Medien im Jahr 2018: Da kommt was auf uns zu

2018 wird ein wichtiges Jahr für viele Medien. Diese vier Fragen werden Verlage und Sender in diesem Jahr beschäftigen.

Ein Mann isst Pommes

Pommes zum Beispiel: ein guter Snack. Kann Journalismus auch snackable werden? Foto: Carlos Osorio/AP

1. Wie durchsticht man die eigene Blase?

Martin Schulz war ein Opfer der Medien, sagen die einen. Er habe es nicht verstanden, die Medien richtig zu bedienen, sagen die anderen. Fakt ist, der Schulz-Hype, der Anfang 2017 durch viele Blätter wehte, war mediengemacht. Nachdem Sigmar Gabriel Ende Januar Martin Schulz als Nachfolger und als SPD-Kanzlerkandidat vorschlug, jubelte es von den Titelseiten: „Merkels gefährlichster Gegner“ (Focus), „Aufschlag SPD“ (Die Zeit), „Sankt Martin“ (Spiegel, der Schulz vor einem Heiligenschein zeigte). Den Jubeltexten folgten von Medien beauftragte Umfragen, in denen die Schulz-Werte stiegen und stiegen. Medienecho-Demoskopie nennen das die Statistiker.

Als die Bundestagswahl vorbei war, führte der journalistische Herdentrieb die politischen Berichterstatter nach Berlin-Mitte. „Lungerjournalismus“ beschrieb Medienkritiker Stefan Niggemeier das, was während der Sondierungen zu beobachten war: Hauptstadtjournalisten im Dauereinsatz, Berichte über die Handtasche von Claudia Roth und die Hemden von Wolfgang Kubicki und ein Festspiel der Karibik-Metaphern.

Kaum waren die Gespräche gescheitert, beeilten sich die Leitartikler, unbeirrt von dem, was sie noch bis gestern als gültig erklärt hatten, zu schreiben, warum die SPD nun dringend wieder in eine GroKo einsteigen müsse.

Und was haben wir jetzt? Weder Jamaika noch GroKo, noch einen Sankt Martin. Die Lehren aus dem Brexit und dem Wahlsieg Trumps waren ja eigentlich: Wieder raus zu den (normalen) Leuten. Es gab in diesem Jahr zaghafte Projekte, die das versuchten, aber keines schaffte es so in den Fokus wie die teils hysterischen Jamaika-Beobachtungen.

2. Wie wird Journalismus snackable?

Das Internet ist übervoll. So viel Journalismus, so viel Unterhaltung, so viel Quatsch. Das Publikum ist erschlagen. Damit LeserInnen die guten Inhalte leichter finden, haben Medienhäuser angefangen, ihren Journalismus besser zu verpacken. Snackable, könnte man auch sagen. Spiegel Online startete Spiegel Daily, eine digitale Abendzeitung, die den Leser in den Feierabend begleiten soll. Läuft nicht, hört man aus Hamburg. Zeit Online, die Süddeutsche, der Spiegel und die FAZ haben außerdem angefangen zu podcasten.

Die Frage für 2018 lautet: Welchen Formaten schenken die Leser ihre (wenige) Zeit? Und (wie) kriegt man sie dazu, dafür zu bezahlen?

3. Wie weiter mit den ­Öffentlich-Rechtlichen?

2018 wird ein wichtiges Jahr für die Öffentlich-Rechtlichen, nicht nur in Deutschland. Am 4. März stimmen die Schweizer über die Rundfunkgebühren ab. 451 Franken zahlen sie momentan pro Jahr für ihre vier Programme in den Landessprachen. Das sind knapp 400 Euro, in Deutschland zahlt ein Haushalt 210 Euro. Die Schweiz hat damit den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt. Weil das Unternehmen, das die Gebühr einzieht, Billag heißt, nennt sich die Initiative, die die „Zwangsgebühr“ abschaffen möchte, „No Billag“.

In ihr sind unter anderem die Rechtspopulisten der Schweizerischen Volkspartei engagiert – und das mit Erfolg: Laut einer aktuellen Umfrage ist gut die Hälfte der Schweizer momentan für die Abschaffung. Kaum eine andere Mediendebatte der letzten Jahre lief so schrill wie die um den ­Billag. Der Präsident der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) warnt, dass er 6.000 Mitarbeiter*innen ­entlassen und die französischen, italienischen und romanischen Programme einstellen müsste, wenn die Gebühr wegfiele, Kulturverbände fürchten ihr Ende.

Auch im Nachbarland Österreich steht der öffentlich-rechtliche ORF unter Druck. Die neue rechtspopulistische Koalition aus ÖVP und FPÖ hat nach der Nationalratswahl eine satte Mehrheit im Aufsichtsgremium des Senders. Hans-Christian Strache, Ex-Burschenschaftler und jetzt Vizekanzler, hat bereits angedeutet, was die Regierenden vorhaben: „Optimierungen“ an der Objektivität wolle man vornehmen. Das Programm solle vermehrt für eine „nachhaltige Identitätssicherung“ sorgen, in dem die „Leistungen österreichischer Künstler, Sportler und Produzenten“ stärker verankert würden.

Im Gegensatz dazu herrscht bei den deutschen Öffentlich-Rechtlichen ja fast eitel Sonnenschein. Druck kam in der letzten Zeit allerdings von Seiten der Zeitungsverleger. Deren Verbandspräsident Mathias Döpfner wirft der ARD vor, mit ihren Webseiten „öffentlich-rechtliche Gratispresse“ zu betreiben. Der WDR ist vorgeprescht und hat seine Onlinetexte radikal gekürzt. Aus den meisten anderen Anstalten heißt es, man werde dem WDR-Modell nicht folgen. Einen Kompromiss mit den Verlegern wolle man aber erreichen. Wie der aussehen könnte, interessiert auch die Ministerpräsidenten.

Im Februar beraten sie über den Telemedienauftrag, also die Frage, was die Öffentlich-Rechtlichen im Netz dürfen und was nicht. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die der Rundfunkkommission der Länder vorsitzt, will unter anderem die Siebentageregel kippen. Die verpflichtet die Sender, die meisten Filme nicht länger als sieben Tage in ihren Mediatheken stehen zu lassen. Allerdings dürften die meisten Inhalte selbst ohne die Siebentageregel nicht unbegrenzt online sein. Deren Verweildauer ist auch eine Frage der Rechte und damit teuer.

Und beim Geld wird es für ARD, ZDF und Deutschlandradio bekanntlich eng. Im vergangenen Herbst haben sie ihre Reform- und Einsparpläne vorgelegt, ob die ausreichen, ist unklar. Bis 2020 ist der Rundfunkbeitrag auf 17,50 Euro pro Haushalt im Monat festgelegt. Wie es danach weitergeht, wird die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) 2019 in ihrem nächsten Bericht darstellen. Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Willhelm, der am 1. Januar den Vorsitz der ARD übernommen hat, sagt, wenn die Rundfunkgebühr nicht wenigstens an die Inflation angepasst würde, müsse am Programm gespart werden.

Die MinisterpräsidentInnen sind sich uneinig, ob sie einer Erhöhung zustimmen würden. Der Einzug der AfD in diverse Landtage hat PolitikerInnen in die Länderparlamente gebracht, die die Öffentlich-Rechtlichen am liebsten ganz abschaffen würden. Das scheint auch in die anderen Parteien hineinzuwirken: Im Oktober 2017 hatte der sachsen-anhaltinische Medienminister, Rainer Robra (CDU) gefordert, die nationale Berichterstattung solle künftig allein beim ZDF liegen, die ARD sich auf regionales Programm beschränken. Der bayerische Noch-Ministerpräsident, Horst Seehofer (CSU), fordert, ARD und ZDF zusammenzulegen. Beides sind Vorschläge, die Populismus bleiben dürften. Spannend wird aber, wie sehr sich die starke AfD in den ostdeutschen Landtagen durchsetzt, wenn es um den Rundfunkbeitrag geht.

4. Werden Redaktionen endlich bunter und weiblicher?

Als das Reporterforum im November die Nominierten für den Reporterpreis 2017 bekannt gab, ging ein erstes Raunen durch die Branche: Wo sind denn da die Frauen? Dann verlieh das Handelsblatt den Georg-Holzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik, und auf der Bühne standen: null Frauen. Der Reporterpreis wurde verliehen und auf der Bühne standen 4 Frauen und 30 Männer.

Und während auf diesen Abenden, wie als seien wir in den 50ern stecken geblieben, die Frauen gezählt wurden, gab sich die Branche an anderen Stellen erstaunlich progressiv: Verlage und Anstalten (ARD, ZDF, Springer und auch die taz) diskutieren über Diversity und schulen ihre MitarbeiterInnen. Denn es fehlen nicht nur die weiblichen Führungskräfte in den Medien, sondern auch die Schwarzen, die Ostdeutschen, die Arbeiterkinder, die Behinderten und so weiter. Warum es die braucht? Siehe Punkt 1.

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