Medienkonsum am rechten Rand: Dieselben News, anders gedreht
Woher bekommen Rechte, Aluhüte und sonstige Spinnende so ihre Nachrichten? Na, aus den klassischen Medien, genau wie alle anderen auch.
A llgemeingültigkeit ist immer der Fehlschluss von sich auf andere. Da wäre zum Beispiel die These, dass alle Rechten/Aluhüte/sonstigen Spinnenden in ihrer Filterblase gefangen seien: bestens umsorgt von den eigenen, „alternativen“ Medien. Und deshalb: Kannste nix machen, kommste eh nich ran. Eine Untersuchung des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) legt jetzt aber nahe, dass sogenannte alternative Medien für Rechtsextremisten eine geringere Bedeutung haben als bislang angenommen.
Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Rechtsextreme die als „Lügenpresse“ diffamierten Medien wahrnähmen und sogar brauchten. Ach guck! Die Szene lese dasselbe politische Tagesgeschehen, bediene sich aber Mechanismen, um es in ihrem Sinn darzustellen. Man hat dafür Facebook- und Twitter-Profile bundesweit wichtiger rechtsextremistischer Gruppen und Einzelakteure ausgewertet. Nur knapp ein Viertel der untersuchten Posts und Tweets stammten aus „alternativen“ Medien. In mehr als drei Vierteln aller Fälle liefern also klassische Medien das „Argumentationsmaterial“.
Die geposteten Artikel seien für sich genommen überhaupt nicht rechtsextremistisch, würden aber „in einer Art und Weise präsentiert, die sich nahtlos in ein rechtsextremistisches Weltbild einfügt“, sagt Ann-Christin Wegener. Wegener leitet beim LfV Hessen die – Achtung, einatmen – „Phänomenbereichsübergreifende wissenschaftliche Analysestelle Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit“, kurz PAAF.
Fast wäre es bequemer, bei der Idee von der Filterblase zu bleiben. Passt aber leider nicht, weshalb auch die klassischen Medien nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden können. Natürlich können sich Medien nicht davor schützen, dass man ihre Inhalte aus dem Zusammenhang reißt, verdreht und dann phänomenbereichsübergreifendend missbraucht. Sie sollten sich diese Möglichkeit aber stärker vor Augen führen.
Bitte auf dem Teppich bleiben
Die wesentliche Frage ist, welchem Affen man mit welcher Berichterstattung, Kommentierung und/oder emotionaler Zuspitzung da eigentlich Zucker gibt. Denn letztlich geht es allen Rechten/Aluhüten/sonstigen Spinnenden immer nur um eins: maximale Aufmerksamkeit.
Heißt: Wir brauchen nicht gleich den nationalen Notstand ausrufen, nebst Ansprache des Bundespräsidenten, wenn Kleingruppen versuchen, in einer sitzungsfreien Woche in den Reichstag zu latschen. Symbole hin oder Werte her, wir sollten auf dem Teppich bleiben. Wer sich dadurch um seine wohlig-schauernde Dystopie gebracht sieht, kann ja Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ lesen. Von dem stammt übrigens auch der erste Satz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit