terroristen Bassajew und seine Gefolgsleute. Es gibt in diesem Video keinen Aufruf, Menschen aufgrund ihrer ethischen Zugehörigkeit zu ermorden.

      Wissen sie übrigens wie Bassajew 2006 gestorben ist? Putin hat ein Killerkommando des FSB losgeschickt und ihn außergerichtlich hinrichten lassen.

      • @Barbara Falk:

        Schöne Ausreden. Das Video kann ja jeder selber anschauen. YouTube liefert automatisch übersetzte Untertitel.

      • @Barbara Falk:

        Ich denke, man sollte niemanden "vernichten wie Ungeziefer". Wer das äußert und sich kein Stück davon distanziert, muss sich Rassist nennen lassen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Nawalny ist mir mehr als suspekt!



    Was will der Typ wirklich?

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Er will als Oppositioneller in Russland in Freiheit leben - wie sehr viele andere übrigens auch. Was finden Sie daran „suspekt“?

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Korruption anprangern und Putin aus dem Amt bekommen. Ein richtiger Ansatz.

  • Guter Artikel. Bisher die differenzierteste Darstellung, die ich diesbezüglich gelesen habe.

    Nawalny hatte sich deutlich gegen Islamismus ausgesprochen. Wer tut das nicht? Selbst EU-Spitzejnpolitiker zeigen da Konsens.

    Nawalny kämpft jedoch in erster Linie gegen Korruption, dem größten Hindernis Russlands wirtschaftlich zu prosperieren.

    Den korrupten Politikern unterstellt er, Einwanderung aus nichteuropäischen Teilen der Ex-UdSSR bewusst im eigenen Interesse voranzutreiben. Baucht Russland noch tiefere Dumping-Löhne? Eine weitere "industrielle Reservearmee"?

    Die Einsicht Amnestys hat lange auf sich warten lassen, und ich war vor zwei Monaten sehr enttäuscht von dieser Organisation, die ich sonst außerordentlich schätze.

    Freiheit für Nawalny!

    • @shantivanille:

      "deutlich gegen Islamismus ausgesprochen" = "Vernichten wie Ungeziefer". Merken sie selbst. Ne?

    • @shantivanille:

      Es wundert doch schon ein wenig, dass der große selbsternannte Korruptionsbekämpfer offenbar keine Scheu davor hat, Millionen und massiven logistischen Support aus einschlägigen Quellen anzunehmen bzw. dass er selber wegen Finanz- und Wirtschaftsdelikten vorbestraft ist.

      Passt natürlich zu den anderen vom Westen favorisierten Oppositionspolitiker*innen wie z.B. der Timoshenka, die auf betrügerische Weise viele Millionen aus der ukrainischen Staatskasse in die eigene verschob oder den Lieblings-Oligarchen Chodorokovski, der seine Milliarden durch umstrittene Rohstoffdeals in der Jelzin-Ära machte.

      Naja, am besten lässt man solche Leute einfach reden, dann enttarnen sie sich bald selber und auch die letzte Zustimmung schwindet erdrutschartig.

      • @Khaled Chaabouté:

        Auch wenn es hundert Mal behauptet wird: Herr Navalny ist nicht wegen Finanz- und Wirtschaftsdelikten vorbestraft. Bezüglich der entsprechenden russischen Urteile hat der EGMR in letztinstanzlichen, nicht anfechtbaren und auch für Russland verbindlichen Urteilen festgestellt, dass die entsprechenden Urteile russischer Gerichte gegen Herrn Navalny willkürlich waren und deshalb aufzuheben sind. Die "Vorbestraftheit", ist eine Rechsillusion, die der Russische Staat unter Brechung seiner eigenen (!) Rechtsvorschriften aufrechterhält, um einen Vorwand zu haben, ihn einzusperren. Juristisch nennt sich das, was die Gerichte mit ihm tun: "Verfolgung Unschuldiger unter Missbrauch der amtlichen Stellung". Das ist auch in Russland eine Straftat.

        Würden sie bitte erläutern, und vor allem belegen, aus welchen "dunklen Quellen" Navalny angeblich finanziert wird?

        Als nichtkommerzielle Organisation/Stiftung ist der Fonds für Korruptionsbekämpfung seit seiner Gründung 2011 zur Rechenschaft gegenüber den russischen Behörden und dem Finanzamt verpflichtet. In den all den Jahren gab es keinerlei Beanstandungen, obwohl die Behörden sicher dreimal hingeschaut haben. Der Fonds hat mit Crowdfunding zuletzt umgerechnet etwa 3 Mio Euro jährlich an Spenden ausschließlich von Russen eingesammelt und damit etwa 200 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze (Juristen, Soziologen, Journalisten, Cutter, Kameraleute, IT-Spezialisten, Designer etc. etc.) in Russland finanziert.

        Herr Navalny (der nicht bei seiner Stiftung angestellt ist, sondern sein Geld als Jurist verdient) veröffentlicht außerdem seit Jahren seine Steuererklärung im Netz. Auch daran und an seinen Geldquellen (=Mandanten) hatten die Behörden nie was auszusetzen. Verfahren wegen Steuerhinterziehung gab es gegen ihn nämlich nicht. Sondern ausschließlich fabrizierte Verfahren.

        Aber jetzt sind Sie an der Reihe: Wie viel Millionen, welcher "massive logistische Support", und von wem? Ich bin gespannt.

  • "Derweil scheint auch Nawalny seine Prinzipien bisweilen zu überdenken. Im April hatte er nach drei Wochen und schon in einem lebensbedrohlichen Zustand einen Hungerstreik abgebrochen. "

    Diese Passage gibt mir Rätsel auf. Welche Prinzipien hat er überdacht? Hat Nawalny irgendwann in der Vergangenheit mal das "Prinzip" verkündet: Wenn man einen Hungerstreik anfängt ist das Ziel der Tod, also muss man, wenn man einmal angefangen hat, durchhalten, bis man stirbt?

    Gemäß der Beschwerde, die Nawalnys Anwälte beim EGMR eingereicht haben, und seiner Selbstaussage hat er den Hungerstreik aus folgenden Gründen begonnen:

    ..."ill-treatment by way of, in particular, sleep deprivation, inadequate nutrition resulting from the refusal of food parcels by the correctional colony, severe psychological pressure, including verbal abuse by wardens, head shaving and denial of requisite medical assistance..."

    hudoc.echr.coe.int...00610-9434654%22]}

    Also: Schlafentzug, Nahrungsentzug (durch den er schon vor dem Hungerstreik 8 kg abgenommen hatte), Verweigerung von medizinischer Hilfe/Schmerztherapie.

    Am 20. April wurde er dann zur Untersuchung in ein Zivilkrankenhaus in Wladimir gebracht, wo die von seinen behandelnden Ärzten eingeforderten Untersuchungen gemacht wurden, sämtliche Befunde wurden seinen behandelnden Ärzten übergeben, die Schafentzugsfolter wurde eingestellt und er in ein Gefängniskrankenhaus in Wladimir überführt. Und er hat seinen Hungerstreik beendet und beginnt nach einem Behandlungsplan wieder mit der Nahrungsaufnahme. So what?

    Ansonsten: Amnesty hat sich ohne wenn und aber entschuldigt, und auch generell in Aussicht gestellt, die Kriterien für die Zuerkennung des Status eines "prisoner of conscience" zu überdenken, damit in Zukunft politische Gefangene nicht mehr Opfer einer derartigen cancel culture werden können. Finde ich gut.