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Memes im InternetMeine Freundin Conni läuft im Internet völlig aus dem Ruder

Die Kinderbuchfigur ist beliebt für Memes. Dagegen wollte der Carlsen Verlag vorgehen. Das Internet protestierte. Nun hat er seine Absicht präzisiert.

Conni hat 99 Probleme, aber Memes ist keins Foto: Abbildung: carlsen verlag; Bearbeitung: Geron Asmuth/chatgpt

Berlin taz | Blonde Haare, rote Schleife, gestreiftes T-Shirt: So kennen wir Conni, die brave Figur der Bilderbücher des Carlsen-Verlags. Seit gut 30 Jahren ist sie in deutschen Kinderzimmern präsent. In über 100 Geschichten muss Conni zum Arzt, bekommt einen kleinen Bruder, fährt mit den Eltern in den Urlaub oder kommt in den Kindergarten. Conni ist das Poster-Child des deutschen Mittelstands: weiß, privilegiert, hetero. Die Mutter Annette ist Ärztin, geht aber lieber nicht arbeiten. Der Vater, Jürgen, finanziert mühelos mehrere Urlaube im Jahr, Conni darf reiten, ein Instrument spielen, Ballett tanzen.

Der Carlsen Verlag versuchte mal, sie heranwachsen zu lassen: In der Buchreihe „Conni15“ darf Cornelia Klawitter (so heißt sie mit vollem Namen), über Jungs nachdenken, sich für Mode interessieren, vielleicht mal einen kleinen Herzschmerz durchleben. Aber statt groß zu werden, sich für Feminismus und Klassenkampf zu interessieren, bleibt Conni in allen Büchern, Filmen und Hörspielen bei etwa 15 Jahren stehen.

Macht aber nichts, denn ihr Erwachsenwerden hat seit ein paar Jahren das Internet übernommen. Seit der Pandemie kursieren in den Sozialen Medien Conni-Memes. Dafür wird das Bild abgewandelt, mit KI verändert oder ein neuer Schriftzug draufgesetzt. Hier vertritt Conni radikalere Positionen, gibt sich witzig, frech und solidarisch. Conni redet nicht mit FaschosConni wird Genossin“, „Conni geht die AfD ärgern“. Das funktioniert deshalb so gut, weil fast je­de*r hierzulande Conni kennt.

Dass Conni gerade in linken Kreisen gefeiert wird, ist keine Nebensache. Memes sind längst politische Waffen, vor allem in rechten Netzwerken. Figuren wie Pepe the Frog (ein gezeichneter Frosch) wurden dort gekapert, ihr Schöpfer Matt Furie kämpft bis heute dagegen. Umso schöner, dass Conni jetzt als linkes Gegenstück durchs Netz spukt.

Doch der Carlsen Verlag möchte seine Tochter nicht ziehen lassen. Statt sich über Connis späte Emanzipation zu freuen, veröffentlichte der Verlag kürzlich ein FAQ. Dort heißt es, die Verbreitung der Memes verletze Urheberrechte, man wolle gegen die Verwendungen vorgehen. Zwar wolle man niemanden pauschal verklagen, aber bei menschenverachtenden, rassistischen, gewaltverherrlichenden oder pornografischen Memes werde man das Netz räumen lassen. Erstmal nachvollziehbar. Doch gleichzeitig betont Carlsen: Man erteile grundsätzlich keine Genehmigung für Conni-Memes.

Sie hat Potential

Schade, denn Conni hätte Potenzial als Influencerin gehabt. Sie bringt ein bisschen mehr schönes Chaos in das weltweite Kinderzimmer namens Internet. Sie bricht aus ihrem spießigen Bilderbuch-Knast aus, solidarisiert sich mit allen, die keine Reitstunden oder verheiratete Eltern hatten, und könnte so auch repräsentativer für alle Kinder werden.

Auf die Ansage des Verlags reagierte das Internet, wie das Internet nun mal reagiert: mit noch mehr Memes, noch mehr Conni. Auf LinkedIn versuchte Carlsen, das Ganze mit einem eigenen Meme zu retten: Conni steht mit in die Hüften gestemmten Armen und ihrem Kater daneben, darunter: „Conni muss da mal was klarstellen.“ Der Verlag erklärte, er sei missverstanden worden, es gehe nur um extreme Fälle, die gelöscht werden sollten. Aber: Was einmal im Internet ist, bleibt auch dort. Löschen funktioniert nicht. Schade, dass ihr Verlag das nicht kapiert. Conni kann man nicht einfach zurück ins Regal stellen. Conni ist groß geworden. Und sie kommt nicht mehr nach Hause.

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18 Kommentare

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  • Also unsere Junx's sind echt gut, dank Conni sozialisiert worden und nun sind schon unsere Enkel dran. Wichtig ist doch in erster Linie die kindgerechte Ausrichtung.

  • "Macht aber nichts, denn ihr Erwachsenwerden hat seit ein paar Jahren das Internet übernommen."

    Ja klar. Es kann ja auch kaum etwas Erwachseneres geben, als eine Kinderbuchfigur zum linken Pendant einer Troll Ikone zu stilisieren und tolle Internet Memes für tiktok und Co zu basteln, weil es Pipi Langstrumpf 2025 nicht mehr durch den PC Check schafft.

  • Der Umgang des Verlags ist halt auch mal wieder so richtig boomer-mäßig. Natürlich kann ich es verstehen, wenn man mit seiner Figur keine pornografischen oder rassistischen Memes produziert sehen möchte, dagegen kann man ja auch vorgehen. Aber etwas besseres als diese linken Conni-Memes hätte dem Verlag doch gar nicht passieren können, denn offenbar finden viele genau diesen Zugang sehr gut. Das ist positiv für die Figur und ihre Akzeptanz und indirekt für den Verlag auch. Leider ramponiert der Verlag das nun selbst.

    • @White_Chocobo:

      Fraglich ob die Adressaten dieser Memes daraufhin Conni-Bücher kaufen werden...

    • @White_Chocobo:

      Es gab aber offenbar auch rechte, rechtsextreme, pornografische ....

      So die Klarstellung und so auch andere Artikel.

  • Well, gilt das auch für PolikerInnen - wie Habeck usw.:



    „ Aber: Was einmal im Internet ist, bleibt auch dort. Löschen funktioniert nicht. Schade, dass ihr Verlag das nicht kapiert.“

    Nebenbei: lass den Verlag mal gerne Geld verdienen. Dann kann er auch Mitarbeitende bezahlen.

  • Seit wann holt sich "das Internet" die Erlaubnis für etwas? Das ist nicht erst seit KI so! Die macht nur, was ihr erfolgreich vorgelebt wurde. Bzw., womit ihre Erfinder groß geworden sind.

    (Bei uns gibt es übrigens keine Conni, weil meine Kinder von ihrer Bravheit genauso angenervt sind wie ich es seit 30 Jahren bin. Geschichten über Nicht-Probleme schreiben ist sooo langweilig.)

  • Weiß, privilegiert, hetero, braves belohntes Mädchen.



    Gingen nicht auch mal andere Personen als Meme, na?



    Nennt Sie Nicht-Conni, meinetwegen,

    • @Janix:

      Das ergibt dann vermutlich keinen Sinn mehr, man nimmt sie als Meme um den Mittelstand vorzuführen oder nicht? Es ist wie die Karen nur schade dass beides so frauenfeindlich ist. Die Rechten haben offiziell eher Frösche und Paulchen Panther mit denen sie gegen Linke hetzen.

    • @Janix:

      Naja ein Meme zu sein ist nicht unbedingt was gutes. So wie ich das sehe machen sich die Memes über den Charakter lustig.

    • @Janix:

      Benjamin Blümchen. Tauchte der schon mal als Antifa-Held oder Kämpfer für queere Rechte auf? Das würde eigentlich passen. Habs aber noch nicht recherchiert.

      • @Karla Columna:

        Dieser Artikel ist zwar schon ein paar Jährchen alt aber interessant:

        www.bpb.de/shop/ze...d-bibi-blocksberg/

        Die Hörspielfigur die mit Ihnen namensgleich ist wird dort auch das eine oder andere Mal erwähnt.

        Zumindest gibt es Herrn Blümchen als Karrikatur Che "Blümchen" Guevara im Internet:

        www.kontextwochenz...ett_081291eb31.jpg

        • @Waagschale:

          Danke! Habe es mal überflogen. Der arme Benjamin und Bibi Blocksberg sollen nicht das Prädikat wertvoll bekommen sagt der Autor. Frechheit. Aber den einen Satz kann ich nur unterstreichen: „Im Kern ist Karla Kolumna allerdings ehrlich und "gut". Merci.

  • "Conni ist das Poster-Child des deutschen Mittelstands: weiß, privilegiert, hetero. "

    Und was soll so ein Satz, der ansonsten im gesamten Text keinerlei Funktion hat, bewirken, außer künstlich Gräben zu vertiefen?

    Connis bester Freund Simon ist italienischer Abstammung. Aber ihre beste Freundin Anna ist rothaarig und fällt damit wohl auch in die Kategorie "Ungute Normalo-Repräsentantin!". Vielleicht wird sich ja in Zukunft herausstellen, dass sie lesbisch ist, oder Conni wird trans... dann wäre ja die Welt wieder in Ordnung.

    Soweit ich weiß, ist Conni für die allermeisten Kinder, egal welcher Abstammung, nur ein kleines Mädchen, das Dinge erlebt, und so Kindern das Verstehen der Welt erleichtert. Vielleicht ist Conni für ein Kind aus einer Familie, in der die alleinerziehende Mutter von ihren ständig wechselnden Freunden verprügelt wird, und die zum Geburtstag kein Fahrrad bekommen, weil Mama den Wohngeldantrag nicht ausfüllt, usw. nicht die ideale Identifikationsfigur.

    Gleichwohl würde ich mutmaßen, dass ein Kinderbuch mit derartigen Inhalten nicht so große Chancen hätte, am Markt zu reüssieren.

    • @Metallkopf:

      Kinderliteratur ist immer an 2 Adressaten gerichtet. Das Kind und den implizierten Mitleser. ZB. Lukas der Lokomotivführer, erstmal eine harmlose Kindergeschichte, auf der anderen Seite eine Parabolik zur NS Zeit in der nur reinrassige Drachen Einlass haben und Kindern alternative Fakten (Fr. Mahlzahn) beigebracht werden.

      • @Littleneo:

        Auch in unserem linken Haushalt wird / wurde die Augsburger Puppenkiste liebend gerne & konsequent konsumiert 😂🤣😅🤣

  • Das Problem ist doch, dass die KI sich alles einverleibt und die billionenschweren US-Unternehmen keinen Künstler, Musiker, Zeichner oder was auch immer um Erlaubnis fragen, geschweige denn Lizenzen erwerben, um Kopien von Conny, anderen Kinderbüchern Musikstücken, Bildern usw anzufertigen. Wenn der Enkel von Oma Müller sich mal einen Sommerhit aus Versehen über einen Torrent kopiert, sind die Abmahnanwälte ratzfatz zur Stelle und die Oma abzumahnen oder zu Schadenseratz zu verdonnern, bei den US-Giganten ist die Justiz plötzlich ganz zahnlos. Bald gibt es keine Zeichner, Fotografen, Musiker, Dichter mehr, weil man das alles ja viel einfacher für viel weniger Geld von der KI bekommt. Und im Moment ist die KI ein reines Zuschussgeschäft, um uns alle abhängig zu machen. Und dann kommt der Moment, an dem kostendeckend agiert wird und KI plötzlich etwas kosten wird. Bin schon gespannt.

    • @Harald Plontke:

      Gibt es eigentlich keine US-Kanzleien, die die Techkonzerne verklagen, die sind doch sonst immer dabei, wenn es was zu holen gibt. Sind die von Trump schon ruhig gestellt oder von den Techkonzernen gekauft?