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Macron lockert französisches ArbeitsrechtMassenproteste sind angekündigt

Die Regierung setzt mit der umstrittenen Reform ein Wahlversprechen des jungen Präsidenten um. Das Ziel: die Arbeitslosenquote senken.

Die Gewerkschaft CGT läuft sich schon mal warm Foto: reuters

Berlin taz | Emmanuel Macron hat es gewagt: Am Donnerstag hat die französische Regierung die seit Monaten erwarteten Reformen vorgestellt, mit denen das französische Arbeitsrecht gelockert werden soll.

Eine „mutige, ausgewogene und gerechte Reform“ nannte Premierminister Edouard Phi­lippe die fünf Verordnungen mit insgesamt 36 Maßnahmen, als er sie zusammen mit Arbeitsministerin Muriel Pénicaud am Mittag in Paris vorstellte. Mit der Reform traut sich die Regierung an eines der umstrittensten politischen Themen der Republik. Legten PolitikerInnen in der Vergangenheit am Arbeitsgesetz Hand an, sorgte das stets für massenhafte Proteste. Auch dieses Mal haben Gewerkschafter sowie der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon Demonstrationen angekündigt.

Kein Wunder, geht es doch direkt an die Macht der Gewerkschaften: So sollen die drei Gremien, die zuvor in französischen Betrieben die Arbeitnehmer vertreten haben, zu einem verschmolzen werden. Arbeitsministerin Pénicaud betonte, dass die Reform vor allem für kleine und mittlere Unternehmen eine Verbesserung darstelle. Sie sollen etwa davon profitieren, dass von Unternehmen und Arbeitnehmern ausgehandelte Betriebsvereinbarungen mehr Gewicht eingeräumt wird.

Überdies geht es an die Entschädigungen für ungerechtfertigte Kündigungen: Konnte zuvor ein Gericht über die Höhe entscheiden, werden diese nun gedeckelt. Das Maximum liegt künftig bei 20 Monaten Gehalt nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit. Für viele Gegner der Reform klingt das nach einer Einladung an die Unternehmen – könnten diese doch nun geradezu ein Budget für Kündigungen einplanen. Im Gegenzug für die Deckelung steigt allerdings auch die gesetzliche Kündigungsabfindung um 25 Prozent.

Kompliziert und starr

Mit seiner Reform will Ma­cron den Jobmarkt anheizen. Das Land leidet seit geraumer Zeit unter einer hohen Arbeitslosigkeit, die fast doppelt so hoch ist wie in Deutschland. Im zweiten Quartal dieses Jahres lag die Arbeitslosenquote bei 9,5 Prozent.

Die Schuld daran sehen UnternehmerInnen und InvestorInnen im Arbeitsrecht der Franzosen. Zu kompliziert und starr sei das Arbeitsgesetzbuch, der „Code du travail“, behaupten die Befürworter der Reform. Schon fast ein Mythos ist die ständig wiederholte Behauptung des Arbeitgeberverbands Medef, der Code sei 3.000 Seiten lang – der Subtext: Mit so was können wir Unternehmer uns nicht herumschlagen.

Alle Befürchtungen, die wir hatten, ­wurden bestätigt

CGT-Chef Philippe Martinez

Unter Gewerkschaftern dagegen ist das strenge Arbeitsrecht sehr geschätzt. Vor allem die radikalere Arbeitnehmervertretung CGT wehrt sich gegen die Reform. „Alle Befürchtungen, die wir hatten, wurden bestätigt“, sagte CGT-Chef Philippe Martinez. „Das ist das Ende des Arbeitsvertrags“, erklärte Martinez mit Bezug dar­auf, dass sich Firmen und Beschäftigte künftig leichter auf Arbeitszeiten und Bezahlung je nach Auftragslage einigen können sollen. „Entweder Sie sind einverstanden, oder Sie zischen mit nichts in der Tasche ab,“ sagte der CGT-Chef.

Am 22. September sollen die Verordnungen vom Kabinett abgesegnet werden. Für den 12. September rief Martinez zu landesweiten Protesten auf. Ein einhelliges Bündnis gibt es unter den Gewerkschaftern allerdings nicht: Die gemäßigtere Force Ouvrière kündigte schon am Mittwoch an, sich daran nicht zu beteiligen.

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27 Kommentare

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  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Abwarten, die Franzosen sind auch resigniert, das hat sich bei der niedrigen Wahlbeteiligung gezeigt.

  • "So sollen die drei Gremien, die zuvor in französischen Betrieben die Arbeitnehmer vertreten haben, zu einem verschmolzen werden."

     

    Die Reglung besteht für Betriebe unter 300 Mitarbeitern in der Bildung der Delegation Unique du Personnel schon seit August 2015. Die Erprobungsphase ist nun offenbar rum, aus der die Schwächung der Arbeitnehmerrechte von den AG´s als positiv resümiert werden konnte.

    Oh Mann, bleibt zu hoffen, dass den Franzosen der gewinn- und exportorientierte Kahlschlag wie in D erspart bleibt und Macron nicht zu Schröder/Fischer/Merkel mutiert. Doch es sieht i-wie nicht gut aus.

    • @lions:

      Macron muss dafür nicht mutieren - er ist extra so geklont worden.

      • @MontNimba:

        !

  • Die richtige Antwort kann jetzt nur der Generalstreik sein!

    • @Hartz:

      Genau das käme Macron entgegen. Er braucht einen Vorwand zur Entmachtung der Gewerkschaften. Ein Generalstreik während des Ausnahmezustandes kommt da gelegen.

    • @Hartz:

      In unseren TV-Nachrichten hat man das Thema "französisches Arbeitsrecht" gestern schon verharmlost. Ich nehme mal an, wenn die Franzosen mit landesweiten Protesten gegen das neue Arbeitsrecht auf die Straßen gehen und demonstrieren, dann wird in unseren TV-Nachrichten über den schlechten Sommer 2017 berichtet werden, damit unsere Arbeitslosen und Niedriglohnsklaven auch ja nicht "auf dumme Gedanken kommen".

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @Ricky-13:

        Die können schon höher Löhne fordern dann wandern die Fabriken halt nach China, Vietnam, etc. ab. Wir leben im Zeitalter der globalen Konkurenz, freßen und gefreßen werden.

        • @83379 (Profil gelöscht):

          Die Lohnunterschiede könnte man durch sinnvolle Zölle ausgleichen. Direkte Konkurrenz zwischen Menschen, die unter völlig unterschiedlichen Verhältnissen leben, lässt Löhne sinken...

        • @83379 (Profil gelöscht):

          Es können ja in Frankreich Löhne wie in Vietnam gezahlt werden...

          Aber mit den Löhnen wird wohöl kaum jemand etwas kaufen können. Das Resultat...

  • Insgesamt können sich die Länder mit eisernem Arbeitnehmerrecht nicht ewig einer Reform verweigern. Die Symptome sind da durchgängig die gleichen. Die Alten haben gut bezahlte Jobs und sind unkündbar. Die Jungen auf der anderen Seite haben es mit der Arbeitssuche sehr schwer, bekommen teilweise nicht einmal einen Praktikumsplatz.

     

    Jetzt kann man natürlich sagen: Ja aber in Deutschland ist die Zahl der Arbeitslosen nur so niedrig, weil es so viel prekäre Beschäftigung und Minijobs gibt. Nun wer noch immer so argumentiert der sollte sich vielleicht einmal die aktuellen Statistiken zum Thema ansehen. Sowohl die prekäre Beschäftigung, als auch Minijobs nehmen seit Jahren stetig ab und das ganz ohne Stärkung von Arbeitnehmerrechten.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @disenchanted:

      Welche Statistiken meinen Sie?

      Leiharbeit hat doch 2017 erneut zugenommen? http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/anstieg-um-4-4-prozent-linke-kritisiert-zunahme-der-leiharbeit/20158914.html

      • @2097 (Profil gelöscht):

        Leiharbeit ist nicht gleich prekäre Beschäftigung. Wie sich prekäre Beschäftigung entwickelt hat können Sie beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nachlesen. Wer bei der Auswahl seiner Nachrichtenquellen etwas breiter gefächert ist weiß das schon länger.

         

        In diesem Kontext ist die viel entscheidendere Frage aber doch: Wie ist der Unterschied zwischen den Ländern mit sehr konservativem arbeitsrecht und denen mit sehr liberalem Arbeitsrecht? Und da ist die Antwort so eindeutig und offensichtlich das sich Diskussionen bald erübrigen.

  • Man stellt nicht mehr Leute, nur weil Arbeitsrecht gelockert wird. Möchte man in FR die Arbeitslosigkeit senken, dann müsste man den deutschen Weg gehen:

     

    a) Löhne runter (den zweitbesten Niedriglohnsektor schaffen ;)

    b) Druck (auch ökonomischen) auf Arbeitslose erhöhen

    c) Arbeit splitten (mehr Teilzeit)

    d) Produktivität "schleifen lassen" (da sind noch Franzosen zu produktiv

     

    Ich persönlich sehr Macron gewaltig scheitern. Und das ist auch gut so.

    10% Arbeitslosigkeit? Das wird in der Zukunft noch ein Wunschwert sein.

    • @agerwiese:

      Die Mär von der französischen Produktivität wird hier wohl nie aussterben. Kennen Sie den: Ein Statistiker ist jemand der mit dem Kopf auf cdf glühenden Herdplatte liegt, seine Füße ins Flüssigstickstoff stellt und behauptet die Durchschnittstemperatur sei optimal.

       

      Es ist offensichtlich das es sich bei dieser sogenannten Produktivität um eine Räuberpistole handelt. Die Franzosen haben eine deutlich höhere Arbeitslosenquote, exportieren erheblich weniger, haben teilweise Probleme Investoren zu finden, streiken jeden zweiten Tag und haben ein niedrigeres Durchschnittseinkommen, sollen aber gleichzeitig produktiver sein als die Deutschen?! Man muss kein Genie sein um zu erkennen das da etwas nicht schtimmt.

  • "Arbeitsministerin Pénicaud betonte, dass die Reform vor allem für kleine und mittlere Unternehmen eine Verbesserung darstelle."

     

    Profitieren große Konzerne nicht? Und wenn ja; warum?

     

    Die Berichterstattung über die "Reform" per Ermächtigung ist sehr dünn. Die 36 Änderungen füllen 200 Seiten. Das wäre es schon interessant, etwas mehr als ein paar kleine Brocken vorgeworfen zu bekommen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Profitieren große Konzerne nicht? Und wenn ja; warum?"

       

      Große Konzerne profitieren von der Neuregelung der gewerkschaftlichen Gremien weniger, weil die Zahl der Betriebsräte nicht linear mit der Zahl der Beschäftigten steigt.

       

      Beispiel:

       

      Nehmen wir mal an, ab einer Betriebsgröße von 10 Mitarbeitern müssen Sie einen Betriebsrat einrichten. Bisher waren das drei Gremien, jedes muß von einem Arbeitnehmer besetzt werden. Also werden 30% der Belegschaft Betriebsräte.

       

      Bei einem Unternehmen mit 10.000 Angestellten hiesse dies, sie hätten 3000 Betriebsräte. Wahrscheinlich haben Sie aber eher um die 50.

       

      Wenn jetzt drei Gremien zu einem zusammengelegt werden, verliert vielleicht die Hälfte ihren Betriebsratsstatus. Das sind 25 bei einer Belegschaft von 10.000 AN, ein Produktivitätszuwachs von 0,25%.

       

      Der kleine Betrieb hat dann aber vielleicht nur noch ein Betriebsratmitglied und zwei von 10, die wieder normal tätig sind, ein Produktivitätszuwachs von 20%.

       

      Auch wenn die Zahlen vermutlich nicht ganz richtig sind, hier geht es nur um die Tendenz.

      • @cursed with a brain:

        Betriebsratsmitglieder arbeiten natürlich auch. Und 3 verschiedene Vertretung scheinen mir auch übertrieben. Aber das ist eben nur ein Punkt von 36. Wie sieht es denn insgesamt aus? Mich würde mal interessieren, was bei einer genauen Analyse aller 200 Seiten herauskommt. Wie soll man sich sonst ein Urteil bilden?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Richtig. Der Bericht ist dünn, und außerdem fehlt in dem Bericht, dass die Fanzosen von ihrem Job leben können, in D aber nicht mehr als arbeitslos gelistet wird, wer 3 h die Woche arbeitet, und deshalb noch komplett aus der Staatskasse unterstützt werden muss, und deshalb den Hartz4 Schikanen unterliegt. Damit relativiert sich der Unterschied bei der Arbeitslosigkeit. Es fehlt, dass die Arbeitslosigkeit in F höher ist als in D, weil in D nur Dumpinglöhne gezahlt werden (auch dank Entmachtiung der Gewerkschaften), und die D Firmen den Französichen deshalt leicht die Aufträge wegnehmen können.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ihnen ist schon klar, dass die von Ihnen so genannte "Ermächtigung" durch die Wahl Macrons zum Staatspräsidenten und den darauffolgenden überzeugenden Sieg seiner Liste bei den Parlamentswahlen basiert? So etwas nennt man "Demokratie".

       

      Die Macron-Liste besteht übrigens zum überwiegenden Teil aus Leuten, die nicht dem Politikbetrieb entstammen, sondern vorher durch zivilgesellschaftliches Engegement aufgefallen sind. Von so etwas kann Deutschland nur träumen.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Breitmaulfrosch:

        Überzeugender Sieg bei knapp24 % der Stimmen im ersten Wahlgang. Entweder haben Sie das französische Mehrheitswahlrecht nicht verstanden oder Sie treiben billige Propaganda. Die können Sie mit Bildzeitungsleser machen, aber nicht mit politisch aufgeklärten taz-Lesern.

        Was die sogenannten Neulinge angeht, die sind nur zum Handhochheben und Beifallklatschen da, die Zügel werden Stramm von ehemaligen Rechtssozis gehalten, Ferrand, Castaner, Aurore Berger..alles langjährige Politprofis.

      • @Breitmaulfrosch:

        Eine Bewegung (statt einer richtigen Partei) aus Leuten, die einen charismatischen Anführer gut finden, klingt eher nach Putin, als nach einer Ausgeburt von Demokratie. Macron hat sich praktisch innerhalb seiner "Partei" die absolute Befehlsgewalt gesichert. Alle Abgeordneten sind von ihm persönlich ausgesucht. Und diese haben ihn vorab "ermächtigt" die sogenannte Reform per Dekret (wie Trump) durchzusetzen. Unter Umgehung der üblichen Gesetzgebungsprozeduren. Das ist einem klar, wenn man sich eine Sache richtig anschaut.

  • Solidariät...

     

    Hartz IV auf franzöisch. Ich wünsche den Protetsten dagegegn viel Erfolg!

    Wo bleibt die Solidarität der deutschen Gewerkschaften mit den Demonstranten?

  • Das ist wohl erst der Anfang. Kommt Macron damit durch, dann wird es in weiteren Bereichen weitergehen. Und das Kündigungsrecht wird hier zur ungunsten von langjährigen, qualifizierten Fachkräften geändert.

    • @Andreas_2020:

      Letzteres hat ja in 'schland als Vorbild

      Lange auch&grade - Grüne Tradition!

      (& klar - tazis nicht weit davon!;(

       

      Jaja. Remember!

      "Aber das gefühlte Hemmnis KSchG!" Jau! Genau! Fritze Kuhn - schnell!

      Hück OB Sturrgard - gell!

       

      Damals. "Bierdeckel-Steuer"

      Friedrich Merz - Brilon Wald

      Na. CDU - meinte dazu -

      "Es kann doch nicht sein

      Leichter aus ner Ehe als raus nem

      Arbeitsverhältniss! - Nein."

       

      No & Fritze Kuhn ganz kühne

      Lud nen Vors. Richter LAG

      Zur Diskussion"Wir Die Grüne!" & Däh!

      Der alte Fahrensmann - befand sodann

      "Alles Quatsch" - Kühl von der Bühne!

      Da greinte Fritze aber auf - getz!

      "Aber das gefühlte Hemmnis KSchG!"

      Nu. Der Richter beschied ihn ganz behändig!;)

      "Ha no. Für dero Gefühle bin ich nit -

      Zuständig!"

       

      Doch. Dess - bekannt - sodann

      Focht MicedisSturrgardStern Fritze -

      Diesen derb verschröderten -

      Kühn - Zetsche/Kretsche-Mann

      Nicht an!

       

      Na & dess Macrönchen -

      Diss glissant MuttiPersönchen!

      Aber. Scholli - mein Lieber!

      No. Von gleichem Kaliber!