Schluss machen mit Spotify: Es ist aus
Spotify bezahlt Künstler:innen schlecht, veröffentlicht KI-Musik und der CEO investiert in ein Rüstungs-Start-up. Unsere Autorin zieht nun Konsequenzen.
M anche Beziehungen basieren auf gewachsener Liebe, auf gemeinsam verbrachten Jahren, auf Vertrauen. Andere … na ja. Andere halten sich nur noch durch Gewohnheit. Und wenn dieser eine Gedanke sich erst mal festsetzt, „Was mache ich hier eigentlich noch?“, dann ist es Zeit zu gehen. So geht’s mir mit dir, Spotify. Tut mir nicht leid, ich bin raus.
Wir hatten eine schöne Zeit, wirklich. Ich bin mit dir groß geworden. Du warst da, auf meiner ersten Party, auf der ich „Stolen Dance“ von Milky Chance mit damals gerade 803 Streams abspielte, du standest mit mir gemeinsam das Abi und den ersten Liebeskummer durch, hast mir mit der „Putz-Playlist“ unzählige Stunden Arbeit in der Kletterhalle versüßt. Aber du hast dich verändert.
Ich habe lange nicht hingeschaut. Red Flags gab’s ja immer schon – aber man will ja noch an die Beziehung glauben. Und daran, dass du’s gut meinst, dass du anders bist als die anderen großen Plattformen. Aber du bist ein mieser Ausbeuter. Künstler:innen bekommen pro Stream nicht mal einen halben Cent, 0,3 Cent, um genau zu sein. Das sind 2,86 Euro für 1.000 Streams. Apple Music zahlt das Doppelte. Und du, Spotify, hast Anfang 2024 noch einen draufgelegt: Statt das Geld deiner zahlenden Abonnent:innen direkt an Musiker:innen weiterzugeben, landet alles in einem großen Topf. Ein Drittel davon behältst du gleich selbst. Ein großer weiterer Teil geht an die GEMA und Labels, die dann die Musiker:innen bezahlen sollen. Doch was wirklich bei denen ankommt? Wer weiß das schon? Hauptsache, du profitierst von der Beziehung.
Aber du enttäuschst mich nicht nur, du erschreckst mich auch. Dein CEO, der Milliardär Daniel Ek, der weiß, wohin mit dem Geld, das du den Musiker:innen nicht zahlst – denn er investiert in die Rüstungsindustrie. Seine Investmentfirma Prima Materia hat kürzlich viele Millionen US-Dollar in ein KI-Rüstungsunternehmen investiert. Helsing ist nach der 600-Millionen-Spritze, von der ein Großteil von Ek kommt, nun zu einem der wertvollsten Start-ups Europas geworden, schreibt die Financial Times.
Viele Künstler verlassen dich gerade
Helsing stellt zum Beispiel die HX-2 Drohne mit Mehrzweck-Sprengkopf her, die schon in der Ukraine im Einsatz ist, und die auch die Bundeswehr bald testen will. Sie soll schneller, intelligenter und mit einer größeren Reichweite ausgestattet sein als andere vergleichbare Drohnen. Finanziert mit dem Geld von uns Musikstreamer:innen. Mit dem Geld, das du, Spotify, dir in die Tasche steckst, während du vorgibst, nur ein bisschen harmlosen Pop und Indie in unsere Wohnzimmer zu bringen. Es reicht mir. Ich will nicht, dass mein Musikabo dazu beiträgt, Kriege effizienter zu machen – also mehr Menschen zu töten.
Ich bin damit nicht die Einzige. Einige Künstler:innen verlassen dich gerade – King Gizzard & the Lizard Wizard, Xiu Xiu, Deerhoof. Keine Megastars, klar. Selbst Taylor Swift konnte dir 2014 nicht dauerhaft wehtun, obwohl sie sich für drei Jahre von dir trennte. Also vielleicht schmerzt es dich nicht, wenn wir gehen, aber ich möchte mich wieder unabhängiger machen.
Denn du lügst mich auch an. Immer mehr Songs auf deinen Playlists kommen gar nicht mehr von Menschen, sondern von generativen KI-Systemen – sogenannter Perfect Fit Content. Schnell produziert, billig, austauschbar und von dir in die Playlisten gespült. Und vor allem: nicht als KI-Musik gekennzeichnet. Sorry, aber das fittet bei mir gar nicht perfekt. Selbst Songs von toten Künstler:innen erfindest du ohne Genehmigung der Labels, wie etwa letzte Woche einen Song des Country-Sängers Blaze Foley, der schon 1989 erschossen wurde. Geht’s noch? Ich will wissen, ob ich da gerade einen echten Menschen höre oder dich selbst, Spotify. Ob du nun Musiker:innen erfindest, um noch ein bisschen mehr Geld in deine Kriegsdrohnen zu pumpen.
Vielleicht muss ich einfach mal daten. Tidal? Der sensible Edgy-Indie-Typ unter den Streaminganbietern, der seine Künstler:innen besser bezahlt. Deezer? Der Ordnungstyp – taggt wenigstens, was KI-Musik ist. Oder Qobuz, ein französischer Streaminganbieter, von dem auf Social Media viele sagen: Da muss man zwar mehr in die Beziehung investieren (also Geld), dafür ist der Umgang respektvoller.
Nur: Ich kann dich nicht ganz von heute auf morgen verlassen. Zu viel ist da noch gespeichert. Über zehn Jahre Playlists, Mixtapes, Erinnerungen. Und ja, ein kleiner Teil von mir wartet sogar wieder auf das nächste Spotify Wrapped – diese Mischung aus Selbstoffenbarung und digitalem Cringe am Ende des Jahres. Ein letzter Blick zurück. So war das früher: kostenlos, werbefinanziert, irgendwie anarchisch. Ich, mit 16, mit Laptop und AUX-Kabel auf Hausparty, du auf Shuffle. Aber ich gehe. Weil ich und auch die Künstler:innen auf deiner Plattform etwas Besseres verdient haben.
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