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Meinungsfreiheit in DeutschlandFelix Klein will mehr Trump wagen

Der Antisemitismusbeauftragte fordert den Einsatz des Verfassungsschutzes an Universitäten. Zugleich äußert er Verständnis für die Vertreibungsfantasien des US-Präsidenten.

Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus im Interview Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat gefordert, den Verfassungsschutz an deutschen Universitäten einzusetzen. In der „linken, gerade auch akademischen Welt“ würden Islamismus und Terror verharmlost, sagte der Beauftragte in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung, das am Dienstag erschien. Das „Ausmaß der kritiklosen Blindheit gegenüber der Hamas“ sei in diesen Kreisen „wirklich atemberaubend“. Dieses „Ausmaß an Radikalität“ dürfe der Staat nicht hinnehmen, das sei Antisemitismus. Dagegen reiche die reine Präventionsarbeit nicht aus, so der Jurist – da seien „auch die Sicherheitsbehörden wie der Verfassungsschutz gefragt“.

Klein rief den neu gewählten Bundestag außerdem dazu auf, das Strafrecht weiter zu verschärfen. Der Ausspruch „From the river to the sea“ sowie die Billigung von Terrorismus im Ausland, wie ihn etwa die Hamas im Nahostkonflikt ausübe, sollte stärker bestraft werden.

Für die Idee von US-Präsident Donald Trump, die Menschen aus Gaza „umzusiedeln“, um den Gazastreifen in eine „Riviera des Nahen Ostens“ zu verwandeln, äußerte Klein dagegen Verständnis. „Ich halte es nicht für verkehrt, radikal und einmal völlig neu zu denken“, sagte Klein. In „einigen Medienberichten“ seien Trumps Vertreibungspläne „übertrieben“ dargestellt worden, befand er. Es lohne sich, „genauer hinzuschauen“.

Der US-Präsident habe schließlich „nicht von Vertreibung gesprochen“, betonte Klein, sondern nur „von einer Umsiedlung, während der Gazastreifen neu aufgebaut wird“. Klein regte das zu einem Vergleich an: „Während Sie Ihr Haus renovieren, schlafen Sie schließlich auch nicht darin“, sagte er. Die massiven Zerstörungen verlangten „im Grunde nach einem umfassenden Aufbau einer komplett neuen Infrastruktur“. Die massive Zerstörung selbst kritisierte Klein nicht.

Janine Wissler zeigte sich über Kleins Aussagen empört

Die ehemalige Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, zeigte sich über Kleins Aussagen empört und nannte sie „unerträglich“. Trumps Vertreibungspläne seien völkerrechtswidrig. „Hier wird nicht renoviert, Zehntausende sind tot“, schrieb sie auf X. Bundesinnenministerin Nancy Faeser wollte Kleins Äußerungen nicht kommentieren. Das antwortete sie auf eine entsprechende Anfrage der taz.

Klein ist beim Bundesinnenministerium angesiedelt und wurde im Mai 2018 in das damals neu geschaffene Amt berufen. Kritiker warfen ihm bereits 2020 vor, den Kampf gegen Antisemitismus zu missbrauchen, um Bürgerrechte einzuschränken. Mehrere jüdische Gelehrte und Kulturschaffende forderten im selben Jahr sogar Kleins Rücktritt. Anlass war der Streit über den Philosophen Achile Mbembe. Der Zentralrat der Juden und andere Verbände stellten sich damals hinter Klein.

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17 Kommentare

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  • Ich entnehme dem Artikel, dass es für Herrn Klein also nur dann kein Problem darstellt die "Meinungsfreiheit" einzuschränken, wenn es sich um Positionen handelt, die er nicht teilt. Bei Positionen die er teilt (z.B. mit Trump), muss man dann nur "genau hinschauen". Aha. Dafür schränkt man dann auch mal pauschal die Wissenschaftsfreiheit ein und will sogar den Verfassungsschutz an deutschen Universitäten für die eigene Weltsicht und ihre Durchsetzung instrumentalisieren. Denn: Radikale und Ideolog:innen sind - selbstverständlich - nur die anderen.

  • Herr Klein ja eigentlich für jüdisches Leben in Deutschland zuständig, aber tatsächlich gab es schon 2019 einen Recherche hinsichtlich der Einflussnahme durch Lobbygruppen und Parteispenden, um die Interessen der israelischen Regierung im Bundestag zu platzieren, sehr lesenswert:



    www.spiegel.de/pol...ra_ref=re-em-em-sh

  • Klingonen machen Politik, indem sie Philosoph spielen.

  • Wenn das Gutheißen von Terrorismus im Ausland strafbar wäre, säßen schon viele Politiker im Knast. Allein schon wegen ihrer Parteinahme für sogenannte "moderate Rebellen".

  • Erschreckend, dass hier jemand in so einer Position sitzt, der den Unterschied zwischen Israel und Juden nicht kennt. Denn auch er deklariert alle Kritik an Israels Handeln als Antisemitismus.



    Als Völkerrechtler sollte er es besser wissen, aber stattdessen instrumentalisiert er sich für die Sache der Regierung Israels, aber halt nicht für alle Juden.

  • Es ist ja eine allgemein bekannte These, dass die Anti-Anti-Leute sich relativ schnell dem annähern, was sie eigentlich bekämpfen und kritisieren. Beim Herrn Klein hat es etwas länger gedauert, bevor sein Anti-Antisemitismus in die Annäherung an weit verbreitete Thesen der sogenannten antizionistischen Linken sich entwickelt hat. Während die einen es für eine gute Idee halten, die jüdische Bevölkerung aus Israel zu vertreiben, kann Herr Klein sich damit anfreunden, dass die palästinensische Bevölkerung aus dem Gazastreifen vertrieben wird. Für bemerkenswert halte ich es auch, dass die einen gesellschaftliche Verachtung und juristische Konsequenzen zu befürchten haben, während der andere weiter als gut bezahlter Beamter im Innenministerium seinen Job ausleben kann.

  • Herr Klein ist für ein Exekutivamt in einer freiheitlichen Demokratie ungeeignet. Er fordert hier etwas, dass gegen die freie Meinungsäußerung und die Unabhängigkeit der Wissenschaft (Artikel 5 Absätze 1,3 GG) verstoßen würde und gegen Artikel 25:

    "Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes."

    Herr Klein sollte vielleicht daran erinnert werden, dass die Exekutive als einzige Handlungsgrundlage Recht und Gesetz (Artikel 20 Absatz 3 GG) hat!

    Das alles sage ich als direktbBetroffener von Antisemitismus! Ich bin Nachfahre von Shoaüberlebenden.

    • @Erwin1.:

      Ein trauriger Aspekt Ihres Kommentars ist, daß die letzten beiden Sätze als Rechtfertigung Ihrer Meinung nötig sind.

  • Wo Herr Klein recht hat, hat er recht.



    Ich habe von ihm noch keine inhaltlich falschen Aussagen gehört.



    So auch hier.

    • @JohnReed:

      Sollte die Formulierung nicht besser lauten: Wo Klein Rechts ist, ist er Rechts? Er ist fanatisch, unfähig zu ausgewogenem Denken oder gar Handeln.

    • @JohnReed:

      Er ist ein rechtspopulistischer Schwätzer.

      "Während Sie Ihr Haus renovieren, schlafen Sie schließlich auch nicht darin“



      ist halt auf die Situation gesehen, eine inhaltlich falsche Aussage. Man baut ein Land wie Gaza nicht am Stück auf, sondern Haus für Haus. Dafür muss niemand umsiedeln.

  • Verfassungsschutz an den Hochschulen und Universitäten-dummdreiste Idee eines Herrn Klein (Kleinbürger?).



    Die Hochschulen überall auf der Welt sind die Keimzellen des Fortschritts und der Humanität. Warum? Weil dort denkende junge Menschen studieren, die ihre Zukunft noch vor sich haben und die sich gottseidank Mitmenschlichkeit bewahrt haben. Seien wir stolz auf unseren akademischen Nachwuchs, ich bin es jedenfalls.

    • @Fred Feuerstein:

      Besuchen Sie doch mal die Sitzung eines Studierendenparlaments. Wichtiges Engagement, aber von Humanität kaum eine Spur. Statt studentischer Selbstverwaltung herrscht dort parteipolitischer Wahlkampf wie auf Bundesebene, bei dem sich die noch kleinsten Lichter schon für die größten Berufenen halten.

      Gut, Spaß beiseite. Das war natürlich ein sehr selektives Beispiel. Aber nach meiner Erfahrung sind Hochschulen ein Mikrokosmos der Welt, sprich: eine diverse Mischung unterschiedlicher Auffassungen. Bedenken Sie, wie viele AfD-Politiker*innen eine teils höhere akademische Bildung haben und auch selbst im Hochschulwesen tätig waren.

    • @Fred Feuerstein:

      Hamas-Sympathie, Terror-Befürwortung als "Keimzellen des Fortschritts und der Humanität"?



      Wo leben Sie?

      • @JohnReed:

        Des einen Terroristen sind desanderen Freiheitskämpfer oder "moderate Rebellen".

      • @JohnReed:

        Das wissemer nicht so genau.



        Warum auch? But.



        Sie? Ruhen doch schon - alllang vor der Kremlmauer. (In welcher Auflage auch immer!;)



        “Verfassungsschutz an Unis



        Das falsche Mittel



        Frederik Eikmanns



        Kommentar von Frederik Eikmanns



        Die Antwort auf Antisemitismus an den Hochschulen ist Bildungsarbeit. Geheimdienstler, wie Klein sie vorschlägt, haben dort nichts zu suchen.



        taz.de/Verfassungs...-an-Unis/!6070307/



        anschließe mich

  • Na Servus - Umsiedlung Gaza ala Klein -

    Warum nur fällt mir nur dess grad ein?!



    “"Auf den Wällen der alten Festung verbringt bei strahlender Sonne jeder gern ein paar Stunden seiner Freizeit." Unterlegt ist die Aufnahme mit einer Instrumentalversion des jiddischen Swing-Schlagers "Bei mir bistu shein".



    www.spiegel.de/ges...ege-a-1011859.html



    “Während Sie Ihr Haus renovieren, schlafen Sie schließlich auch nicht darin“

    Na Mahlzeit