Lüneburger Initiativen beschweren sich: Ordnungsamt bremst Demos aus
19 Initiativen aus Lüneburg werfen dem dortigen Ordnungsamt vor, Versammlungen durch Auflagen und kurzfristige Änderungen zu erschweren.
So forderte das Ordnungsamt im Juli 2020 die Organisator:innen einer „Black Lives Matter“-Demonstration zwei Tage vor der Demo auf, die geplante Startzeit wegen der vielen Einkaufspassant:innen zu verändern. „Im Kooperationsgespräch hatten wir die Route jedoch schon so verändert, dass wir kaum Passant:innen begegnen würden. Das Verwaltungsgericht gab uns zwar recht mit unserem Eilantrag, aber so stand erst am Vorabend der Demo die endgültige Uhrzeit fest“, erzählt Nana Amoah von der mitorganisierenden Leuphana African Students Organisation.
Die Hansestadt Lüneburg hat bislang nicht auf das Schreiben reagiert, das die insgesamt 19 Gruppierungen am Montag der vergangenen Woche veröffentlichten.
Auf taz-Anfrage nimmt eine Pressesprecherin der Stadt kaum Bezug auf die Inhalte des Briefes. Das Versammlungsrecht sei ein unverzichtbares Grundrecht und die Stadt weise die Vorwürfe zurück, erklärt sie. Es würde länger dauern, neue Protestformen wie Camps oder Proteste auf Autobahnen zu prüfen. Zudem habe die Zahl an Versammlungsanmeldungen zugenommen: Demnach habe es bis 2018 nur rund 20 Versammlungen pro Jahr gegeben, 2019 dagegen schon 110 und in den Jahren 2020 und 2021 jeweils über 200. „In den vergangenen Jahren hat die Hansestadt Lüneburg keine einzige Versammlung untersagt“, so die Pressesprecherin.
Das eigentliche Problem sehen die Briefschreiber:innen aber nicht im Verbot von Versammlungen, sondern in den „zweifelhaften Entscheidungen“ des Ordnungsamts, das „zu rigoros Aspekte von politischen Versammlungen verbietet“.
Viele Klagen gegen Ordnungsamt-Entscheidungen
Für Jonas Korn sieht das nach einer „Verzögerungstaktik“ aus. Er engagiert sich für das „KlimaKollektiv“, ein Lüneburger Zusammenschluss für Klimagerechtigkeit, der den offenen Brief initiiert hat. Korn und seine Mitstreiter:innen kannten viele der anderen Gruppierungen durch Zusammenarbeit in der Vergangenheit und fragten herum, welche Probleme bei diesen aufgetreten seien.
So sammelten sie eine Liste mit elf politischen Veranstaltungen aus den vergangenen zwei Jahren, bei denen das Ordnungsamt Routen kurzfristig ändern ließ, Zeiten ändern wollte oder Versammlungen nicht in der ursprünglichen Form genehmigte.
Die Veranstalter:innen waren gezwungen, „die Durchsetzung demokratischer Rechte oft auf dem Rechtsweg“ zu erstreiten, heißt es im offenen Brief. Und weiter: „Die vielen positiven Entscheidungen der Gerichte für die Versammlungsanmeldenden zeigt, dass das Ordnungsamt oft zu repressiv entscheidet.“
Das „KlimaKollektiv“ musste beispielsweise für eine „Demonstration gegen die A39 und für die Mobilitätswende“ im Dezember 2020 die Originalroute auf der Lüneburger Ostumgehung vor dem Verwaltungsgericht erklagen. Die Unterzeichner:innen, zu denen neben vielen Klimaschutzgruppen auch der Asta der Universität, die Sozialistische Jugend und die Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen gehören, weisen darauf hin, dass der Weg vor das Gericht wegen mangelnder Erfahrung oder aus Geldgründen nicht allen Personen gleichermaßen offenstünden. Gemessen an der Anzahl der Versammlungen insgesamt habe es „nur in sehr geringem Umfang“ Gerichtsverfahren gegeben, sagt die Sprecherin der Stadt.
Abseits der rechtlichen Fragen führen die sehr späten Entscheidungen des Ordnungsamtes zu Organisations- und Mobilisationsproblemen, da häufig erst kurz vor den Versammlungen die relevanten Aspekte feststünden, sagen die Unterzeichner:innen. Sie fordern nun von der Stadt, „versammlungsfreundliche Verhältnisse“ herzustellen. Denn eine lebendige Demokratie brauche diese.
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