Linken-Chefin zu Russland-Desinformation: „Wir sind nicht gut gewappnet“

Die russische Social Design Agency betreibt Desinformation in Deutschland. Eine Betroffene: Janine Wissler. Die Linken-Chefin fordert mehr Gegenwehr.

Janine Wissler, die Bundesvorsitzende der Partei Die Linke

Janine Wissler, die Bundesvorsitzende der Partei Die Linke, steht auf der Liste einer russischen Propagandafirma Foto: Sebastian Kahnert/dpa

taz: Frau Wissler, laut unserer Recherche steht Ihr Name auf einer Liste der russischen Propagandafirma Social Design Agency, auf der deutsche Meinungsführer benannt sind, deren Aussagen für prorussische Narrative genutzt werden sollen. Oder die, falls russlandkritisch, diskreditiert werden sollen. Wussten Sie davon?

Janine Wissler: Nein, ich kannte weder diese Agentur noch diese Liste.

taz: Wie erklären Sie sich, dass Sie auf dieser Liste gelandet sind?

Wissler: Da kann ich nur mutmaßen und man muss auch vorsichtig sein, um nicht russischer Staatspropaganda auf den Leim zu gehen. Klar ist: Ich habe mich gegen Waffenlieferungen in die Ukraine ausgesprochen und für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Aber das war eben keine Parteinahme für Putin, ganz im Gegenteil.

Jahrgang 1981, ist Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag und eine der stellvertretenden Parteivorsitzenden der Bundespartei.

Ich habe immer klar gesagt, dass ich die russische Aggression gegen die Ukraine scharf verurteile, dass ich Putin und seine autoritäre Politik zutiefst ablehne und dass ich solidarisch mit der Friedensbewegung in Russland und mit russischen Deserteuren bin. Ich stehe in Kontakt mit russischen Oppositionellen, die sich gegen den Krieg und gegen Putins Politik engagieren und habe mich in einigen Fällen aktiv dafür eingesetzt, dass diese Menschen Asyl in Deutschland erhalten. Das wurde offensichtlich in Russland wahrgenommen.

taz: Auf der SDA-Liste stehen auch Ihre frühere Parteikollegin Sahra Wagenknecht oder AfD-Parteichefin Alice Weidel. Auf die Parteien der beiden setzt die SDA große Hoffnung, um in Deutschland prorussische Narrative zu bestärken. Überrascht Sie das?

Wissler: Dass Putin seit Langem rechtsautoritäre Kräfte überall in Europa unterstützt, ideologisch und auch finanziell, ist nicht neu. Auch nicht, dass er dabei mit der AfD paktiert. Das ist eine gezielte, langfristige Strategie. Auch deshalb kann man Putins Politik nur vehement ablehnen.

taz: Und wie bewerten Sie, dass Sahra Wagenknecht dort aufgelistet wird?

Wissler: Sahra Wagenknecht ist nicht mehr in unserer Partei und ich bin froh und erleichtert, dass ich ihr Handeln nicht mehr dauernd kommentieren muss. Nur soviel: Als konsequenter Kriegsgegner sollte man deutlich machen, dass man jeden Krieg verurteilt und niemals doppelte Maßstäbe anlegen.

taz: Unsere Recherche zeigt, wie systematisch und akribisch die SDA prorussische Narrative auch in Deutschland befördern will – mit gefälschten Onlineprofilen und Beiträgen, mit massenhaft auf Social Media verbreiteten Karikaturen oder Fakes. Wie gefährlich ist die russische Desinformation?

Wissler: Dass Putins Regierung skrupellos agiert, zeigt sich schon daran, wie sie die Opposition in Russland kaltstellt und oppositionelle Stimmen zu unterdrücken versucht. Ganz offensichtlich hat dieses Regime ein Interesse daran, die öffentliche Meinung international zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen. Und Desinformation ist in digitalen Zeiten natürlich eine große Gefahr. Wir erleben eine Flut an Fake News, die für viele immer schwerer zu erkennen sind. Daran beteiligen sich solche Agenturen und auch Geheimdienste – wohlgemerkt nicht nur russische, wenn wir etwa auf das Agieren der NSA schauen. Diese Gefahr der Desinformation müssen wir alle auf dem Schirm haben, dagegen sind wir noch nicht gut gewappnet.

taz: Wie kann man sich denn da wappnen? Tun die Regierung und die Behörden genug?

Wissler: Das ist natürlich keine leichte Aufgabe in Zeiten, in denen sich Informationen digital auf so vielen Kanälen verbreiten. Aber Social-Media-Anbieter haben hier die Pflicht, konsequent gegen Lügen, Hass und Hetze vorzugehen. Hier müssen sie noch mehr in die Pflicht genommen werden. Mir ist aber auch wichtig, an die Ursache ranzugehen und diejenigen zu stärken, die Putin und seiner Desinformation die Stirn bieten: die kritischen Teile der russischen Zivilgesellschaft. Deshalb dürfen wir nicht alle Beziehungen nach Russland kappen, ganz im Gegenteil. Die russische Zivilgesellschaft braucht Unterstützung und Austausch, sie müssen wir stärken. Russland ist nicht Putin. Und irgendwann wird es ein Russland ohne Putin geben.

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