piwik no script img

Marxismus und DigitalisierungDie automatische Revolution

Streng nach Marx stünde das kapitalistische System im aktuellen digitalen Zeitalter kurz vor dem Zusammenbruch. Stimmt das?

Amazon-Mitarbeiter in Pforzheim – werden sie bald durch Maschinen ersetzt? Foto: dpa

„Das Kapital“ wird dieses Jahr 150 Jahre alt. Allerdings sieht der Kapitalismus heute fundamental anders aus als zu Marx’ Zeiten: Industrie 4.0 und Digitalisierung bestimmen die Gegenwart. Das Internet ist zur Schlüsseltechnik dieser Entwicklung geworden. Ist die Marx’sche Analyse im digitalen Zeitalter noch nützlich – oder hat der digitale Kapitalismus sie überholt?

Plattformen wie das Online-Taxiunternehmen Uber oder der Bringdienst Deliveroo verkaufen selbst keine Waren, sondern verbinden und vermitteln. Sie verkaufen Zugang. Auch bei den Internetriesen Google, Amazon oder Facebook erfolgt die Wertschöpfung ohne klare Übertragung von Eigentumsrechten; die Grenzen zwischen Produzent_innen und Konsument_innen lösen sich in kollaborativen Produktions- und Konsumtionsprozessen auf. Wenn ich bei Facebook oder Twitter etwas teile, wird dies verwertet. Ohne eigentliche Arbeit macht das Unternehmen – durch Werbung – Profit. Konkret produziert wird nichts, verdient dafür aber so einiges.

Der digitale Kapitalismus, so die Annahme, basiert vorrangig auf Kreativität und Know-how: Selbstlernende Maschinen übernehmen die Produktion, Wissen ersetzt körperliche Arbeit. Immer mehr Waren können in immer weniger Zeit von immer weniger Menschen produziert werden. Damit einher geht die Angst von Beschäftigten, ihren Job zu verlieren, durch einen Algorithmus oder eine Maschine ersetzt zu werden. Wenn man alldem Glauben schenkt, befinden wir uns in einer weiteren industriellen Revolution: der Revolution 4.0.

Bei solch fundamentalen Veränderungen lohnt es sich, grundsätzlich zu werden. Bei Marx selbst findet sich Material, das dabei helfen kann, die digitalen Technologien und die Digitalisierung der Arbeitswelt besser verstehen zu können. Denn nicht nur Marx’ allgemeine Betrachtungen der kapitalistischen Logik verdienen Aufmerksamkeit, sondern auch seine expliziten Gedanken zur Rolle von Wissen und Technik. Das „Maschinenfragment“ aus den „Grundrissen“ bietet hier reichhaltiges Material.

Das Kapital schafft sich selbst ab

Das Konkurrenzprinzip zwingt Unternehmer ständig dazu, besser zu sein als andere, zu investieren und fehlerhafte Menschen durch scheinbar fehlerlose Maschinen, Algorithmen zu ersetzen. In diesem Prozess nimmt der Anteil der konkreten lebendigen Arbeitskraft im Produktionsprozess immer weiter ab. Der Anteil der Maschinen steigt. Für die Entwicklung und den Einsatz von Technologie ist zunehmend Wissen notwendig. Wissen wird Voraussetzung und zum dominierenden Bestandteil der Produktion: Algorithmen produzieren scheinbar selbstständig, Informationen werden zu Ware, Daten zur Währung.

Im „Maschinenfragment“ spielt Marx nun diese Entwicklung wie ein Mathematiker durch, der eine Kurve gegen null gehen lässt. Was passiert, wenn lebendige Arbeitskraft immer weiter abnimmt und der Anteil des Wissens und der Maschinen immer weiter zunimmt? Die Annäherung an den Nullpunkt wäre die komplett automatisierte Welt mit einem verbliebenen Superroboter, der nur noch einen Arbeiter braucht, der den An-und-Aus-Knopf bedient.

Eine komplett automatisierte Welt bräuchte einen einzigen Arbeiter – für den An-und-Aus-Knopf

Der Kapitalismus stünde vor einem fundamentalen Problem; ihm ginge der Nährboden aus. Es gäbe niemanden mehr, den das Kapital ausbeuten könnte. Profit schaffen in der Marx’schen Terminologie Maschinen aber nur in Verbindung mit der menschlichen Arbeitskraft. Ebenso gäbe es in diesem Szenario keine Konsument_innen mehr, die sich die Waren leisten könnten. Wenn nun die auf menschlicher Arbeitskraft beruhende Form der Produktion aufhört, bricht dieses System, wie Marx selbst sagt, zusammen. Das Kapital schafft sich selbst ab.

Nur eine Fiktion?

An diese Gedanken schließt Paul Mason in seinem vieldiskutierten Buch „Postkapitalismus“ an. Für Mason ist das Szenario des Maschinenfragments bereits Realität. „Der Kapitalismus ist ein komplexes System, das an die Grenzen seiner Anpassungsfähigkeit gestoßen ist“, schreibt er. Der Kapitalismus stehe kurz vor seinem Untergang: Informationen und Netzwerke stehen allen frei zur Verfügung. Es gibt keine Knappheit an ihnen, was es für den freien Markt unmöglich macht, Preise festzulegen. Durch diese interne Entwicklung erledigt sich der Kapitalismus, so Mason, von selbst – ganz ohne Revolution oder Arbeiter_innenklasse.

Skeptischer ist Michael Krätke, Professor für Politische Ökonomie an der Uni Lancaster: „Marx’ Analysen der technologischen Entwicklung seiner Zeit haben sicher einen Gebrauchswert für die Analyse der gegenwärtigen Entwicklung.“ Jedoch sei die Überhöhung dieses Textabschnitts „eigentlich grotesk. Was Marx absolut nicht behauptet, ist alles, was in den Text hineingedeutet wird: dass Wissen an die Stelle von Arbeit trete oder dass die Bedingungen des Marktes gesprengt würden. Paul Mason liest da hinein, was da nirgends steht. Er ist kein Ökonom, und von der IT versteht er nichts“, so Krätke.

Also ist die menschenleere Fabrik oder das menschenleere Büro, in denen Maschinen die Belegschaft ersetzt haben und der Mensch nur noch, wie Marx sagt, „Wächter und Regulator“ ist, eine Fiktion?

Technischer ist nicht gleich sozialer Fortschritt

Der Blick auf die globale Entwicklung zeigt aber, dass der Fortschritt der Digitalisierung weder die Fabrikarbeit abschafft noch gute Jobs für alle ermöglicht. Auf der einen Seite bringt der digitale Kapitalismus neue Formen der prekären, eintönigen und körperlich wie psychisch belastenden Schufterei. Auf der anderen Seite gehen mit ihm neue, durchaus progressive Lebens- und Arbeitsformen einher: Die Millennials, die Generation der nach 1980 Geborenen, kennt keine Welt mehr ohne Smartphones oder Wikipedia, sie ist aktiv in Projekten und weltweit vernetzt. Frei verfügbares Wissen ist eine Ressource, von der Marx nur geträumt hätte. Bringen Maschinen und Algorithmen nun mehr Freiheit oder stellen sie eine neue Form der Unterdrückung dar?

Technik ist immer in ein Gesellschaftssystem eingebettet, birgt aber auch die Möglichkeiten, dies zu verändern. Dietmar Dath bringt dies in seinem Essay „Maschinenwinter“ auf den Punkt. Alle Technik „erhält Keimformen der Freiheit ebenso gut wie Blaupausen der Unterdrückung, von denen keine je abgegolten, je ganz eingelöst, je ganz überwunden wurde“.

Unter kapitalistischen Bedingungen bedeutet technischer Fortschritt nicht zwingend sozialen Fortschritt – es kann sogar ins Gegenteil umschlagen. Um dies zu verstehen, lohnt es sich weiterhin, Marx zu lesen. Seine genauen Analysen bewahren davor, voreiligen Untergangsszenarien, wie Mason sie formuliert, zu folgen. Gegenüber solchen Schnellschüssen bleibt deshalb im Anschluss an Marx die Erkenntnis, dass der Einsatz für eine Digitalisierung, welche die Lebensbedingungen der Menschen verbessert, notwendig mit der Kritik an der kapitalistischen Konkurrenz- und Verwertungslogik verbunden bleiben muss.

Oder, wieder dialektisch, mit Dath gesprochen: „Zerschlagt die Apparate, aber schützt die Bauanleitungen.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

33 Kommentare

 / 
  • Der Autor sollte den wirklichen sozialen, ökonomischen und ökologischen Zustand der realen Lebensbedingungen und Lebensverhältnisse der großen Mehrheit der Menschheit nicht aus dem Blick verlieren.

     

    “Industrie 4.0 und Digitalisierung bestimmen die Gegenwart“ und den Reichtum der Wirtschaftsmetropolen. — Auch hier vor allem einer Minderheit der Kapitalisten, Hauptaktionäre und Stammbelegschaften – der hochqualifizierten und differenzierten m/w Arbeiteraristokratie und Beamtenbürokratie.

     

    Zur realen Macht und Herrschaft der Finanz- und Monopolbourgeoisien, weltweit. Insbesondere aber auch in den sozioökonomischen, ideologischen und militärischen Wirtschafts- und Reichtumsmetropolen: Vereinigten Staaten, EU-Europa, Japan und China [- entwickelten Küstenregionen und Provinzen].

     

    Die imperialistische Politik und Ökonomie der Wirtschafts- und Konsummetropolen unterwirft die Mehrheit der Menschheit.

     

    Merke: Wir sollten nicht aus den sozioökonomischen Lebensverhältnissen im Kapitalismus von weniger als 20 Prozent der Menschheit auf die gesamte Lebenssituation von 7,5 Mrd. Menschen schließen. Mehr als 80 Prozent der Menschheit befinden sich außerhalb der sozialen und ökonomischen Lebenssphäre einer sozioökonomischen Minderheit der Menschheit und sind zugleich deren “Industrie 4.0 und Digitalisierung“ -weltweit- ökonomisch, geopolitisch, militärisch -imperialistisch- unterworfen.

     

    Der Autor sollte sich mit der weltweiten Unterwerfung und Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft beschäftigen. Ebenso aber auch mit der tiefenpsychologischen Manipulation des Massenbewusstseins, der geistigen Entmündigung und Entfremdung der Menschen –in allen sozialen Klassen und Schichten– der Wirtschafts-, Wohlstands-, Konsum- und Reichtumsmetropolen. So auch in der Bundesrepublik Deutschland und deren “Industrie 4.0" und allumfassenden geistigen “Digitalisierung“ in der Gegenwart.

     

    - unvollständig, aber auch ungeschminkt.

     

    PS: Die User-Kommentatoren sollten Marx und Engels lesen und durchdenken!

  • Interessanter Ansatz, allerdings greifen die Überlegungen imho an manchen Stellen zu kurz. So stehen Informationen nicht frei zur Verfügung, sie werden in der Regel durch Werbung finanziert. Für die Diskussionen um die Differenz (und damit verbundene Potenziale und Gefahren) einer commons-basierten und einer postdemokratischen Entwicklung wäre eine Berücksichtigung von Stalders Kultur der Digitalität interessant (https://netzpolitik.org/2016/rezension-kultur-der-digitalitaet-von-felix-stalder/). Für die eher ökonmische Perspektive kann man bei einem solchen Artikel nicht argumentieren, ohne auch Rifkins Null-Grenzkosten-Gesellschaft zu berücksichtigen, das meines Wissens ja auch recht großes Echo in den Feuilletons hatte (vgl. https://netzpolitik.org/2014/jeremy-rifkin-ueber-die-null-grenzkosten-gesellschaft/ oder https://www.perlentaucher.de/buch/jeremy-rifkin/die-null-grenzkosten-gesellschaft.html).

  • Wenn es irgendwann künstliche Intelligenz geben wird müsste auch die Revolution vollautomatisch kommen. Sonst wäre die künstliche Intelligenz ja nicht intelligent.

    • @Rudolf Fissner:

      Revolutionen sind doch nie ein Ergebnis von Intelligenz, sondern immer primär eine Folge von Ungleichheit und Ungerechtigkeit.

    • @Rudolf Fissner:

      Das scheitert daran, dass der künstlichen Intelligenz nur Logos innewohnt, Ethos vll noch beizubringen ist, doch mit Pathos, dieser notwendigen Herzensangelegenheit, wohl niemals zu erfüllen sein wird.

      • @lions:

        Dann brauchts dafür ein Turing-Test: wenn es dann quackt wie ein Revolutionär ... dann ist es ein Revolutionär. ;-)

  • Die Marx'sche Arbeitswerttheorie ist bis heute unerreicht. Klassik, Neoklassik und Neoliberalismus kennen nichts Vergleichbares, seit jeher sparen sie das Thema des Werts der Arbeit und der Arbeiter aus. (Übrigens waren auch für DDR und Sowjetunion weite Teile von Marx viel zu heikel und wurden weggelassen.)

     

    Die "automatisierte" Fabrik lässt sich mit Marx gut erklären: Stichwort "geronnene Arbeit", d. h. die Arbeiten anderer sind hier eingeflossen und tun es immer noch, auch Wissensarbeiter, Produktionsgewohnheiten und -erfahrungen. Das kann IT sehr gut "abbilden", wie sie es selber nennt. Krätke hat recht!

     

    Die "vollautomatische" Fabrik kann es nicht geben, sie ist natürlich ein Märchen, ein Narrativ, mit dem die herrschende Meinung die Gegenwart zu verstehen versucht. Maschinerie, Technologie und Arbeitsteilung gab es schon zu Marx' Zeit. Was ist neu daran, wenn bestimmte mechanisierte Tätigkeiten weiter automatisiert werden?

     

    Bei der künftigen "Digitalisierung" geht es nach meiner Meinung vor allem um Dienstleistungen! Denn hier machen Computer die weitere Verlagerung von Tätigkeiten in Billiglohnbereiche möglich. Dies betrifft Logistik, Distribution und Vertrieb. Die Computer machen hier die weitere Aufsplitterung von Arbeiten, ihr Controlling (Kostensenkung) und ihre Aufteilung möglich.

     

    Über die Verlagerung in Billiglohnbereiche durch Digitalisierung sollte die Linke diskutieren:

    - mit Mindestlohn im Inland

    - unter Mindestlohn (sehr weit verbreitet in Saxn) oder nach Osteuropa, wenn Sprachkenntnisse nötig sind (z. B. für Buchhaltung, einfache Callcenter)

    - sonst nach China (Werkbank) oder in die abgehängten, "peripheren" Länder.

     

    Größere Teile der Belegschaften in Deutschland haben gar nichts gegen solche Aufteilungen, solange sie ihren Job behalten und den Randbelegschaften, Prekären und Abgewerteten sagen können, "wo es lang geht".

    Die Linke, als sie noch gehört wurde, nannte das Entsolidarisierung.

  • "oder hat der digitale Kapitalismus sie überholt?"

     

    Wenn man sich die neuen IT Riesen Google, Apple, Facebook, Amazon anschaut - würde ich sagen ja.

     

    Die Menschen im Westen sind digital versklavt und wenn man sieht was im kommunistischen China mit den AAA- Bürger Bewertung durchgezogen wird

    kommt es zur totalen "Versklavung"

     

    So gesehen sind die Chinesen als Kommunisten Marktführer was das betrifft...

    http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2017-11/china-social-credit-system-buergerbewertung

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Das, was zu Marx' Zeiten Kapitalismus war, gibt es schon nicht mehr. Nimmt man den Hegelianismus mal weg, nach dem es eine notwendige Geschichtsentwicklung geben soll, dann wird aus der ''Untergangsprophezeiung'' eine ''Offenbarungsprophezeiung'', in der Form, dass das fiktive Kapital die klassisch kapitalistische Form der gesellschaftlichen Produktion ad absurdum führt.

     

    Die klassische kapitalistische Wertschöpfung durch 1. Kapitalakkumulation und 2. Investition dieses Kapitals wurde schon 1982 als dynamische Triebkraft der Entfaltung der Kräfte des Kapitals abgelöst. Zeitgleich mit der Einführung der (neo-)liberalen Arbeitsmarkt- und Sozialreformen durch die CDU und die FDP, von der das Lambsdorff-Papier stammte, das diesen Weg beschrieb, wurde auch die Geldproduktion auf das so genannte Keystroke-Prinzip umgestellt. Dabei werden bei der Kreditvergabe in den Banken den Kunden per Entertastendruck Guthaben gutgeschrieben. Die ökonomische Theorie, dass Menschen ihr Geld bei Banken anlegen und diese dieses Geld dann verleihen, stimmt nicht mehr. 2017 hat das die Bundesbank auch zugegeben. Sehr vertrauenswürdig, in der Tat.

     

    Yannis Varoufakis konstatiert, dass der Kapitalismus 2008 gescheitert ist, als der 'Rettungsschirm' für Banken eingeführt wurde. Er nennt dieses System, das es seitdem gibt, eine ''Bankrottokratie''. Nun gibt es also Sozialhilfe für Kapitalanleger*innen.

     

    Eine Entwicklung würde ich konstatieren:

    Die Widersprüche werden immer offensichtlicher und können nur noch geleugnet werden. Im Sinne der ''Offenbarungsprophezeiung'' von oben: Sie werden offenbar.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Marx hat die Rolle des Lumpenproletariats unterschätzt, dass sich mit der Verallgemeinerung der Prekarität vermehren wird. Für Marx war das Lumpenproletariat aber kein revolutionäres Subjekt, weil es in seiner Vereinzelung kein Klassenbewustsein entwickeln kann , denn weder von den Paketboten und Pizzaliferanten noch von den selbständig ohne Netz und doppelten Boden, abhängig arbeitenden Free-lance in allen Branchen wird eine Revolution ausgehen. Es sei denn eine Vernetzung aller Proletariar fîndet nicht nur in den sozialen Netzwerken statt, sondern auch auf der Strasse. Die Besetzung von Telegraphenämter, Bahnhöfen, Flughäfen und strategischen Produktiosstätten sind immer noch wichtig, denn wer bestimmt, wann die Roboter ein-und ausgeschaltet werden, welche Nachrichten weitergegeben werden, der, der die Medien kontrolliert, hat die Macht.

    Proletariar aller Länder vernetzt euch!

    • @82236 (Profil gelöscht):

      Mental Trash...

       

      Statt Lumpenproletariat kann man heute vom Dummproletariat reden oder vom Selfie-Proletariat. Vielleicht vom TV-Trash-Proletariat oder vom Flachbildschirm-Proletariat.

      Diese Entwicklung wird von den Herrschenden natürlich kräftig gefördert. Das ist noch viel wirksamer als Überwachung und Datenkrake...

      Aber irgendwann schlägt die Dialektik zu. Kurz vor der Französischen Revolution glaubten sich König und Adel fest im Sattel...

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Hartz:

        Danke für die Blumen. Inwiefern war das Lumpenproletariat intelligenter als die heutigen reallity tv Zombies?

        Den ging es auch nur um das eigene ganz persönliche bessere Leben. Hat Brecht in der Dreigroschenoper bestens gezeigt, oder Fritz Lang in " eine Stadt sucht einen Mörder", wo man auch deutlich die rektionäre Moral dieser Leute sieht.

        Das ganze hat aber leider nicht in die Revolution geführt, sondern in den Faschismus. Der Faschismus ist das höchste Stadium der systematischen Volksverdummung.

        Eine Revolution, die nicht in den Primitivkommunismus sowjetischer Machart führt oder in den Faschismus, kann nur auf einem höheren kulturellen Niveau stattfinden. Die Sozialdemokraten zu Kaisers Zeiten hatten das mit ihren Arbeiterbildungsvereinen verstanden und das deutsche Proletariat von 1918 stand kulterell auf einem höheren Niveau als das russische Proletariat von 1917. Nur wurden beide verraten.

      • @Hartz:

        Na ja, die französische Revolution hat ihren Eingang im echten Hunger gefunden, dem wie man heute weiß, sogar sehr wahrscheinlich ein Naturereignis den Weg bereitete. Soll heißen, es gibt vll begünstigende Umstände für eine Revolution, der wir uns noch nicht bewusst sind. Der menschgemachte Klimawandel wir mit Sicherheit so einer sein, doch in Gegenwart sind wir noch ein gutes Stück von damaligen franz. Verhältnissen entfernt.

    • @82236 (Profil gelöscht):

      Die Definition Lumpenproletariat lässt sich ins heute nicht leicht übertragen. Grundlage der revolutionären Untätigkeit ist der Wunsch nach ganz eigener Wohlfahrt selbst auf kleinste Flamme. Dieser Typ Proletarier lebt in dem Bewusstsein, für sein Wohlergehen allein selbst verantwortlich zu sein. Er wird sich von da heraus nicht organisieren, bzw unterwirft sich dem Bestreben des Unternehmers, die Organisation zu unterdrücken. Das unterstützt die derzeitige Politik. Das bedeutet, es betrifft nicht nur den Paketboten und Pizzafahrer, sondern ist in klassischen Industriebetrieben heute ebenso zu finden. Dieses entpolitisierte, eigennützig motivierte Lumpenproletariat ist also heute sehr weit verbreitet und Ergebnis der Individualisierung, wie sie Marx nie vorhersehen konnte.

      Selbst der eigentlich pathetische Geist der Gewerkschaften ist von purem Eigennutz vom Kopf bis zum Schwanz zerfressen. Warum? Der fortgeschrittene Kapitalismus erzeugt Existenzangst, indem er die Eigenverantwortung für die Existenz und die kapitalistische Verwertbarkeit wie ein Mantra ständig herrunterleiert. Der Preis für die Individualisierung im humanistischen "Fortschritt" ist die Kleinstfragmentierung bis hin zur in Auflösung begriffenen Organisation des Proletariats. Ich weiß nicht, ob sich das Marx überhaupt vorstellen konnte, dass die Gesellschaft einmal an diesemń Punkt kommt und das Lumpenproletariat zu solchen Mehrheiten findet.

      • @lions:

        Genau diesen Punkt würde ich unterstreichen wollen. Der Kapitalismus ist von der Gesellschaft nicht zu trennen. Das beschreibt ja auch schon Karl Marx sehr eindrücklich. Die Gesellschaft - und damit auch jeder/e Einzelne - passt sich an die Ökonomie an und nicht umgekehrt. Deshalb hat Marx auch bald von der Idee Abstand genommen, dass eine Wirtschaftskrise das System kippen könnte. Diese Idee scheitert am Faktor "Mensch", der im Überlebenskampf bereit ist, auf seine Ideale zu verzichten.

        Das kapitalistische System hat uns über viele Generationen zu Einzelkämpfern ausgebildet. Gewerkschaften erfüllen heute nur noch die Funktion, Tarifverhandlungen zu führen. Das ist ein Tröpfchen auf den heißen Stein und löst die strukturellen Probleme nicht wirklich.

        Die digitale Revolution wird in absehbarer Zeit von einer neuen Welle überrollt werden. Bislang hat noch jede, dem Untergang geweihte Form des Kapitalismus Neues hervorgebracht.

        • @Karla Marxa:

          Man kann also nur zu dem Schluss kommen, dass wenn der Brotkorb für eine Mehrheit leer bleibt, der Kapitalismus stirbt. Solange es noch etwas zu verteilen gibt, wird er bestehen.

          • @lions:

            Richtig.

             

            Und weil der Mensch aus Erfahrung lebt und im sozialistischen Brotkorb nur trocken Brot war, der Kühlschrank (wenn es diesen überall gab) leer und der Mund auch nur zum Essen geöffnet werden durfte, weil dem so war wählt er von allen beschissenen Systemen das beste aus und läßt sich nicht nochmal was Aufgewärmtes andrehen.

             

            Die letzten hundert Jahre für gesellschaftliche Experimente in die Richtung müssen reichen. Nieman will Gleichheit auf niedrigstem Niveau um der Gleichheit Willen.

            • @Rudolf Fissner:

              Könnte man so stehen lassen, wenn da nicht Geschichtsvergessenheit immer wieder aufkäme. Zum anderen ist Kapitalismus kein Masterplan, der von einer gemeinsam operierenden Führung ausgeht. Vielmehr ist er genauso von der Individualisierung wie das Proletariat betroffen. Der Unternehmer denkt wie der Aktionär oder andere Anteilseigner an das eigene Wohlergehen. Zusammen könnte man den Kapitalismus als einen Selbstläufer verstehen, dem auch eine gewisse Morbidität und Unstetigkeit innewohnt. Das kann auch leicht in Faschismus münden. Und zwar dann, wenn das Lumpenproletariat weiter wächst und die Verquickung der Politik mit der Wirtschaft nicht mehr zu entflechten ist. Die Gefahr, dass die humanere Form des Kapitalismus schwindet, wächst mit der unkontrollierten Globalisierung und Umweltzerstörung.

              • @lions:

                Kapitalismus kann in alles mögliche münden. Nach Marx in den Sozialismus, in China hält er sogar sogar schon den Kommunismus am Leben.

                Beim Kleinen Dicken gibts sowas nicht, und in so manchem Staat noch Sklaverei.

                 

                Ich denke nicht, dass dem Kapitalismus ein Automatismus innewohnt, der zu etwas Negativem führen muß. Wasser ist auch nichts per se schlechtes. Wenn man Land eindeicht gibt es keine Überschwemmungen und das Wasser trägt zum Wachstum bei.

                 

                Das Problem sind menschliche Interessen. Deutschland ist als Exportland mächtig an der Globalisierung interessiert und jeder einzelne mit seinem Arbeitspalt hängt ebenfalls daran und ist daran interessiert. Aber immer nur soweit, dass es für ihn von Vorteil ist. Die Interessen der Jeansnäherinnen in Indien tauchen dabei nicht oder nur marginal auf. And diesen Interessen würde auch eine anderes Wirtschaftssystem, z.B. eine sozialistische Regierung, nichts ändern.

                • @Rudolf Fissner:

                  Genau darin liegt die Crux. Wenn man in Deutschland glaubt, den Schaden durch die so dringend benötigte Globalisierung vor der Tür halten zu können, irrt man durch den verkürzten Horizont kapitalistischer Interessen. Es geht also darum, den Kapitalismus zu regulieren, weltweit. Die Metapher mit dem Deich gefällt mir. Steigt das Wasser in Thailand, steigt es auch hier. Weil dem Kapitalismus eben die moralisch übergeordnete Instanz fehlt, muss diese im Rahmen der Globalisierung erst geschaffen werden. So ein eng gefasster Kapitalismus kann ein Erfolgsmodell werden. Das hatten wir noch nicht und ich bezeichne den Weg dahin auch als Revolution.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    ''Die Millennials, die Generation der nach 1980 Geborenen, kennt keine Welt mehr ohne Smartphones oder Wikipedia, sie ist aktiv in Projekten und weltweit vernetzt. Frei verfügbares Wissen ist eine Ressource, von der Marx nur geträumt hätte.''

     

    Ich selbst bin Baujahr 1981 und habe sogar noch eine Welt ohne Werbung erlebt. Ich weiss auch noch, wie lange meine Eltern auf einen Telefonanschluss und auf den Trabi warten mussten. Als die Handies eingeführt wurden habe ich mich mit meinen Freunden noch drüber lustig gemacht:

    ''Nur Sklaven müssen immer erreichbar sein!''

     

    Frei verfügbares Wissen fände ich sehr gut, das gibt es aber nur sehr begrenzt.

    Ich sag da nur:

    Studiengebühren, Bafög-Kredit, Studienkredit, Bibliotheksgebühren, Copyright bis 70 Jahre nach dem Tod der Autor*in, Patentrecht für 20 Jahre, Patente auf Gene, Patente von Universitäten und deren Professor*innen statt frei verfügbarem Wissen.

     

    Bis 2074 wird es wohl dauern, bis der Passagen-Verlag die Rechte an den Büchern Derridas verliert. Welche Bibliothek führt diese Bücher denn? Deleuze, Guattari... die Liste ließe sich beliebig fortsetzen Wie sieht es denn aus mit dem frei verfügbaren Wissen? Die Wikipedieinträge sind gut, da will ich gar nichts dagegen sagen, aber sie können trotzdem die Texte der Autor*innen nicht ersetzen!

    https://de.wikipedia.org/wiki/Rhizom_(Philosophie)

    • @85198 (Profil gelöscht):

      ... @Wikipedia: Richtig! Als wenn die Klapptexte dieser mittlerweile allein selig machenden Einheitskost-Enzyklopädie schon das Wissen sind. Sie zeigen nur auf, was die paar unbekannten anonymen Hauptautoren als maßgeblich für den Rest der Bevölkerung ansehen.

      • @Rudolf Fissner:

        Marx ist weder der Hauptverbesserer noch der Hauptkritiker des Kapitalismus, Marx ist der religiöse Führer der Arbeiterklasse. Aus dem Grund kann Marx die Analysen der Arbeiterklasse zu ihrem Problem gut wiedergeben, zum ökonomischen Betrieb und speziell zum Kapitalismus keine hervorragenden Aussagen treffen. Anmerkung: Bezogen auf Marxismus habe ich mich in Fundamenten beschäftigt, und möchte nun wirklich weder hören noch lesen, daß man den gesamten Marx gelesen haben muß, um etwas davon verstanden zu haben.

      • @Rudolf Fissner:

        Das ist nicht direkt zutreffend, Wikipedia ist eine digitiale Mitmach-Enzyklopädie. Jeder kann Sachthemen einbringen, Argumente oder Artikel korrigieren. Es gibt ergo die Möglichkeit, zu jeder "maßgeblichen Argumentation" einen Gegenstandpunkt einzubringen. Das würde ich als offene Arbeit bezeichnen.

        • @Picard:

          Versuchen Sie mal in einem sogenannten Honigtopf eine Änderung reinzubringen. Ein Boxkampf ist nichts dagegen.

           

          Wikipedia ist keine coole ruhige Geschichte; Wikipedia

          lebt von Leuten, die für ihr Engagement brennen. Und "ihr Engagement" ist wie im richtigen Leben ein Prozess gesellschaftlicher Kommunikation und Macht.

           

          Deshalb "darf" man, wenn es ein halb gesperrter Honigtopf ist, ersteinmal gar nichts schreiben und muss sich, wenn nicht gesperrt, hinter den sogenannten 2-3, meist einem, Hauptautoren, hinten anstellen, darf sich dann mit diesen vielleicht noch 2-3 Wochen auf Diskussionsseiten mit guten Quellen um die Relevanz einzelner Aussagen streiten, sich als Neuling im Artikel noch ein paar Beleidigungen anhören oder sich Verschwörungstheorien über den wirklichen Menschen hinter einer IP-Adresse anhören.

           

          Wikipedia ist daher, wie alle Projekte in denen überhitzte Typen für >>"ihre"

  • Oh, der Kapitalismus befindet sich in seinem Endstadium und wird in kürze untergehen. Eine Analyse, die man so von einem Marxisten auch noch nicht gehört hat.

  • Ja stimmt. Überakkumulation, fehlende Investitionsmöglichkeiten... Das Kapital investiert bereits in den politischen Markt, um sich weitere Anlagemärkte zu erschließen (Ukraine, Syrien) Dieser politische Investitionsüberhang wird bald in gewalttätige Verteilungskämpfe übergehen wie 1914-1945 und das Problem der ÜberakkumulatIon durch massive Kapital- und Menschenvernichtung beheben.

  • Man sollte sich ja nicht wiederholen. Hier ist es aber nötig:

     

    Und aus den Gräbern der Millionen und Abermillionen höre ich die verzweifelten Rufe: Warum wollt ihr es immer und immer wieder neu lesen und interpretieren? Habt ihr denn nichts aus dem Gulag, aus den Massengräbern der Roten Khmer des Pol Pot, Maos „Großer Sprung nach vorn“, Arbeitslager, Kulturrevolution oder Nordkorea gelernt?

  • Und so denkt sich der Kapitalist, werd ich den Marx mal überkapitalisten.

    Kauft der Konsudement nicht, weil ab nun in Unterschicht, bild ich einen Arbeitskreis mit den ollen Sozen, doch mit mir als Lotsen gibt´s ne leckere Apanage für die Digitalbagage... nicht umsonst, ich bin der Staat!... Und wenn doch ein andrer thront, zieh ich eben auf den Mond, leg mein Geld in Käse an, und der Erdling schmacht mich an. Denn was ihr schon alle wisst: Ich bin List, bin Kapitän, Egoist und Souverän, doch nie Kapitulaist. An mir soll die Welt genesen, ich brauch Macht, das ist mein Wesen... und, nicht wie vom alten Schlage, habe ich den Marx gelesen. Was der Karl noch nicht bedacht, ist was die Verführung macht, mit des Menschen roter Ehre, weil ich ihm sein Ego mehre.

  • Aktuell verhindern die linken Parteien immer noch sehr erfolgreich, dass sich Monopole bilden und halten damit das kapitalistische System am Leben. Einen Zusammenbruch des Kapitalismus werden sie auch in Zukunft zu verhindern wissen. Für die Expropriation der Expropriateure wird also wahrscheinlich nie da "richtige" Stadium des Kapitalismus erreicht werden.

  • Das ist der Kernsatz der digitalen Revolution. "Wissen wird Voraussetzung und zum dominierenden Bestandteil der Produktion: Algorithmen produzieren scheinbar selbstständig, Informationen werden zu Ware, Daten zur Währung."

    Und wir, die daran mitwirken liefern den Algorithmen freiwillig, auf eigene Kosten, also für den Algorithmus kostenlos, die Informationen über uns. Daraus werden Waren, Daten und Gewinne!

    Die einzige Art uns an den von uns produzierten Gewinnen zu beteiligen, ist Aktien solcher Gesellschaften zu erwerben und uns an den selbstgeschaffenen Gewinnen zu beteiligen!

    Regiere dich selbst! Die automatische Revolution läuft bereits. Das ZDF hat über Amazon berichtet: Gnadenlos erfolgreich. Was aus den Beschäftigten oder den Lieferanten wird bleibt deren freiwilliges Risiko und das "KAPITA" ist überflüssig, denn die Informationen liefern wir kostenlos für AMAZON, aber auf unsere eigenen Kommunikationskosten!

  • "Streng nach Marx stünde das kapitalistische System im aktuellen digitalen Zeitalter kurz vor dem Zusammenbruch. Stimmt das?"

     

    Ich denke nicht, auch wenn es durch die Digitalisierung auch Probleme gibt, mit denen Marx nicht rechnen konnte. Maschinen und Algorithmen sorgen meiner Meinung nach dafür, dass sich der Mensch auf andere, höhere Aufgaben konzentrieren kann. Das ist eine Chance für echten Fortschritt, nur muss die Politik dafür rechtzeitig die Weichen stellen.

  • Nee. Nach Marx sind die Logistikzentren die neuen Kohlegruben und die Transportkuriere die neuen Tagelöhner. Wird Zeit das eine neue Arbeiterbewegung kommt, die jetzige ist nämlich so gegen 1930 irgendwann ersatzlos weggefallen.