Mehr Geld für die Bundeswehr: Bedingt kriegstüchtig
Verteidigungsminister Pistorius hat mit neuen Leitlinien vorgelegt. Kanzler Scholz sichert ihm nun dauerhaft mehr Mittel für die Bundeswehr zu.
Der Schwerpunkt soll künftig viel stärker auf der Landes- und Bündnisverteidigung liegen, weniger auf Friedenseinsätzen. Dazu soll die Ausstattung der Bundeswehr besser werden. Das bedeutet, er will die Anzahl der Streitkräfte erhöhen und in Ausbildung sowie Material investieren.
Wie ernst Pistorius es mit seiner Ankündigung meint, zeigt sich in den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien. Der Verteidigungsminister und sein Generalinspekteur Carsten Breuer betonen in dem Grundsatzdokument: „Wir müssen Rückgrat der Abschreckung und kollektiven Verteidigung in Europa sein. Unsere Bevölkerung, aber auch unsere Partner in Europa, Nordamerika und der Welt erwarten von uns, dass wir uns dieser Verantwortung stellen.“
Auslöser für die Reform ist für Pistorius der russische Angriffskrieg – und damit auch eine veränderte Bedrohungslage. „Der Krieg ist mit Putins brutalem Angriff gegen die Ukraine nach Europa zurückgekehrt“, erklärte der Minister anlässlich der Vorstellung.
Umbauen, umstrukturieren, reformieren
Dazu will Pistorius umbauen. Und zwar im großen Stil. Das Ministerium soll „schlanker“ werden – die Stellen dafür in die Bundeswehr wandern. Und er will die „strategische Steuerungsfähigkeit“ stärken. „Mit dieser neuen Organisation wollen wir zu besseren, mutigeren und schnelleren Entscheidungen beitragen“, betont Pistorius. Konkret heißt das, wie am Freitag bekannt wurde, dass drei Unterabteilungen des Ministeriums aufgelöst werden.
Mehr als 200 Dienstposten werden aus dem Ministerium in den nachgeordneten Bereich der Bundeswehr verlagert. Hinzu kommt: Mehr als 1.000 Dienstposten – und damit mehr als ein Drittel des Hauses – sollen intern umstrukturiert werden. Laut Verteidigungsministerium ist das die größte Strukturänderung im Ressort seit 2012.
Strukturen ändern ist das eine. Pistorius wird aber perspektivisch deutlich mehr Geld für sein Vorhaben benötigen. Auch dazu brachte er vor den finalen Haushaltsberatungen in der kommenden Woche seinen Satz der „Kriegstüchtigkeit“ ins Spiel. Auch sein Vorhaben, rund 4.000 Soldat:innen dauerhaft in einer Brigade in Litauen zu stationieren, wird einiges kosten. Für den Aufbau der Infrastruktur vor Ort, zum Beispiel für Kasernen, hat die litauische Regierung bereits beim Nato-Gipfel in Vilnius finanzielle Unterstützung zugesagt. Um gut ausgebildete Streitkräfte für den Dienst in Litauen zu werben, soll es laut Spiegel zudem Prämien geben. Dies sind alles Ausgaben, die gedeckt werden wollen.
Kanzler unterstützt Pistorius
Kanzler Olaf Scholz ist voll des Lobes für die Pläne seines Ministers und SPD-Parteikollegen und sagte Pistorius am Freitag bei der Bundeswehrtagung deutlich höhere Verteidigungsausgaben im zweistelligen Milliardenbereich zu. Dauerhaft. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hatte Scholz ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr eingerichtet.
Für den Kanzler ist dies nur „ein erster Schritt“. Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen nun dauerhaft für die Verteidigung bereitgestellt werden. Für dieses Ziel müssten absehbar mehr als 20 Milliarden Euro zusätzlich im Jahr in den Etat des Ministeriums fließen. Erstmals wird Deutschland im kommenden Jahr das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreichen.
Mehr Geld und neue Strukturen: Pistorius hat die Messlatte für die Reform der Bundeswehr hoch gehängt. Viel Zeit wird er für seine Maßnahmen nicht haben. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Bündnisstaaten beim Ukraine-Krieg bereits auf eine „Langstrecke“ eingeschworen. Auch im Nahen Osten werden die Kapazitäten der Bundeswehr gefragt bleiben. Sei es für Evakuierungseinsätze, wie sie bisher aus Zypern geplant werden, oder für militärische Unterstützung und Ausrüstung der israelischen Armee.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken