Massenproteste in der Slowakei: Tausende gegen Robert Ficos pro-russischen Kurs
In mehr als 40 Städten gingen wieder Menschen gegen die slowakische Regierung auf die Straße. Diese gibt sich seit Langem russlandfreundlich.

Wien taz In der Slowakei haben am Freitag erneut Tausende Menschen gegen die russlandfreundliche Politik von Ministerpräsident Robert Fico protestiert. In mehr als 40 Städten gab es Kundgebungen, wie die Organisatoren mitteilten. Allein in der Hauptstadt Bratislava versammelten sich nach Medienberichten rund 10.000 Demonstrant:innen auf dem Freiheitsplatz. Die aktuellen Demonstrationen reihen sich in bereits monatelange Proteste gegen Ficos illiberale Politik ein – etwa gegen seine Kulturpolitik.
Organisiert wurden die Proteste von Mier Ukrajine (Frieden für die Ukraine). Die Bürgerinitiative setzt sich für eine stärkere militärische Unterstützung des angegriffenen Nachbarlands ein und sammelt dafür Spenden. Nach seinem Wahlsieg im Herbst 2023 hatte Fico die militärische Unterstützung der Ukraine aus slowakischen Armeebeständen eingestellt. Dennoch werden Waffenverkäufe an die Ukraine fortgesetzt, und die Slowakei liefert weiterhin „nicht tödliche“ Güter wie Minenräumgeräte und Stromgeneratoren.
Immer wieder hatte Fico die Ukraine aufgefordert, einem für sie nachteiligen Waffenstillstand unter russischem Diktat zuzustimmen. Besonders sein Besuch bei Kremlchef Wladimir Putin im letzten Dezember hatte die Gemüter erhitzt. Die Protestbewegung wirft dem linkspopulistischen Ministerpräsidenten vor, den Interessen Moskaus zu dienen und die Slowakei von Europa zu entfernen. Auf Transparenten bezeichneten Demonstranten Fico als „Verräter“.
Fico deutet Austritt aus EU und Nato an
Große Empörung lösten auch Ficos jüngste Äußerungen zur EU und Nato aus. Der Ministerpräsident deutete an, einen Austritt aus beiden Bündnissen in Erwägung zu ziehen – eine für viele Slowaken beunruhigende Vorstellung. Zudem verschärfte sich der Konflikt mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, nachdem die Ukraine den Transit von russischem Gas nach dem Auslaufen eines Fünfjahresvertrags eingestellt hatte. Das traf die Slowakei hart, die sich ähnlich wie Ungarn bis zuletzt auf russisches Gas verlassen hatte.
Die Proteste wurden zusätzlich angeheizt durch provokante Aussagen von Ficos engsten Vertrauten. Sein Chefberater Erik Kaliňák sorgte kürzlich für Kritik mit der Bemerkung, die Slowakei „würde endlich einen zuverlässigen Nachbarn haben“, falls Russland die Ukraine erobern sollte. Für Aufregung sorgte auch Ľuboš Blaha, EU-Parlamentarier und prominenter Vertreter von Ficos Partei Smer. Es sei eine „Tatsache, dass der Westen verliert und Russland gewinnt“, sagte er Anfang März bei einem Treffen mit dem Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SVR in Moskau.
„Systematische Schritte zur Übergabe an Russland“
Selbst der slowakische Präsident Peter Pellegrini distanzierte sich von solchen Äußerungen und erklärte, das Verhalten einiger Koalitionspolitiker sei „nicht besonders hilfreich“. Der frühere Regierungschef Igor Matovič warf den Koalitionsparteien etwa vor, „systematische Schritte zu unternehmen, um die Slowakei an Russland zu übergeben“.
Immerhin, beim EU-Sondergipfel letzten Donnerstag stimmte Fico gemeinsam mit allen anderen Mitgliedsländern außer Ungarn für verstärkte Militärhilfe an die Ukraine. Fico ließ sich seine Zustimmung jedoch entgelten: Er rang der Europäischen Kommission eine Erklärung ab, dass die EU-Staaten die Slowakei künftig mit billigem Gas versorgen werden. Anders als Ungarn hat die Slowakei in letzter Zeit nicht von ihrem Vetorecht im Europäischen Rat Gebrauch gemacht.
Einerseits, weil Fico mit seiner wackligen Regierungsmehrheit deutlich weniger fest im Sattel sitzt als sein ungarischer Kollege Viktor Orbán. Aber wohl auch wegen des zunehmenden Drucks der Straße, der Robert Fico durchaus noch unangenehm werden könnte.
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