Meinungsfreiheit und Xavier Naidoo: „Antisemit“ ist ein Werturteil

Der Beschluss des Verfassungsgerichts in der Causa Naidoo ist gut und wichtig. Man sollte aber nicht vergessen, dass ein Björn Höcke gefährlicher ist.

Xavier Naidoo singt auf einer Bühne

Xavier Naidoo beim Gießener Kultursommer 2019 Foto: Imago

Eine linke Wissenschaftlerin durfte Xavier Naidoo doch als „Antisemiten“ bezeichnen. Das Bundesverfassungsgericht hob nun zwei entgegenstehende Urteile aus Bayern auf. Das ist keine Karlsruher Grundsatzentscheidung, weil die bayerischen Gerichte einfach handwerkliche Fehler gemacht haben. Aber dennoch ist der Beschluss des Verfassungsgerichts gut und wichtig.

Denn natürlich ist der öffentliche Diskurs weit über den Einzelfall hinaus belastet, wenn jemand wie Xavier Naidoo mithilfe von An­wäl­t:in­nen und Rich­te­r:in­nen politische Kritik an seinen Liedtexten verbieten lassen kann.

Das Verfassungsgericht hat nun aber keineswegs geklärt, dass Xavier Naidoo ein Antisemit ist. Es hat nur entschieden, dass Naidoo als „Antisemit“ bezeichnet werden darf – jedenfalls wenn klar ist, dass ihm dabei keine Holocaust-Bereitschaft unterstellt wird. Es ging in Karlsruhe um ein Werturteil, nicht um eine Tatsachenbehauptung.

Das ist ähnlich wie bei dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke, der laut Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen „Faschist“ genannt werden darf. Bei einem Werturteil ist der Spielraum des Sagbaren deutlich größer als bei einer ehrverletzenden Tatsachenäußerung, die belegbar und korrekt sein muss. Allerdings darf auch ein Werturteil Menschen nicht ohne jeden faktischen Anhaltspunkt stigmatisieren.

Naidoo hochgradig abgedriftet

Doch das ist bei Xavier Naidoo nicht zu befürchten. Wer von einem „Baron Totschild“ schwadroniert, bedient damit klassisch antisemitische Stereotype und ist ziemlich nah dran an der Sprache von Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen alter Schule. Der Verweis Naidoos auf seinen jüdischen Konzertmanager ist dann auch nicht geeignet, ihn gegen politische Kritik zu immunisieren.

Allerdings sollte man Naidoo auch nicht allzu ernst nehmen. Er hat schon viel Unsinn behauptet und dann wieder das Gegenteil. Dass er eine hochgradig abgedriftete Persönlichkeit ist, dürfte inzwischen weithin bekannt sein. Ein Höcke ist da deutlich gefährlicher.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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