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Mädchenrechte in AfghanistanFeministische Außenpolitik gesucht

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

In Afghanistan brauchen Mädchen dringend konkrete Hilfe. Doch das, was Außenministerin Baerbock liefert, ist vor allem wolkig, emotional und unfertig.

Ein Mädchen wartet mit anderen Frauen vor einer Bäckerei in Kabul auf die Ausgabe von Brot Foto: Ali Khara/reuters

W enn es um feministische Außenpolitik geht, sind im Auswärtigen Amt drei Tendenzen zu beobachten: Es bleibt entweder wolkig, wobei die Stichworte Geschlechtergerechtigkeit und Patriarchat nicht fehlen dürfen. Es wird emotional. Meist „bricht“ es Außenministerin Annalena Baerbock „das Herz“ und sie findet die Vorstellung unerträglich, dass ihre eigenen Töchter von einer schlimmen Situation betroffen sein könnten. Oder aber es wird an der Umsetzung noch gearbeitet. „Das Auswärtige Amt wird in den kommenden Monaten gemeinsam mit internationalen Partner*innen, Ex­per­t*in­nen und Ver­tre­te­r*in­nen der Zivilgesellschaft definieren, was genau eine deutsche feministische Außenpolitik künftig ausmachen wird.“ Nur eines fehlt: das Konkrete.

Es gibt wohl nur wenige, denen beim Thema feministische Außenpolitik nicht Afghanistan in den Sinn kommt. Wo, wenn nicht am Hindukusch, müsste sie zeigen, was sie bewirken kann? Stattdessen Bewährtes: Als die Oberschulen geschlossen blieben, hat es Baerbock „das Herz gebrochen, zu sehen, wie die Mädchen vor ihren geschlossenen Schulen weinten“. Sie richtete einen „eindringlichen Appell“ an die Taliban, Bildung als Grundrecht anzuerkennen, und zwar als „Mutter zweier Töchter“.

Mit Verlaub: Davon haben die afghanischen Mädchen wenig. Anteilnahme ist zwar nicht zu unterschätzen. Afghaninnen müssen schließlich befürchten, von der Weltgemeinschaft gar nicht mehr gesehen und wahrgenommen zu werden. Entscheidender ist aber, dass diejenigen, die Mädchenrechte hochhalten – etwa durch geheime Schulen –, tatsächlich Hilfe bekommen.

Natürlich zahlt Deutschland einen nicht unerheblichen Teil der Budgets der UN-Organisationen. Finanzieren die Vereinten Nationen Lehrer in Afghanistan, kommt dieses Geld auch aus Berlin. Doch das Auswärtige Amt hat auch eigene Mittel zur Stabilisierung, Friedensförderung und Krisenprävention: satte 588 Millionen Euro in diesem Jahr. Dieses Geld setzt dort an, wo die Entwicklungshilfe noch nicht greift und humanitäre Hilfe nicht ausreicht.

Wenn die geheimen Schulen für Mädchen keine Bücher, kein Papier, kein Schulessen und keine Mittel für die Lehrenden haben, was hindert das Auswärtige Amt eigentlich daran, solche Bildungsinitiativen aus dem millionenschweren Topf zu fördern? Mit etwas mehr Kreativität und etwas weniger Bürokratie ließe sich sogar mit vergleichsweise wenig Geld viel erreichen. Und ganz nebenbei auch der Beweis erbringen, dass feministische Außenpolitik tatsächlich wirkt und eine Existenzberechtigung hat.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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18 Kommentare

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  • Preis-Wertebasierte feministische Außenpolitik

    Zitat: „Das Auswärtige Amt wird in den kommenden Monaten gemeinsam mit internationalen Partner*innen, Ex­per­t*in­nen und Ver­tre­te­r*in­nen der Zivilgesellschaft definieren, was genau eine deutsche feministische Außenpolitik künftig ausmachen wird.“

    Am Ende dieses Satzsalates ist zumindest eines erkennbar: Es gibt bislang keine „feministische Außenpolitik“. Wie auch: Schließlich hat man ja auch nie von einer „maskulinistischen Außenpolitik“ gehört.

    Sollte sich die zu erwartende Definition auf das biologische Geschlecht des Amtsinhabers kaprizieren, so böte die kürzlich verstorbene erste US-amerikanische Außenministerin M. Albright dafür eine sehr markante und sehr konkrete Illustration, wenn auch keine Erklärung: In einem Interview des TV-Magazins „60 Minutes“ wurde sie 1996 auf ihre persönliche Mitverantwortung für die Handelssanktionen gegen den Irak angesprochen: »Eine halbe Million Kinder sind gestorben; mehr als in Hiroshima. Ist der Preis es wert?“ Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Wir denken, den Preis ist es wert."

    • RS
      Ria Sauter
      @Reinhardt Gutsche:

      Der Satz müsste jeden Tag veröffentlicht werden dami die unmenschliche Handlungsweise von Politikern sich ins Gedächtnis prägt

  • Die Frage ist halt, wie will man sicherstellen, dass das Geld auch dort ankommt, wo es gebraucht wird?

  • Was soll sie denn machen? Die Bundeswehr schicken?

  • Ich schlage vor, die Autorin fährt mal nach Kabul und erklärt den Regierenden, wie richtige Frauenpolitik geht.

  • Ich traue es der derzeitigen werteorientierte, feministischen, grünen Außenpolitik ohne weiteres zu, Saudi-Barbarien frische Waffen für den Jemen zu versprechen für ein paar Tropfen russenfreies Werte-Öl...

  • Ich würde Annalena Baerbock nicht unterstellen, dass sie sich in diesen Fragen wohlfeil verhält. Im Grunde muß man Fluchthilfe organisieren und ein neues Leben im Westen. Das birgt aber größten politischen Sprengstoff. Wenn den Taliban die Frauen weglaufen, wird Afghanistan aussterben.

  • So schwer es mir fällt, Baerbock in Schutz zu nehmen, in diesem Fall machen es sich ihre Kritiker ein bisschen zu einfach: der Westen hat seinen Krieg in Afghanistan verloren und seit dem nur noch minimale Handlungsmöglichkeiten vor Ort (und der Umgang mit dem afghanistischen Auslandsvermögen dürfte die neuen Herrscher nicht milder gestimmt haben). Geheime - und d.h. ja auch illegale - Schulen unter solchen Umständen vom Ausland aus zu finanzieren, ist erstens ziemlich schwer und setzt zweitens die Beteiligten vor Ort einer noch höheren Gefahr aus (ein beträchtliches Risiko gehen sie ja ohnehin schon sein). So verständlich der Wunsch, Mädchen in Afghanistan Schulbildung zu ermöglichen, auch ist: die realen Möglichkeiten, dabei zu helfen, sind äußerst gering.

    • @O.F.:

      Der Westen hat den Krieg nicht verloren sondern man hat Afghanistan aufgegeben und die Menschen und vor allen Dingen die Frauen und Mädchen ihrem Schicksal überlassen.

  • Baerbock gefällt was sie tut und sagt, oder auch nicht tut und nicht sagt. Sie gefällt sich und hat Spaß an ihrem Job. Wie wenig sie bewegt und auf wie wenig Widerstände sie stößt und dafür auch noch Beifall erhält, bestärkt sie nur in ihrem Nichtstun.

  • Warum werden keine Stipendien vergeben, um Mädchen aus Afghanistan inkl. Eltern nach Deutschland zu hohlen. Nein, nicht nur für`s Studium, auch für die Schule möglich. Das wäre ja auch eine Möglichkeit längst überfällige "ehemalige Unterstützer" aus dem Land zu bekommen. Natürlich mit geringster Bürokratie. Aber vermutlich scheitert es daran. Welcher "staatliche Stempler" auf deutschem Boden will schon Arbeitslos werden - obwohl können die das überhaupt?

  • Die Autorin macht es sich aus meiner Sicht etwas zu einfach.

    Fördergelder für Schulbildung an die richtige Stelle zu bewegen geht leider, so bitter das auch ist, nur mit den Taliban.

    Und die Jungs stehen weder auf feministische Außenpolitik, noch auf alles andere was feministisch ist.

    Von daher kann ich es mir gut vorstellen wie schwiering es ist dort vernünftige Projekte anzustoßen.

  • Frau Baerbock bricht es immer das Herz und sie denkt immer an ihre Töchter. Ob in Yad Vashem oder wenn es um Afghanistan geht.

    Das ist wohlfeil und kommt an.

    • @Jim Hawkins:

      Tja, und mit gebrochenem Herzen kann man/frau natürlich auch nicht viel ausrichten. Gibt's dafür eigentlich eine Krankschreibung? 🤔

    • @Jim Hawkins:

      Unsere Politiker könnten sich ja Tränentattoos zulegen statt die immer gleichen vorgestanzten Schablonen aus dem Genre der Betroffenheitslyrik vorzutragen. Obwohl die Grünen es da schon zu einer besonderen Art der Kunstfertigkeit gebracht haben.

  • Und weshalb sollte sich Deutschland in die inneren Angelegenheiten des Landes Afghanistan einmischen müssen?

    • @DiMa:

      Richtig, wer für den Abzug des Westens aus Afghanistan war darf sich jetzt nicht darüber beschweren wie Frauen und Mädchen behandelt werden, das ist scheinheilig.

      • @Suchender:

        Die Besetzung Afghansistans war lediglich der vollkommen untaugliche und sehr teure Versuch des Exports demokratischer Werte (zumal auf einer äußerst wackeligen rechtlichen Grundlage). Das Thema ist wohl durch.