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Manifest #actoutRaum queerer (Alb-)Träume

185 Schauspieler_innen outen sich in der Aktion #actout als queer. Ihr Aufruf ist zugleich Anklage und Liebeserklärung an eine Branche.

Fiktionen zeigen, aus dem Alltag entführen – das ist es, was Film und Theater ausmacht Foto: Frank Sorge/imago

„Wir sind schon da!“, verkünden 185 Schauspieler_innen auf dem Titelblatt des Magazins der Süddeutschen Zeitung, sie outen sich als lesbisch, schwul, bisexuell, queer, nichtbinär und trans. BÄHM! Es ist eine Aktion mit Schmackes, viele bekannte Namen sind darunter, einige schon länger geoutet, andere nicht.

Überraschen sollte dabei nicht, dass es nichtheterosexuelle oder Nicht-Cis-Schauspieler_innen gibt, und auch nicht, dass man „es ihnen gar nicht ansieht“, um ein unter Cis-Heteros verbreitetes Topos zu bemühen – hey, es ist ihr Job, in Rollen zu schlüpfen und etwas zu verkörpern, das nicht deckungsgleich mit ihnen selbst ist. Sie sind für ihre Film- oder Theaterrollen bekannt, nicht für ihr Privatleben (was ja auch für die meisten heterosexuellen Schauspieler_innen gilt).

Warum gehen die 185 Menschen an die Öffentlichkeit? Sechs von ihnen erklären das im Interview mit der SZ, und es steht auch im Aufruf #actout, den die Schauspieler_innen zeitgleich veröffentlichen. Es ist eine Anklage ­einer ganzen Branche – und zugleich eine ­Liebeserklärung an die Kraft des Thea­ters.

Mehr Diversität wagen

Ausgerechnet in einer Branche, die als so offen gilt, weil es hier wichtig ist, sich von anderen zu unterscheiden, und in der sich diejenigen tummeln, die einen anderen Lebensentwurf als die Mehrheitsgesellschaft haben – ausgerechnet hier gibt es eine bedrückende Dominanz tradierter Geschlechter- und Rollenbilder.

Allein schon die Befürchtung, ein Coming-out könnte sich negativ auf die Karriere auswirken, verhindert einen offenen Umgang: Homosexuelle Schauspieler_innen bekämen keine Heterorollen mehr, von Trans- oder nonbinären Schauspiele­r_in­nen ganz zu schweigen. Wer will schon in einer Nische gefangen sein?

Allzu oft werden klare Heterogeschlechterrollen gefordert, immer unter dem Vorwand der Rücksichtnahme aufs Publikum, das nur sehen wolle, was es schon kenne. Doch es braucht mehr Breite: Die Gesellschaft ist so viel mehr als der heterosexuelle weiße Mittelstand. Das muss sich auch auf der Bühne, vor den Kameras widerspiegeln. Geschichten anders erzählen, Dinge ausprobieren, Fiktionen zeigen, aus dem Alltag entführen – das ist es, was Film und Theater ausmacht. Es fehlt nur der Mut.

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12 Kommentare

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  • Relevant und sehr lesenswert hingegen ein Interview bei t-online (interessantes Gefälle, von t-online zum FAZ-Feuilleton. Bzw. eine Blamage des letzteren im Sinne von Abgehängtsein) mit dem Schauspieler Matthias Freihof

    www.t-online.de/un...-seit-langem-.html

    "In einem der bedeutendsten deutschen Filme mit homosexueller Thematik, "Coming Out" von 1989, spielte Matthias Freihof die Hauptrolle. Seit Jahrzehnten steht der Schauspieler zu seiner sexuellen Orientierung – und hat sich nun demComing-Out von 184 Kolleginnen und Kollegen aus der Brancheangeschlossen. Im Interview mit t-online kritisiert er vor allem die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und ihre Redaktionsstrukturen im Hinblick auf fehlende Diversität"

    Diese Redaktionsstrukturen transparenter zu machen, könnte ein wichtiger Beitrag im Zusammenhang mit den ÖR und ihrer Finanzierung werden.

  • Es lohnt sich meiner Meinung nach auch, die Rezeption der Aktion in den Blick zu nehmen.

    Ein besonders perfides Beispiel: Sandra Kegel, die Feuilletonchefin der FAZ:

    m.faz.net/aktuell/...-185-17183459.html

    Zitat: "Auch das SZ-Hochglanzmagazin schmückt sich mit Diversität. Was dort befremdet, ist die Aufmachung, die nicht nur im Layout der vielen kleinen Porträts, sondern auch in der Wortwahl – „Wir sind schon da“ – auf den legendären „Stern“-Titel „Wir haben abgetrieben“ anspielt" - wobei genau ein Wort, "wir", übereinstimmt und es nun mal in der Natur der Sache liegt, dass eine Gemeinschaftsaktion vieler Menschen im Print zu 'vielen kleinen Porträts' führt, deren Zeilenlayout auch naheliegt.

    Diesen Pappkameraden baut sie der Fallhöhe wegen auf: "Da zeigt sich Kalkül im Ringen um Aufmerksamkeit bei Verkennung der Verhältnisse. Als sich am 6. Juni 1971 im „Stern“ 374 Frauen öffentlich dazu bekannten, abgetrieben zu haben, verstießen sie damit gegen geltendes Recht und riskierten viel – nicht zuletzt mehrjährige Haftstrafen. Bei einer Rolle übergangen zu werden mag ärgerlich sein und sicherlich auch kränkend, aber lebensgefährlich ist das nicht" - was ja nun auch wirklich niemand behauptet hatte, und den Bezug zur seinerzeitigen Aktion hat die FAZ auch exklusiv hergestellt - es geht ums Niedermachen, für belanglos erklären.

    Was umgekehrt heißen dürfte: hier wurde ein Nerv getroffen...

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Gähn, wen interessiert denn noch, wer was für Sex und mit wem hat?



    Mich nicht.



    Gut, Schauspieler leben von Aufmerksamkeit, die fehlt ihnen aktuell.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Ich hab im Beitrag von Sex nichts gelesen - von Projektionen und Vorurteilen allerdings schon.

  • Danke

    Geschlechtsrollen sind Herrschaftssymbole wie Adelstitel, die sich in Hochadel, niederen Adel, Landadel, Stadtadel, Funktionsadel, Etagenadel scheiden,. Es bedurfte Erlasses Deutschen Reichstags 1919 Adel grundsätzlich in Funktionen, Titeln, Privilegien in Weimarer Republik abzuschaffen.

    Hat ihnen die Adels Abschaffung geschadet? Nein. Im Gegenteil, es war gelungen, die Personen, die hinter verlorenen Adelstiteln standen von Altlast zu befreien, sich mit Lustgewinn, ihren als Namensteil verbliebenen Adelstiteln ideenreich bei Regenbogenpresse Entertainment Hollywood, Babelsberg, Literaturbetrieb, Kirchen wahren Bestimmung einzufinden, bis das neue Spiel nach 1945 so an Fahrt aufnahm, dass selbsternannter Ehrenkonsul Weyer von Argentinien zurückgekehrt, mit Humor , Zuvorkommen in Hilfe stiftete, neben Doktortitel, neuzeitlich moderner Adelstitel, florierenden Handel mit alten Familien Adelsnamen betrieb, von und zu Erlauchte*nnen zur Aufbesserung ihrer kärglichen Einnahmen meist war es der verarmte Etagenadel München, Berlin, Düsseldorf, Hannover, Augsburg, an Ganoven*nnen, Bürgerliche, Emporkömmlinge, Karrieristen*innen, Geschäftsleuten zu Werbezwecken steuerfrei zu verhökern.

    Was beim Adel Abschaffen schadlos gelang, warum soll das beim Abschaffen amtlicher Geschlechtsrolle Präferenz bei Geburt nicht auch gelingen?



    Geschlechtsrolle gehören, wie es mir gefällt, dereguliert, in freier Wahl, unabhängig von Geschlechts Präferenzen bei Geburt queerbeet der, die das oder ohne alles als Namensteil registriert, jederzeit änderbar zu sein



    Lustgewinn Potenzial an Geschlechtsrollen entfaltet sich erst, befreit von amtlicher Zuordnung, im frei gewählten Spiel zu seiner menschheitsgeschichtlich kulturellen Vielfalt, zu seinem wahren kulturgeschichtlichen Rang, Rollenmuster aller Geschlechter beginnen jeder Person von Geburt an emphatisch vertraut zu werden, drohen durch Geschlechterrollen Präferenzzwang in ihrer Vielfalt an Optionen verschüttet zu sein

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Unter cis- Heteros existiert auch das Topos, daß angeblich lesbische und schwule Männer besonders miteinander umgehen oder feiern können. Ist es nicht so, daß gerade lesbische Frauen den hetero Mann verstehen können, daß er Frauen begehrt,?

  • Klar, jeder darf sich outen, wenn er/sie/es will aber ist das denn so wichtig?



    Eine sexuelle Orientierung sollte eigentlich nirgends ein Thema sein, ebenso wie Ethnie, Hautfarbe, Schuhgröße oder Religionszugehörigkeit.

    Viel grenzwertiger finde ich die aktuellen Bemühungen, Filme "diverser" und "bunter" zu machen, weil die bisherigen Produktionen angeblich nicht die gesellschaftliche Wirklichkeit widerspiegeln. Ich arbeite im Bereich Film und visuelle Kommunikation und etliche Filmemacher, die ich kenne, schütteln den Kopf über anstehende Quotendruck. Es kann nicht sein, dass irgendwelche Vorgaben zur Besetzung die Stoffentwicklungen oder zur Crew die Produktionsbedingungen beeinflussen.



    Will ich als Filmemacher z.B. ein Beziehungsdrama inszenieren, dass in einem Schweizer Eliteinternat spielt, sehe ich da keine queere Menschen oder welche mit Integrationshintergrund. Ist das dann gleich ein rassistische Filmprojekt?



    Drehe ich ein Beziehungsdrama, dass eher im Berliner Nachtleben oder einer queeren Community spielt, ist es eben umgekehrt. Jeder Filmemacher sollte die Geschichten erzählen können, die möchte - ohne einen Quotenüberwacher im Nacken sitzen zu haben.



    Es muss möglich sein, auch weiterhin Filme im weissen deutschen Mittelstand zu inszenieren, ohne schief angeguckt zu werden. Packe ich da dann aus Quotendruck Queere und POCs mit rein, wirkt das meist eh nur aufgesetzt und peinlich.



    Die Filmidee muss stimmen, das Drehbuch gut sein - egal wo oder wann es spielt und mit welcher Besetzung.

    • @Stefan L.:

      Wie kommen Sie auf die abstruse Idee, in einem schweizer Eliteinternat oder im weißen deutschen Mittelstand gebe es keine queeren Personen oder Personen mit Migrationshintergrund?

      Es ist eine ganz andere Frage, ob Vielfalt immer im Fokus stehen sollte ... nein, selbstverständlich nicht. Aber miterzählen kann man sie, andere Aspekte von Persönlichkeit werden ja auch ständig erzählt. Etwas anderes wird von niemandem gefordert. Und so wird es ja auch oft schon gemacht.

      Ich finde es beinahe amüsant, wie immer herumgedruckst wird, dass jeder sein sollte und machen sollte, wie er/sie will, dass aber Queerness oder Ethnie nicht ständig "thematisiert" werden sollten, nur weil mal eine schwule oder türkischstämmige Figur auftaucht. Demgegenüber käme niemand auf die Idee, Heterosexualiät oder Deutschstämmigkeit würde irgendwie "thematisiert", wenn eine schwäbische Vater-Mutter-Kind-Familie zu sehen ist.

      Wir sind schon da ... auch an schweizer Eliteinternaten. Get used to it.

      • @mats:

        "Wie kommen Sie auf die abstruse Idee, in einem schweizer Eliteinternat oder im weißen deutschen Mittelstand gebe es keine queeren Personen oder Personen mit Migrationshintergrund?"

        Behaupte ich ja gar nicht. Ich möchte als Filmemacher oder Autor aber nicht moralisch gezwungen werden, diese zu thematisieren, wenn ich den Focus ganz woanders haben und eine ganz andere Story erzählen will.



        Diese Debatte zwingt aber Autoren quasi möglichst viele Minderheiten reinzuschreiben, damit ja der gesellschaftliche Querschnitt widergespiegelt wird - völlig egal, ob es passt. Ansonsten ist man ein rückständiger Egoist oder Schlimmeres.

        • @Stefan L.:

          Teil 1

          "damit ja der gesellschaftliche Querschnitt widergespiegelt wird - völlig egal, ob es passt"

          Das ist schlicht und ergreifend Unfug. Niemand fordert das. Es geht darum, von den jeweiligen gesellschaftlichen Kontexten, in denen man Figuren und Geschichten ansiedelt, ein wirklichkeitsgetreues Bild zu zeichnen, das nicht bestimmte Menschengruppen unsichtbar macht. Inwiefern das Ihrer Absicht entgegenlaufen sollte, eine gute Geschichte mit dem von Ihnen selbst gewählten Fokus zu erzählen, müssten Sie mir schon erklären.

          "gezwungen werden, diese zu thematisieren, wenn ich den Focus ganz woanders haben und eine ganz andere Story erzählen will."

          Das ist genau dieses verquere exklusive Normdiktat, von dem ich oben schreibe: Figuren, die einer Minderheit angehören, müssen angeblich explizit und mit Aufwand (worin genau besteht der eigentlich?) ins Drehbuch "reingeschrieben" werden. Figuren, die mit ihren Eigenschaften im Mainstream liegen, gehören demgegenüber zum Grundinventar. Hat man dann doch unter Schmerzen eine solche Minderheiten-Figur "reingeschrieben", hat man Minderheitenproblematik "thematisiert" - wider Willen, weil der Fokus ja eigentlich woanders lag. Nicht "thematisiert" hat man natürlich alle diejenigen Aspekte und Problematiken, die am Grundinventar von Mainstream-Figuren hängen, die kommen halt irgendwie vor.

          Schauen Sie sich "Die Mitte der Welt" an. In 115 Minuten widerlegen dort Andreas Steinhöfel und Jakob Erwa diese verquere Logik. Man kann ohne weiteres Menschen einer Minderheit sichtbar machen, ohne auch nur irgendeine Gruppenproblematik zu thematisieren. In vielen Serien ist das auch längst schon Realität. Sie sind doch ein kreativer Mensch, arbeiten laut eigener Aussage im Bereich Film und visuelle Kommunikation - denken Sie sich was aus! Wenn es um die Aspekte geht, die Ihnen wichtig sind, fällt Ihnen ja auch etwas ein.

          • @mats:

            Teil 2

            Und daneben beachten Sie auch noch 1000 größere und kleinere, geschriebene und ungeschriebene Regeln (ja, auch moralische) in der Branche von dem, "was geht", und dem, "was nicht geht". Und die 1000 kleineren und größeren Probleme zu lösen, die da dranhängen, dafür engagieren Sie sich ja auch.

            "Es kann nicht sein, dass irgendwelche Vorgaben zur Besetzung die Stoffentwicklungen oder zur Crew die Produktionsbedingungen beeinflussen."

            Lesen Sie mal hier das Interview mit Matthias Freihof: www.t-online.de/un...-seit-langem-.html



            "Es kann nicht sein..."? Es ist längst so. Nur, dass dabei Menschen aus Minderheiten (seien es Schauspieler, seien es Figuren und Stoffe) nicht gut wegkommen. Wo also war bislang Ihr Aufschrei?

            Sie pochen auf Ihre künstlerische Freiheit. Sehr gut! Aber warum wollen Sie diese ausgerechnet dazu nutzen, eine Praxis zu reproduzieren, die jahrhundertelang bestimmte Teile der Bevölkerung systematisch unsichtbar gemacht hat? Fällt Ihnen da nichts Besseres ein?

            Stellen Sie sich doch einfach mal vor, wie es ist, eine schwarze Jugendliche an einer Schule zu sein, zusammen mit anderen Weißen, Schwarzen, Deutsche, Migranten, Queers und Normalos, aus christlichen, muslimischen, jüdischen und atheistischen Familien. Und dann (ich überzeichne jetzt) sehen Sie in deutschen Serien immer nur Schulklassen mit weißen Mittelstandskindern - es sei denn, es geht um Brennpunktschulen oder Clankriminalität. Da fühlen Sie sich doch im besten Falle verarscht. Im schlechteren Falle aber haut das immer wieder in dieselbe Kerbe: "Du und Deine Ansichten, Geschichten, Ängste, Wünsche, Träume haben keinerlei Relevanz".



            Und ob Berlin oder Posemuckel - nur eine Mitschülerin in der Klasse, die anders aussieht, eine, die woanders herkommt, eine, die anders liebt - das reicht doch. Also!

    • @Stefan L.:

      Das ist ja mal eine klare und vernünftige Sichtweise. Es ist mir doch egal welche Orientierung jemand hat. Und ja, Minderheiten sollten berücksichtigt werden. Aber im Verhältnis und nicht auf einmal den Eindruck erwecken sie waren die Mehrheit. Ansonsten halte ich es so, wie man es in Duisburg und dem ganzen Ruhrgebiet so hält: "Et zählt nich watte bis, et zählt watte kannz" In diesem Sinne!