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Lobbyismus bei der FDPSteuerexpertin verliert Job

Nachdem die taz berichtet hatte, kündigte Delivery Hero einer Lobbyistin, die auch für die FDP arbeitet. Die Partei sieht kein Problem.

Wer lobbyiert hier? Rechts die Abgeordnetenbüros, links der Bundestag im Reichstagsgebäude in Berlin Foto: Axel Kaste/imago

Berlin taz | Mit der Doppelrolle der steuerpolitischen Referentin der FDP-Bundestagsfraktion, Julia Bossmann, ist es nach taz-Informationen vorbei. Vor einigen Wochen hatte die taz berichtet, dass Bossmann nicht nur für die FDP tätig ist, sondern auch für den börsennotierten, multinationalen Lieferkonzern Delivery Hero. Dort war sie ausgerechnet für die Steuergestaltung verantwortlich. Sie war auch im Lobbyregister des Bundestags als Interessensvertreterin für Delivery Hero registriert.

Nach Bekanntwerden dieser Konstellation hat jetzt Delivery Hero das Arbeitsverhältnis mit Bossmann beendet, wie das Unternehmen auf taz-Anfrage mitteilte. „Delivery Hero nimmt Transparenz in der Zusammenarbeit mit politischen Institutionen sehr ernst“, sagte ein Unternehmenssprecher der taz. Das Arbeitsverhältnis sei beendet worden, um „potenzielle Interessenskonflikte“ zu vermeiden. Der Eintrag im Lobbyregister wurde dementsprechend gelöscht.

Die FDP-Fraktion teilte lediglich mit, man sei über das Ende des Arbeitsverhältnis informiert worden. Eine taz-Anfrage an Frau Bossmann selbst wies die Parlamentarische Geschäftsführung der Fraktion mit der Begründung zurück, die Frak­ti­ons­mit­ar­bei­te­r:in­nen würden keine Medienarbeit machen.

Die FDP hatte zuvor in der Doppelrolle kein Problem gesehen: „Wir sehen keinerlei Beeinträchtigung ihrer fachlichen Tätigkeit in unserer Bundestagsfraktion. Die Compliance-Anforderungen werden erfüllt“, hatte die Fraktion auf Anfrage mitgeteilt. Des Weiteren seien Änderungen des Steuerrechts immer allgemein gefasst, deshalb könne gar kein einzelnes Unternehmen bevorzugt werden.

Die Organisationen Abgeordnetenwatch und Lobbycontrol hatten hingegen scharfe Kritik an dieser Konstellation geübt. Der Interessenskonflikt liege auf der Hand, der Umgang der FDP-Fraktion sei fragwürdig, sagte Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange. Die Abgeordnetenwatch-Sprecherin Sarah Schönewolf sagte, es sei „vollkommen unangemessen, dass die FDP-Bundestagsfraktion eine Konzern-Lobbyistin zur Referentin macht“.

An dieser Kritik ändere sich durch die neuen Entwicklungen nichts, sagte Schönewolf am Donnerstag auf taz-Anfrage: „Auch wenn Delivery Hero mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Konflikt entschärft hat, bleibt es dabei, dass die FDP-Fraktion hier nicht sorgfältig genug vorgegangen ist, um eine Verquickung von Politik und Konzerninteressen zu vermeiden.“ Dass die Fraktion in der Konstellation weiterhin kein Problem sehe, sei „schwer nachvollziehbar“, so Schönewolf.

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15 Kommentare

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  • Spannend. Richtig wäre gewesen, sie von der FDP auszuschließen - die ja immer glaubt, sie würde dem Staat dienen. Und dann wäre ein Untersuchungsverfahren wegen Veruntreuung/Betrug/Steuerhinterziehung/Vorteilnahme etc. angesagt.

    Aber so ist offensichtlich für die FDP alles super in Ordnung. Freue mich schon darauf, wenn sie endliche aus dem Bundestag fliegen.

  • Die ganze FDP ist doch ein Lobbyverein - einzelne letzte Aufrechte wie Baum und Leutheuser ausgenommen. Da ist sie schon richtig.



    Schade, aber auch zutreffend, dass die FDP derzeit für eine progressive Regierungskoalition ohne die abgewirtschaftete Union nun einmal vonnöten ist. Warum steuert Lindner sie nur so verbissen und gegen alle Fakten in die falsche Richtung?

  • @Perkele: "Partikularinteressen" — das trifft es sehr gut.



    Wahrscheinlich deshalb fühle ich mich bei den Sozen am besten aufgehoben — ist aber nur so ein Gefühl ...

    Gruß



    Fritze

  • Es würde mich bei der FDP sehr wundern, wenn es anders laufen würde, als im Artikel geschildert.

    Diese Partei gibt in Bezug auf Wirtschaftsfragen, mit Herrn Lindner und in Bezug auf Verteidigungsfragen mit Frau Strack-Zimmermann (Stichwort FKH - Förderkreis Deutsches Heer) ein ziemlich seltsames Bild ab — Stichwort "Filz".

    Gruß



    Fritze

    • @Fritz Müller:

      Was ist denn an Frau Strack-Zimmermann so schlimm? Ich bin beileibe keine FDP-Wählerin, aber sie ist eine der wenigen Stimmen im Bundestag (neben Hofreiter) die auf Russlands Angriffskrieg die sinnvollsten Forderungen formuliert.

    • @Fritz Müller:

      Ich würde es nicht an die FDP festmachen. Das zieht sich doch alle Parteien. In unterschiedlichen Gremien.



      Joschka Fischer ist ein Paradebeispiel, der schon während seiner politischen Laufbahn aktiv wurde, um danach als Consultant für Unternehmen zu arbeiten, die er in seiner Jugend bekämpft hat.

      • @Ahnungsloser:

        Ja klar. Die Grünen. Die sind an allem Schuld und eh nicht besser. Ihr Vergleich ist zwar korrekt, doch er zielt an allen anderen vorbei, die sehr erheblich korrupter sind. Aber solange man auf Grün's eindreschen kann - was soll's??

        • @Perkele:

          Das habe ich nicht mal ansatzweise geschrieben. Nur, dass es kein Privileg der FDP ist, sondern dass alle Parteien davon betroffen sind.



          Bei manchen wird nur lauter darüber diskutiert.

      • @Ahnungsloser:

        Ob er dabei den Firmen auch bei der sparsamen Steuergestaltung geholfen hat?

        • @mwanamke:

          Ich weiß nicht in welcher Form er während seiner politischen Karriere den Firmen geholfen hat. Wird ja einen Grund haben, warum jemand ohne Schulabschluss, Ausbildung, Studium als Consultant für Unternehmen wie Banken, Energieunternehmen, Autokonzerne arbeitet

      • @Ahnungsloser:

        Es gäbe auch noch den unseligen wie unglücklich agierenden M. Berninger bei Bayer. Und trotzdem gibt es massive Unterschiede bei Parteien und ihrer Unternehmensnähe: ADis, Union und FDP buckeln häufiger. Linke, Grüne und SPD seltener.

  • Was sich diese Pseudo-Partei FDP leistet ist schon lange kein Ausdruck von "Freiheit" mehr. Es ist Ausdruck von völlig hemmungsloser Gier und Partikularinteressen. Gesamtverantwortung? Fairness? Anstand? In diesem Lobby-Haufen sind das total fremde Begriffe.

  • Dass die FDP kein Problem darin hat überrascht mich nicht: working as designed, würd' ich sagen.

    Dass Delivery Hero sich von ihr trennt finde ich eher überraschend bzw. interessant. Fürchten sie sich so sehr vor Imageschaden?

    Aber vielleicht wollten sie sie eh' loswerden weil sie nicht erwartungsgemäss performt hat und das war eine gute Gelegenheit, ein paar extra-PR-Punkte zu machen.

  • Ich verstehe einfach nicht, was diese Frau falsch gemacht haben soll. Hat sie sich auf die Finger schauen lassen? BäIst es nicht genau die Aufgabe von Lobbyisten, Konzern Interessen mit Politik zu vermischen? Deswegen das Lobbyregister.

    Wenn’s nicht verboten ist, so ist es erlaubt. Und ist nicht die ganze FDP ein Lobbyverband für die Industrie?

    Ich verstehs nicht.

    • @Numitor:

      Stimmt, aber was ist die Aufgabe einer Steuer Referentin? Aus dieser Perspektive wird dann ein Schuh draus.